„Akim rennt“ nach dem gleichnamigen Bilderbuch hatte im Dschungel Wien am „langen Tag der Flucht“ Premiere. Ist jetzt – aus leider tragischem gegebenen Anlass – ein Monat lang online als Video zu sehen – als Nachklang zum (digitalen) Lesofantenfest.
Er rennt und rennt und rennt … und trainiert nicht für einen Sprintbewerb oder gar einen Marathon. Akim ist ein kleiner Bub, der in einem Dorf – irgendwo auf der Welt – mit seiner Familie glücklich und zufrieden lebt und mit anderen Kindern vor allem am Fluss gern spielt. Er faltet ein Papierschiffchen – mit einer Freundin oder der Mutter. Lässt dieses über den Himmel schweben, auf dem Wasser tanzen … doch eines Tages verwandeln sich die beiden Papierboote in Flugzeuge – aus der DJ-Musik-anlage dröhnen nun statt Musik Bombengeräusche.
Deswegen rennt Akim. Weiter und immer weiter. Verliert dabei seine Familie, landet zuerst in einem zerbombten Haus mit anderen, die vor dem Krieg flüchten mussten. Und kennt – niemanden. „Akim rennt“ ist ein Theaterstück, das am „Langen Tag der Flucht“ (1. Oktober 2021) im Dschungel Wien Premiere hatte – und noch bis 3. Oktober 2021 dort zu erleben ist.
Tanju Kamer spielt – vor allem – diesen Akim. Seine Kollegin Ayşe Bostancı schlüpft in viele Rollen – von der Mutter bis zum General. Also Soldat mit Kübel auf dem Kopf und Besen als Gewehr sorgt sie auch für eine der auflockernden witzigen Szenen, weil sie und ihr Kollege, in dem Fall auch Soldat, sich zu besoffenen Deppen machen und dabei Prost-Sprüche in verschiedenen Sprachen stammeln. Denn Soldat:innen, Armeen – sie alle bringen Unheil über friedliche Menschen.
Das Stück baut auf dem gleichnamigen, berührenden Bilderbuch von Claude K. Dubois auf. Ärgste Bilder von bomben-zerstörten Häusern und durch die Luft geschleuderten Menschen, hat das Team (Regie: Andreas Simma) weniger drastisch in Szene gesetzt. Adriana Salles (gemeinsam mit Simma als Theatergruppe Tà Pánta Rheî) hat nicht nur Choreografie mit den beiden Schauspieler:innen gemacht, sondern auch viele der Zeichnungen aus dem Bilderbuch animiert – sie sind oft im Hintergrund eingeblendet.
Im Flüchtlingslager verschaffen Erzähler abends vor allem für Kinder ein Stück Geborgenheit. Dabei wechseln die beiden Schauspieler:innen immer wieder auch von Deutsch in ihre zweite Sprache Türkisch. Und noch wo fühlt sich Akim immer wieder „zu Hause“, in der Musik, die er auf seiner Anlage spielt – oft auch nur für sich, weil er Angst hat, seine Musik würden die anderen gar nicht mögen.
Stark bewegt und bewegend spielen die beiden auf der Bühne mit den so passenden Bildern, die die Stimmung, Gefühle, Situation zeigen, die viel zu viele (nicht nur) Kinder auf der Welt erleiden müssen.
Nach dem gleichnamigen Bilderbuch von Claude K. Dubois (Deutsch von Tobias Scheffel, Moritz Verlag)
Ayse Bostanci in Kooperation mit Tà Pánta Rheî
Ab 6 Jahren, eine Stunde
Regie: Andreas Simma
Darsteller:innen: Ayşe Bostancı, Tanju Kamer
Körperarbeit, Choreografie: Adriana Salles
Aufführungsrechte: SACD / Société des Auteurs et Compositeurs Dramatiques, Paris und Moritz Verlag, Frankfurt am Main
Bis 3. Oktober 2021
Dschungel Wien: 1070, MuseumsQuartier
Telefon: 01 522 07 20-20