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Szenenfotos aus "Das tapfere Schneiderlein" - einmal im Dschungel als Schauspiel, einmal von der Wiener Taschenoper
Szenenfotos aus "Das tapfere Schneiderlein" - einmal im Dschungel als Schauspiel, einmal von der Wiener Taschenoper
29.11.2023

Tapfere Auf- und Ab-Schneiderleins

Einmal gesungen – von der Wiener Taschenoper – und einmal als Anti-Heldin im Dschungel Wien.

Nach rund fünf Dutzend Mal wurde die Neuversion von „Das tapfere Schneiderlein“ von der Wiener Taschenoper unlängst in der Kulturgarage in der Seestadt Aspern zum letzten Mal aufgeführt. Von anspruchsvoller Musik von Wolfgang Mitterer getragen, wurde das Märchen nach den Gebrüdern Grimm über den Auf-Schneider gesungen – und gespielt mit teils einfachen und doch recht üppigen Kulissen und Kostümen.

Kinder verdienen anspruchsvolle Musik

Der Komponist meint im Programmheft: „Richtig vorgetragen ist jede Melodie fasslich… Kinder müssen nicht mit banalen Melodien, womöglich noch laut verstärkt, an die Wand geprügelt werden…“ Musikalisch umgesetzt haben dies – live auf der Bühne – Karl Sayer (Kontrabass) und Michael Tiefenbacher (Keyboard/Samples).

Witz in die Afführung brachte die Inszenierung von Jevgenij Sitochin, der vor allem den König, gesungen und gespielt von Johannes Zeiler (macht-)technisch immer wieder anlaufen lässt. Jakob Pejcic wächst als Schneider an den Aufgaben zum Helden.

Antonine Vernotte (Ratgeber/Einhorn/Riese) und Jubin Amiri (Ratgeber/Wildschwein/Riese) sorgen immer wieder für fast Slapstick-artige Einlagen, insbesondere als die beiden – einander laufend widersprechenden – Ratgeber.

Überholte Frauenrolle

Adèle Clermont hat insbesondere als Königstochter die A-Karte gezogen, weil das Libretto (Helga Utz) ihr eine Frauenrolle geschrieben hat, die vielleicht ins vorvorige Jahrhundert gepasst hätte. „Oh, ein Held, kann ich ihn haben!“

Dschungel-Version: Antiheldisch

Ganz anders angelegt ist die – doch entlang des klassischen Märchens – gespielte Fassung von Raoul Biltgen. Hier ist das Schneiderlein ganz und gar nicht gewillt heldisch zu sein, will lieber der eigenen Profession nachgehen und schöne Kleidungsstücke nähen. Wenngleich die Schneiderin (Nele Christoph) zwar von Stoffen umgeben live auf einer Tribüne über der Bühne häkelt. Aber das ist womöglich Teil des Spiels mit Wahrheit, Übertreibung, Lüge und Schwindeleien. Die sind ein fast ständig präsentes Thema in dieser Version (Regie: Mira Stadler).

Wie auch immer, die Schneiderin will gar keine Abenteuer bestehen, wird aber von dem Erzähler:innen-Trio (Annina Hunziker, Alina Schaller, Anton Widauer) dazu gedrängt, manipuliert, mitunter auch genötigt. Schließlich soll doch dieses Märchen von den „7 auf einen Streich“ über die Bühne gehen. Auch wenn die Schneiderin anmerkt: Es waren doch nur zwei Fliegen und Lügen ist nicht okay.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Das tapfere Schneiderlein“ im Dschungel Wien

Lustig, listig, töpfernde

Die beiden Erstgenannten aus diesem Trio streiten zunächst um den Titel. „Das lustige Schneiderlein meint die eine“, „Das listige Schneiderlein“ die andere. Bis als Dritter im Bunde Anton Widauer den richtigen Titel – unter Verweis auf den Programmzettel – durchsetzt. Und eine der beiden obendrein noch Leseschwäche spielt „das töpfernde…“

Womit wir aber auch hier wieder bei überkommenen Rollen-Bildern landen. Die zwei Frauen machen auf lustig/listig/töpfernd, aber was richtig ist, sagt der Mann ;(

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Das tapfere Schneiderlein“ im Dschungel Wien

Spiel-, Wort- und Bildwitz

Mit viel Spiel- und Wort-Witz, manche dann in der (zu) häufigen Wiederholung ein bissl krampfhaft, spielen sich die vier durch üppige Bühnenbilder und witzige Kostüme vor allem beim Wildschwein (Bühne, Kostüme: Jenny Schleif). Ausgehend von der Schneiderin wird einerseits der Held:innen-Mythos demontiert, es gelingt der Schneiderin aber auch die beiden Ries:innen von der Last ihres Böse-sein-müssens zu befreien. Moral von der Geschichte: Sei du selbst, mach das, wonach dir der Sinn steht und versuch dich nicht in eine von anderen vorgegebene Rolle hineindrängen zu lassen.

Super, wäre da nicht, dass ausgerechnet diese sanfte, versöhnende, ja nicht heldisch sein wollende Rolle mit einer Frau besetzt worden wäre – womit erst recht wieder gängige Rollenklischees bedient werden.

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Das tapfere Schneiderlein (1)

Kleine Oper für einen lustigen Helden nach den Brüdern Grimm (UA 2006, UA der Neufassung 2018)
Wiener Taschenoper

Musik: Wolfgang Mitterer
Libretto: Helga Utz
Inszenierung: Jevgenij Sitochin

Das tapfere Schneiderlein: Jakob Pejcic
Königstochter/Marmeladenverkäuferin: Adèle Clermont
König: Johannes Zeiler
Ratgeber/Einhorn/Riese: Antonine Vernotte
Ratgeber/Wildschwein/Riese: Jubin Amiri

Keyboard/Samples: Michael Tiefenbacher
Kontrabass: Karl Sayer

Bühne: Ralph Zeger
Kostüme: Isis Flatz
Lichtdesign: Jürgen Erntl
Regieassistenz: Lucie Gutfreund
Bühnenassistenz: Ganesh Sergiyenko
Produktionsleitung/Regieassistenz: Annika Veith

Wiener Taschenoper

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Das tapfere Schneiderlein (2)

Schauspiel; ab 6 Jahren; 55 Minuten

Text: Raoul Biltgen
Regie: Mira Stadler

Schauspieler:innen
Schneiderlein: Nele Christoph
Erzähler:innen, Ries:innen, Wildschwein, Einhorn: Annina Hunziker, Alina Schaller, Anton Widauer

Bühne, Kostüme: Jenny Schleif
Licht: Hannes Röbisch

Regie-Assistenz: Pia Harr, Mila Suljić
Ausstattungs-Assistenz: Lea Witeschnik

Wann & wo?

Bis 6. Jänner 2024
Dschungel Wien: 1070, MusuemsQuartier
Telefon: 01 522 07 20-20
dschungelwien -> das-tapfere-schneiderlein