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Szenenfoto aus "Pixelzimmer"
Szenenfoto aus "Pixelzimmer"
20.06.2023

Wenn der Wahn zur Volltechnisierung zur Falle wird…

In „Pixelzimmer“ spielt die Kompanie Freispiel im Dschungel Wien das Rausschmeißen alter analoger Geräte aus dem Fenster.

Wie ein altes Ehepaar – nicht an Lebens-, aber an Beziehungsjahren – sitzen Simon Schober und Kajetan Uranitsch auf der Couch, lesen Zeitung, schauen Fern. Und das fast durchgängig ohne Worte. Das bleibt auch so die gesamten 70 Minuten. Blicken, Handgriffe, Bewegungen reichen, um die Geschichte(n) zu erzählen.

Vielleicht sind sie auch langjährige WG-Bewohner oder Brüder. Egal. Mal kocht der eine Kaffee und schreibt der andere auf einer elektrischen Schreibmaschine. Immer irgendwie ein bissl patschert. Alles spielt sich – von den Tapeten bis zu den Lampen und nicht zuletzt dem Orange der Schreibmaschine, dem Grün des Tastentelefons in einem Ambiente rund um den Beginn des letzten Drittels des vorigen Jahrhunderts ab.

Alles muss raus

Bis, ja bis die beiden im TV offenbar einen Werbespot sehen und telefonisch ein Paket bestellen. Es wird geliefert. Was da wohl drin ist? Tatatata… – ein Saugroboter. Und damit hat der Staubsauger ausgedient. Mit ihm hatten sie zuvor ohnedies wegen eines zu kurzen Kabels nicht alles erwischt – manch übriggebliebene Brösel kehrten sie unter den Teppich. Fenster auf und raus dem alten Trumm. Schepper, schepper.

Das Fenster mit irgendwie milchigen Gläsern und Wolken dahinter, die an die früheren grafischen Symbole eines sehr weit verbreiteten Computersystems erinnern, das nach dem englischen Wort für Fenster heißt, geht öfter auf und zu. Denn der Reihe nach bestellen die beiden nun munter drauflos. Bald nicht mehr via TV und Telefon, weil eines der nächsten digitalen Geräte ein Laptop ist, weshalb Schreibmaschine, Festnetztelefon und auch die Zeitungen aus dem Fenster fliegen. Bei letzteren deutlich sichtbar auch das Amtsblatt und die Wiener Zeitung, die älteste noch existierende Tageszeitung der Welt. Ihr bereitet diese Bundesregierung übrigens den echten Tod – mit Ende dieses Monats (Juni 2023) ist deren Print- und überhaupt Tageszeitungs-Leben zu Ende.

Der dritte „Freispieler“ als Bild

Mit einem großen allseitigen Getränke- und Fruchtautomaten kommt später auch das Foto des Dritten im Bunde der „Kompanie Freispiel“, Siruan Darbandi, der derzeit als Musiker in Spanien unterwegs ist, ins „Pixelzimmer“, wie dieses ihr Stück – ohne ihn – heißt (Ausstattung: Anouk Friedmann). Die Geräte beginnen sich zu verselbstständigen, ihr Eigenleben zu entwickeln, Gießkanne, Kastl und Getränkeautomat rollen und fahren durchs Zimmer, ebenso wie das Bügeleisen auf seinem -Brett. Leuchtende, summende und andere Geräusche von sich gebende Kunststoffdinger werden zu elektronischen Helferleins. An der Tür montiert reicht ein „Tür auf!“, damit sich diese öffnet. Als beide hinausgehen und den Befehl zum Schließen geben, liegt auf der Hand was folgt: Sie haben sich ausgesperrt.

Opfer der Technik

Sehr sehens- und erlebenswert – wie das ganze Stück, aber dies ein Gustostückerl – ist die folgende Szene, wie es dem Duo gelingt, doch wieder in die Wohnung zu gelangen. Der Teleshopping-Konsumrausch, dem gute alte analoge Geräte wie die obendrein wunderschöne Espressomaschine zum Opfer fallen und die Maschinen, die sozusagen die Herrschaft übernehmen lösen ganz zwangslos so manches „Hoppla, muss ich wirklich so handeln?“ aus.

Als wahre Heldin des Abends müssen unbedingt noch Anna Schmid und Matthias Duffner genannt werden, die hinter und an anderen Ecken und Enden der Bühne für so manche der geheimnisvollen Bewegungen sorgen.

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Pixelzimmer

Kompanie Freispiel
Performance-Installation; ab 7 Jahren; 70 Minuten

Konzept: Kajetan Uranitsch
Performance, Stückentwicklung, Bühnenbild: Simon Schober, Kajetan Uranitsch
Coaching, Organisation: Anna Schmid
Ausstattung: Anouk Friedmann
Kostüm, Video: Evi Jägle
Multimedia-Design: Dominik Strzelec
Sounddesign: Severin Gombocz
Video / objektangepasste Projektion: Jakob Figo
Bühnenbildbau: Simon Cegar
Technische Ausführung: Matthias Duffner
Bewegungs-Coaching: Dennis Tiecken
Produktion: Julia Haas, Mascha Mölkner
Grafik, Homepage: Sara Schober

Wann & wo?

Bis 25. Juni 2023
Dschungel Wien: 1070, MuseumsQuartier
Telefon: 01 522 07 20-20
dschungelwien -> Pixelzimmer