„Civitas Cunt“ thematisiert variantenreich, teils verspielt, Geschlechterungerechtigkeiten, nicht zuletzt im Städtebau.
Ausgehend von Architekturmodellen, in die sie mit einer Handykamera immer wieder reinzoomen, thematisieren Chantal Dubs und Petra Schnakenberg in (schau-)spielerischer Manier viele Benachteiligung von Frauen, nicht nur, aber schwerpunktmäßig eben im Städtebau. Da noch immer ein viel zu großer Teil von Care-Arbeit an Frauen hängen bleibt, sind es auch sie, die in erster Linie bauliche Hürden zu überwinden haben. Da gleichzeitig in der Stadtplanung und im Hausbau wiederum oft Männer die Tonangebenden und Ersteller von Richtlinien sind, wird wenig, zumindest nicht genügend getan, um solche Barrieren erst gar nicht zu errichten. Oder darauf zu achten, dass öffentliche Räume gut ausgeleuchtet und einsehbar sind. Nicht zuletzt kommt die bei praktisch allen öffentlichen Orten – ob Gastronomie oder Veranstaltungshäuser wie Theater, Kinos… – ständig zu beobachtende Klo-Lücke zur Sprache. Lange Warteschlangen auf den Frauen-Toiletten, weil es von denen zu wenige gibt, lassen doch im Gegensatz dazu viele Männer im Stehen an Pissoirs ihr Wasser ab, was weniger Zeit in Anspruch nimmt.
Die beiden tauchen bald nach Beginn als Handwerkerinnen mit Werkzeugkoffer auf. Gegen Ende präsentieren sie auf dem dritten der fahrbaren Tische mit den Stadtteil-Modellen ein viele Aspekte von Planung mit weiblichem Blick berücksichtigendes Viertel – als von Weitem sichtbares Statement in einer Form, die an eine Vulva denken lässt, was sie auch so postulieren. Und ihrem Stück – die beiden haben es auch konzipiert, Schnakenberg die ganzen Modelle gebaut – gaben sie den Titel „Civitas Cunt“ (Stadt plus ein eher vulgäres Wort für Vulva).
Dazwischen liefern sie sich ein Rollenspiel, in dem Chantal Dubs den aufgeklärten, sich feministisch bezeichnenden Firmen-Chef gibt. Kaum tippt jedoch Petra Schnakenberg mit Fragen nach dem konkreten Verhalten – den Mitarbeiter:innen gegenüber oder in seinem privaten Bereich in Sachen Care-Arbeit – an die Fassade, bröckelt diese recht rasch.
Teils mit voraufgenommenen Stimmen aus dem off, die für kleine Figuren zwischen den Häusern oder in diesen sprechen sowie auch mit aufgenommenen Interviews auf der Straße – extra für die Wiener Vorstellungen hat das Duo hier Leute befragt – bespielen die beiden variantenreich sehr viele unterschiedliche Themen bzw. Facetten von Geschlechterungerechtigkeiten.
Das Duo holt zwischendurch immer wieder viel zu wenig bekannte Frauen sozusagen vor den Vorhang, etwa Mary Beatrice Davidson Kenner (1912 – 2006), Erfinderin unzähliger Produkte, von denen die meisten nicht produziert wurden. Ihre bekannteste war ein Menstruationsgürtel, Vorläufer der Monatsbinde. Den Gürtel wollte niemand herstellen, erst als ihr Patent abgelaufen war, wurde er von Unternehmen auf den Markt gebracht.
Nicht zuletzt durchziehen Gedanken von Christine de Pizan (1364 – 1429) die dichte, variantenreich gespielte Performance. Die in Venedig geborene, schon als Kind mit dem Vater nach Paris gezogene spätere Schriftstellerin – sowohl von Romanen als auch von Gedichten – schuf unter anderem „Das Buch von der Stadt der Frauen“, eine Art Frühwerk der Frauenbewegung.
Die drei Figuren daraus – Vernunft, Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit – lassen die beiden Spielerinnen auftreten. Und dieses Trio macht in Pizans Roman der Ich-Erzählerin Mut gegen Frauenhasser aufzutreten. So schreibt sie unter anderem: „Diejenigen, die Frauen aus Missgunst verleumdet haben, sind Kleingeister, die zahlreichen ihnen an Klugheit und Vornehmheit überlegenen Frauen begegnet sind. Sie reagierten darauf mit Schmerz und Unwillen, und so hat ihre große Missgunst sie dazu bewogen, allen Frauen Übles nachzusagen … Da es aber kaum ein bedeutendes Werk eines angesehenen Verfassers gibt, das nicht Nachahmer fände, so gibt es gar manche, die sich aufs Abschreiben verlegen. Sie meinen, das könne gar nicht schiefgehen, da andere bereits in ihren Büchern das gesagt haben, was sie selbst sagen wollen – wie etwa die Frauenverunglimpfung; von dieser Sorte kenne ich eine ganze Menge.“ („Das Buch von der Stadt der Frauen“, S. 51/52; zitiert nach Wikipedia).
Mit der Figur von Girlboss Zaza verweben Dubs und Schnakenberg einerseits Einschränkungen durch Mutterschaft, weil halbe/halbe noch lange nicht stattfindet mit sozialem Gefälle. Denn Zaza entlastet sich durch eine bezahlte Betreuerin für ihre Kinder. Quin Ling, die Zaza im Nagelstudio kennenlernt, übernimmt immer mehr Aufgaben von ihrer Auftraggeberin und somit neuer Chefin. So nebenbei kommt in dieser Passage so manch (Selbst-)Ironisches von Bobo-Frauen zur Sprache und sorgt für so manchen Lacher.
kijuku_heinz
Chantal Dubs und Petra Schnakenberg
Performance ab 14 Jahren; 1½ Stunden
Konzept und Performance: Chantal Dubs, Petra Schnakenberg
Dramaturgie: Margrit Sengebusch
Video: Claudia Popovici
Stimmen
Christine, Erzählerin: Chantal Dubs
Mehrere Männer: Kilian Deissler
Sven: Manuel Herwig
Zaza: Johanna Köster
Mehrere Frauen: Lisa Weiss
Qing Lin: Jing Xiang
Mary B: Genet Zegay
Musik: fisting*sisters / Markus Mezenen, GenderDataGap, Greie Gut Fraktion, Wir bauen eine neue Stadt
Sound: Aske Lyck Pedersen
Licht und Technik: Lilli Unger
Produktionsleitung: Sebastian Spielvogel, Ingrid Adler
Eine Kooperation mit dem Kulturverein Schaumburg Österreich und Schaumburg, Verein für darstellende und bildende Künste (CH)
18. März 2025; 10.30 & 19.30 Uhr
19. März 2025; 10.30 Uhr
Dschungel Wien: 1070, MuseumsQuartier
Telefon: 01 522 07 20-20
dschungelwien -> civitas-cunt
Spielt im Rahmen des von Dschungel Wien, WuK, Burgtheater, NEST (Neue Staatsoper im Künstlerhaus) organisierten
Slup Festivals
Bis 23. März 2025
Zum gesamten Slup-Festivalprogramm geht es hier
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