„Dantons Tod“ von Georg Büchner in der Burgtheater-„Manege“ mit traurigen Clowns.
Die Revolution – ein Trauerspiel in vorgeblich lustiger Maske. (Traurige) Clowns spielen seit Kurzem im Wiener Burgtheater Georg Büchners „Dantons Tod“ – angereichert um Heiner-Müller-Zitate (Regie Johan Simons). Das Drama des Schriftstellers und Mediziners (1813 bis 1837), der selber wegen revolutionärer Flugblätter aus Deutschland ins französische Straßburg flüchten musste, konzentriert sich auf eine kurze Phase (24. März bis 5. April 1794).
Danton (Nicholas Ofczarek), der an der zum Terror ausgearteten Revolution mit massenhaftem Köpfe-Rollen zweifelt und dies kritisiert, steht auf der Abschussliste seines Gegners Robespierre (Michael Maertens), des „Blut-Messias“. Der sich als der wahre Revolutionär und seinen vormals Verbündeten nun als „Verräter“ sieht. Wobei auch der – das ist nicht mehr Teil von Büchners Drama – dreieinhalb Monate später selbst guillotiniert wird. Eine Ahnung davon spricht Danton jedoch schon an. Der berühmte Sager von „Die Revolution frisst ihre Kinder“.
Apropos „Fressen“- das Volk, in dessen Namen die Revolutionäre einst begonnen hatten, scheint ihnen ziemlich gleichgültig geworden zu sein. Während das Volk dringend nach Brot verlangt, bekommt es stattdessen Hinrichtungs-Spektakel serviert.
Die – auch heute noch – hehren Ziele, die sich in der Losung „Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit“ manifestiert haben, wurden von den Revolutionären zwar heftig, ausführlich, grundsätzlich diskutiert, aber praktisch immer mehr missachtet.
Das Volk vertritt in dem Fall ein Einzelner, ein Regie- und Dramaturgie-Trick, der Anleihe nimmt, dass Büchner als einen aus dem Volk auch einen Souffleur nennt: Aus einem diesfalls relativ groß und glänzend gestalteten Souffleur-Kasten windet sich immer wieder ein – ebenfalls als (Weiß-)Clown geschminkter Schauspieler (Ole Lagerpusch) und konfrontiert die (anderen) handelnden Figuren mit den Nöten jener, in deren Namen die anderen ihre Kämpfe austragen. Gegen Ende lässt er sich aus der Soufflage-Box Teile eines Fahrrades reichen, die nie zu einem ganzen fahrbaren Untersatz werden und damit die Revolution auch nicht weiterbringen.
Alles spielt sich auf der großen Bühne, die eine kalte Atmosphäre aus einem Mix an Arena, Sporthalle und Manege ausstrahlt (Bühne und Video: Nadja Sofie Eller). Einige wenige Klappsessel an der halbrunden hölzern wirkenden Wand im Hintergrund, vorne spielen sich die Debatten, Dialoge, Konfrontationen ab – verbale Schlagabtäusche, durch die clowneske Schminke und Kostüme (Greta Goiris) – verfremdet aber durch das Spiel aller Schauspieler:innen nie auch nur ansatzweise ins Lächerliche gezogen. Wenngleich auch die Parallelen zwischen Politik und Theater, öffentlicher Darstellung wie auf einer Bühne, Masken hinter denen die wahren Gesichter verborgen werden usw. spielerisch und verbal thematisiert werden.
Welche Freiheit, was ist Gleichheit – das fechten die Kontrahenten Danton und Robespierre mit ihren Adjutanten Camille Desmoulins (Felix Rech), Jean-François Lacroix (Johannes Zirner), Pierre Philippeau (Maximilian Pulst) einer und Louis-Antoine-Léon de St. Just de Richebourg (Jan Bülow) andererseits aus – selten übrigens direkt, meist in Abwesenheit des/der anderen. Da das Ende feststeht, ergibt sich die Dynamik – wenngleich es insbesondere zu Beginn der zweiten Stunde (ohne Pause) Längen gibt – aus den Grundsatzdiskussionen. Und gegen Ende krass symbolisch als sich die Bühne zu drehen beginnt und die Dantonisten beim Voranschreiten gegen die Drehrichtung somit praktisch nicht vom Fleck kommen.
Georg Büchner hat für sein Stück, das zu seinen Lebzeiten (er wurde nur 23 ½ Jahre alt) nur zensuriert veröffentlicht wurde, viel Originalmaterial übersetzt verwendet – was die männlichen Haupt-Protagonisten betrifft. Die Frauenfiguren kamen bei ihm nur am Rande vor, teils auch historisch verfälscht; so folgte Julie nicht ihrem Mann Georg Danton freiwillig in den Tod, sondern überlebte ihn um Jahrzehnte. In der Burgtheater-Inszenierung haben Julie Danton (Annamária Láng), Lucile Desmoulins (Marie-Luise Stockinger) und Marion (Andrea Wenzl) zwar teils starke, aber doch nur wenige, kurze Auftritte. „Brüderlichkeit“ bleibt eine solche, wird nicht zu Geschwisterlichkeit ausgeweitet. Obwohl es da sogar historische Anknüpfungspunkte gegeben hätte, wie die feministische Philosophin und Autorin Eva von Redecker in einem Gespräch mit dem Dramaturgen Sebastian Huber für das Programmheft anmerkt: „Im Sommer 1793, also ein halbes Jahr bevor das Stück spielt, wurde in Paris ein aufsehenerregender Streit darüber geführt, ob und wie die Revolution auf die Frauen ausgeweitet werden soll. Das ist die Geschichte des republikanischen Frauenvereins unter der Schauspielerin und Frauenrechtlerin Claire Lacombe…“
Von Georg Büchner mit Text-Zitaten von Heiner Müller
2 Stunden, keine Pause
Regie: Johan Simons
George Danton: Nicholas Ofczarek
Camille Desmoulins: Felix Rech
Jean-François Lacroix: Johannes Zirner
Pierre Philippeau: Maximilian Pulst
Maximilien Robespierre: Michael Maertens
Louis-Antoine-Léon de St. Just de Richebourg: Jan Bülow
Souffleur: Ole Lagerpusch
Julie Danton: Annamária Láng
Lucile Desmoulins: Marie-Luise Stockinger
Marion: Andrea Wenzl
Bühne und Video: Nadja Sofie Eller
Kostüme: Greta Goiris
Musik: Mieko Suzuki
Licht: Friedrich Rom
Dramaturgie: Sebastian Huber
Einspielung: Martin Eberle (Trompete, Horn) und Martin Ptak (Posaune)
Regie-Assistenz: Theresa Jarczyk
Produktionsbetreuung Bühne: Julia Rosenberger
Kostüm-Assistenz: Ida Bekič, Una Güth
Dramaturgie-Assistenz: Markus Edelmann
Regie-Hospitanz: Anton Maria Moser
Kostüm-Hospitanz: Ella Stolzenberg
Dramaturgie-Hospitanz: Luise Marr
Kostüm-Volontariat: Hyunah Shin
Inspizienz: Steffi Hofer
Soufflage: Berngard Knoll
29. Dezember 2023
3., 18., 26. 31. Jänner 2024
3., 9. und 19. Februar 2024
Burgtheater: 1010, Universitätsring 2
Telefon: 01 51 444 4545
burgtheater -> Dantons-tod
Trailer
https://youtu.be/KqfFZ80Fz_I