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Szenenfoto aus "Zeugs" im Dschungel Wien
Szenenfoto aus "Zeugs" im Dschungel Wien
29.05.2021

Wenn (Spiel-)„Zeugs“ aus vorgegebenen Rollen ausbrechen will

In „Zeugs“ (Plaisieranstalt und SteudlTenn) hadern Teddybär, Fee, Spieldosen-Tänzerin und eine Actionfigur damit, das tun zu müssen/sollen, was andere wollen.

25 Jahre nachdem John Lasseter und viele Mitarbeiter*innen von Pixar im ersten komplett computeranimierten Film Spielzeug lebendig werden ließen (Toy Story) und rund 200 Jahre nach E.T.A. Hoffmanns „Nußknacker und Mausekönig“ wird wieder Spielzeug wach. Und wie! In „Zeugs“ (Plaisieranstalt in Koproduktion mit SteudlTenn, Text: Raoul Biltgen, Regie: Paola Aguilera) rocken vier Figuren knapp mehr als eine Stunde.

Vorweggenommen und verraten, die vier Figuren, die anfangs mit Rücken zum Publikum im Halbdunkel stehen, sind echte Menschen – um die Frage einer jungen Zuschauerin am Freitagvormittag zu beantworten und damit vielleicht ein Geheimnis auszuplaudern. Ins Spiel kommen sie erst nach und nach. Zunächst dominiert der Bär im grauen Staubmantel das Geschehen. Hat er seinen Überkopf auf, wirkt er fast geknickt, klappt er ihn zurück, um das Angesicht des Darstellers (Sven Kaschte) ins Rampenlicht zu rücken, wird er zum Helden-Fabulierer. Irgendwie wir man aber das Gefühl nicht los, so ganz wohl fühlt er sich nicht in seiner Rolle – nicht der Schauspieler, sondern die Figur des Teddybären.

Das gilt auch für die später ins Geschehen involvierten Figuren. Philomena Philodendron (Patrick Weber) – schon optisch ein Mix aus Action-Figur und Puppe – ist sie auf der Suche nach ihrer Singstimmen und fühlt sich in ihrem Körper alles andere als wohl. Der dauerquasselnde Teddy, dem ein Wortspiel nach dem anderen aus Eigenschaften, die mit „b“ beginnen und eben Bär einfallen – was immer wieder für Heiterkeit sorgt -, der immer auch helfen will, weiß letztlich keinen Rat, wie „Phil“ zur Gesangsstimme kommt.

Tatatata … da taucht aus einer der größeren würfelförmigen Textil-Kisten Hildegard, die Wünsch-dir-was-Fee (Sophie Berger) auf. Hoffnung keimt auf. Doch, „bling, bling…“ Irgendwie strahlt die Gute trotz aller Sprüche, Glitzer und magischer Tänze aus, eigentlich will sie so gar nicht. Dieses „ich will nicht machen müssen, was alle von mir wollen“ verstärkt sich krass, wenn das nunmehrige Trio auf die vierte – bis dahin (abgesehen von der starren Ausgangsposition beim Einlass des Publikums in den Saal) versteckte Spieldosen-Ballerina (Steffi Jöris) trifft.

Die Tänzerin in rosa Tüll spricht erst gar nicht. Strahlt aber sofort aus, dass sie’s könnte, aber einfach keine Lust dazu hat. Später als sie ihr Schweigen bricht gibt sie die Erklärung: Weil ihr alle immer nur vermittelt haben, sie sage eh nur Falsches hat sie sich das Reden abgewöhnt. Dabei bringt sie am drastischsten zur Sprache, was auch ihre drei Kolleg*innen stört: Immer das tun müssen, was andere wollen. Und ansonsten überhaupt unbeachtet, weggeschoben, herumstehen oder -liegen.

Wir wollen selber bestimmen, ob wir singen, tanzen, zaubern oder kuscheln wollen – oder eben nicht. Und nicht als Anklage an spielende Kinder, denen das „Zeugs“ gehört, sondern als animierendes Beispiel: Selber überlegen und spüren – ist es das, was ich wirklich selber will!

Ein obendrein amüsantes Stück (Sonderlob für die teils schräge Ausstattung: Nora Pierer, Anna Allkämper), das den vielen Kindern im Publikum sichtlich und hörbar Spaß gemacht hat. Wobei der Schluss, dass sich die vier selber in die Boxen einräumen vielleicht der guten Stunde ein bisschen zuwider läuft.

Follow@kiJuKUheinz

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Zeugs

Plaisiranstalt – Koproduktion mit Theaterfestival Steudltenn
Schauspiel, eine Stunde; ab 6 Jahren

Text: Raoul Biltgen
Regie: Paola Aguilera
Hildegard, die Wünsch-dir-was-Fee: Sophie Berger
Namenlose Spieldosen-Ballerina: Steffi Jöris
Bobby, der Teddybär: Sven Kaschte
Philomena Philodendron: Patrick Weber bzw. bei den Tiroler Aufführungen: Stefan Wunder

Ausstattung: Nora Pierer, Anna Allkämper
Regieassistenz: Natalja Kreil
Hospitanz: Hannah Linhard

Dramaturgie: Guido Mentol
Produktionsleitung: Barbara Schubert

Wann & wo?

Bis 1. Juni 2021
Dschungel Wien: 1070, MuseumsQuartier
Telefon: 01 522 07 20-20
dschungelwien -> Zeugs

7. bis 12. Juni 2021
SteudlTenn: 6271 Uderns/Zillertal, Kirchweg 22

Telefon: 0 650 27 27 054
office@steudltenn.com
plaisiranstalt.at