Theater Arche spielt eine verdichtete Version des seinerzeitigen Eröffnungsstückes, für das es für den Theaterpreis Nestroy nominiert war.
Mit „Anstoß – ein Sportstück“ hatte die neu aus dem „Theaterbrett“ hervorgegangenen „Theater Arche“ vor knapp mehr als zwei Jahren eröffnet. Und wurde ein halbes Jahr später dafür mit der Nominierung für den Theaterpreis Nestroy in der Kategorie Off-Theater nominiert. Womit es überhaupt erst aus dem Kreis der Insider*innen in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gekommen ist.
Sport als Spiegelbild der Gesellschaft war der zentrale Ausgangspunkt für Regisseur und Co-Leiter des Theaterhauses, Jakub Kavin. Nun, mit Beginn der verschobenen Herren-Fußball-Europameisterschaft und vor den ebenfalls aus dem Vorjahr verlegten olympischen Spielen, ist wieder Anpfiff – zu „Anstoß reloaded“.
Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … durfte bei einer der – wenigen, dichten – Proben dabei sein. Sonntagabend: Das „Zwölfer-Team“ beschwört in einer Szene den siegeswilligen Geist: „Wir sind ein Team“. Vielfach wiederholt, sich selbst aufbauend, aber auch in der erschreckend, heftigen Form, die kalten Schauer über den Rücken laufen lässt. Wir sind die einzigen, die anderen sind ein Nichts.
Im Gegensatz zur Erstfassung wird diese dichter, wirklich nur zwei Mal 45 Minuten – Premiere am Tag der Eröffnung der Fußball-EM der Männer (11. Juni), Derniere am Tag vor deren Finale (10. Juli 2021). Wieder geht es extrem sportlich zu – choreografierte, rhythmische Bewegungen des Gesamt-Teams – mit Ausnahme eines Shaolin-Mönchs, der immer wieder philosophisch anmutende Kommentare abgibt und in sich ruhend hinter dem Bühnengeschehen steht.
Eine der herausforderndsten körperlichen Leistungen liefert eine ganz Neue im Team, Anna Zöch. Sie zitiert – vom Fußballfeld gelaufen kommend, auf eine Leiter steigend und dann inszeniert abstürzend und kopfüber hängend aus dem Bericht der Bergsteigerin Gela Ammann, die bei vollem Bewusstsein einen rund 800 Meter langen Absturz auf vereistem Berg. „Naja, ich komm von der Sportakrobatik, das Körperliche ist nicht so anstrengend wie den Text dabei so richtig hinzukriegen“, verrät sie dem Reporter, der beim Training, pardon den Proben zuschauen durfte.
Sieg, ja Triumph, Niederlagen, Leid bis hin zu Depression, Mobbing bis jemand nicht mehr kann und sogar nur mehr im Tod den Ausweg findet, sexualisierte und andere Gewalt, mediales Trommelfeuer, das auch gewalttätig sein kann – all das und noch viel mehr wird in dem Stück verhandelt. Anhand konkreter, teils noch bekannter (Ex-)Sportler*innen werden exemplarisch Themen angespielt. Vergewaltigungen im österreichischen Spitzen-Skisport, die Nicola Werdenigg öffentlich macht. Und Peter Schröcksnadel – jahrzehntelanger mächtiger ÖSV-Boss darauf – nicht – reagierte oder Doping kleinredete. Oder wie Extrem-Doping in er untergegangenen DDR aus Heidi einen Andreas Krieger machte etwa.
Neu unter den bekannten Sportler*innen ist die japanische Marathonläuferin Honami Maeda. Aus ihrem vorjährigen Interview in der Originalsprache zitierend, rennt Manami Okazaki, Co-Leiterin der Theater Arche und Opernsängerin, Runde um Rund durchs Theater, sogar auf die Straße raus und beim anderen Eingang wieder rein, so dass es tatsächlich komplette, anstrengende Runden werden. Optimistisch blickte sie damals auf die fürs Vorjahr geplanten Olympischen Spiele mit Gold als Ziel. Drei Stunden später wurden sie abgesagt.
Neu ist auch der Karateka Alex Buchinger, in dessen Rolle Raphael Stompe schlüpft. Und u.a. die Ungerechtigkeiten und Unstimmigkeiten diverser Corona-einschränkungen thematisiert: „Fußball, mit 22 Spielern plus Schiedsrichter, darf gespielt werden. Auch hier kommt es zu vielen direkten Zweikämpfen. Wieso darf ich dann mit meinen Kollegen nicht trainieren. Wieso darf ich keine Wettkämpfe machen???“
Das Stück sieht Sport aber nicht nur als Spiegelbild der Gesellschaft, sondern zieht auch – eingangs wie bei der Erstversion – Parallelen zum Theater:
So spricht der immer wieder auftretende Chor: „Rache, Verzweiflung, Schicksal, Zufall, List, Tücke, Großmut, Tugend, Gemeinheit, Gewalt – aus diesem Stoff sind die Fußballspiele und die großen Tragödien der Weltliteratur“ – was die Moderatorin mit „Aber es gibt auch Witz und Komik, Pfiffigkeit und Verschlagenheit, kurzum das Spielfeld ist auch Schauplatz für echte Lustspiele. Nur: Wie Shakespeares Hamlet oder Lessings Minna ausgehen wissen wir, wie aber das nächste Derby zwischen Rapid und Austria ausgeht, wissen wir nicht. Der ästhetische wie dramaturgische Vorsprung des Stadions vor dem Burgtheater ist kategorial“ beantwortet.
Und natürlich darf auch DER Fan nicht fehlen, der sich selber für wichtiger hält als das Team, dem er anhängt. Schmankerln wie schräge Aussagen vor allem heimischer Fußballer und Trainer würzen die Partie, pardon das Stück immer wieder mit Humor. „Die meisten Spiele, die 1:0 ausgingen, wurden gewonnen“, beispielsweise.
Kinder-KURIER-Story über das vorige „Anstoß“-Stück
Kinder-KURIER-Story über erste Proben für den alten „Anstoß“
Text und Regie: Jakub Kavin
Nicolaas Buitenhuis: Fußballer „Johann“/TV Moderator
Elisabeth Halikiopoulos: österreichische Nationalteamspielerin/ Chorführerin
Elisabeth Kofler: Nicola Werdenigg
Bernhardt Jammernegg: Peter Schröcksnadel/Fußballan – im Pubikum sitzend
Peter Matthias Lang: Shaolin Mönch
Nagy Vilmos: Trainer
Saskia Norman: Tonya Harding
Manami Okazaki: Honami Maeda und als Olympia
Johannes Scherzer: Robert Enke/Jeff, Tonya Hardings Freund
Raphael Stompe: Alex Buchinger, ein Karateka
Maksymillian Suwiczak: Heidi und dann Andreas Krieger
Anna Zöch: österreichische Nationalteamspielerin und Bergsteigerin Gela Allmann
Regieassistenz: Saskia Norman
Musik: .LiMA
Kostüme: Christian Alfred Kahrer (Kostüm-Werkstatt-Wien)
Grafik und Logo: Johannes Scherzer
11. Juni bis 10. Juli 2021
immer freitags und samstags, 18.30 Uhr
Theater Arche: 1060, Münzwardeingasse 2A
office@theaterarche.at
theaterarche -> Anstoss