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Szenenfoto aus "Schachnovelle" vom Landestheater St. Pölten (NÖ)
Szenenfoto aus "Schachnovelle" vom Landestheater St. Pölten (NÖ)
15.11.2022

Wie Schachpartien das geistige Überleben sicherten

„Schachnovelle“ von Stefan Zweig tourt als Solostück durch niederösterreichische Klassenzimmer. Aufführungen auch in der Theaterwerkstatt des Landestheaters in St. Pölten.

Schach boomt – zumindest in Filmen und Serien. War es vor zwei Jahren auf Netflix „Das Damengambit (The Queen’s Gambit), so im Vorjahr der Kinofilm „Schachnovelle“ nach dem gleichnamigen Buch des aus Österreich in der Zeit des Austrofaschismus geflüchteten Schriftstellers Stefan Zweig. Und erst vor knapp mehr als einem Monat fand der Betrugsvorwurf des amtierenden Schach-Weltmeisters Magnus Carlsen gegen den Noch-Teenager Hans Niemann, der ihn besiegte, seinen Niederschlag in fast allen Medien.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Schachnovelle“ vom Landestheater St. Pölten (NÖ)

Nun kann eine 50-minütige Inszenierung der „Schachnovelle“ in (niederösterreichischen) Klassenzimmern spielen. In der Theaterwerkstatt des Landestheaters – auf der Rückseite des großen Hauses auf dem St. Pöltner Rathausplatz – war die Premiere zu erleben. In der Regie von Mechthild Harnischmacher spielt Julian Tzschentke – auf Stefan Zweig gestylt – den Dr. B. an Bord eines Passagierschiffes auf der Fahrt von New York nach Buenos Aires. Der musste vor den Nazis flüchten, wandert über Deck, kommt in den Salon, wo er auf eine um einen Tisch stehende Runde trifft. Am Tisch zwei Schachspieler. 

Dr. B. kann sich nicht zurückhalten und warnt den einen Spieler jene Figur zu ziehen, die er gerade angreifen will. Er müsse hingegen … – dann könne er nach sieben Zügen noch ein Remis (Unentschieden) erreichen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Schachnovelle“ vom Landestheater St. Pölten (NÖ)

Erst später kommt der Protagonist drauf, der Gegner heißt Mirko Czentovic und ist amtierender Weltmeister im königlichen Spiel mit den 32 Figuren auf 64 Feldern. Ebenfalls eine vom Autor erfundene Figur. Dr. B., der nun eine Partie gegen Czentovic selber spielen soll, hatte sein Wissen – und darum dreht sich ein Großteil der Novelle und des Stücks in Wahrheit – aus einem Buch mit 150 berühmten echten Schachpartien gewonnen, vielen davon zwischen dem zweimaligen Weltmeister Alexander Aljechin (1927 bis 1935 sowie 1937 bis 1946) und Efim Bogoljubov. Aus einer dieser Partien hatte er den Zug mit dem er in die oben genannte Partie eingriff.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Schachnovelle“ vom Landestheater St. Pölten (NÖ)

Das Buch, erst eine Enttäuschung, weil er mit anderer Lektüre gerechnet hatte, war letztlich B.s geistige Rettung. Von den Nazis im Wiener Hauptquartier der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) im Hotel Metropol am Morzinplatz in Isolationshaft eingesperrt, drohte er zum Nichtstun und Warten auf Verhöre verdammt, wahnsinnig zu werden. Eines Tages konnte er – auf dem Weg zu einem der Verhöre – aus der auf einem haken hängenden Manteltasche eines der Gestapo-Männer ein Buch klauen. Genau dieses. Er studierte die Schachpartien, lernte sie auswendig, spielte sie im Geist nach. Immer und immer wieder. Das rettete ihn.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Schachnovelle“ vom Landestheater St. Pölten (NÖ)

In der Inszenierung des St. Pöltner Landestheaters agiert Julian Tzschentke allein mit seinem Schauspiel an, rund um und immer wieder auch fernab des (fast) leeren kleinen quadratischen Tisches. Eine große weiße Salz- sowie eine noch riesigere schwarze Pfeffermühle sind seine Requisiten. Die gedrechselt wirkenden Gewürzspender könnten auch Schachfiguren sein – Läufer vielleicht. Oder Dame. Zumindest legt das ihre Figur nahe – und natürlich von vornherein der Titel des Stücks, in dem der Protagonist sich einerseits seinerzeit in der Isolationshaft gerettet hat – nun aber – in Freiheit – in die vormalige traumatische Situation wieder versinkt, Intensive 50 Minuten.

Einziger Wermutstropfen: In der Theaterwerkstatt bei dieser Art der Bestuhlung sehen viele im Publikum nicht alles – vor allem wenn der Schauspieler niedergeschlagen auf dem Boden sitzt. Aber das wird in den Klassenzimmern kein Problem sein. 

Follow@kiJuKUheinz

PS: Neben „Schachnovelle“ touren noch „Name: Sophie Scholl“ und „Gandhi – der schmale Grat“ als Klassenzimmerstücke durch (niederösterreichische) Schulen. Zu einer Besprechung des zuletzt genannten Stücks (damals noch im Kinder-KURIER) geht es hier.

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Schachnovelle

von Stefan Zweig
Klassenzimmertheater; 50 Minuten

Inszenierung: Mechthild Harnischmacher
Es spielt: Julian Tzschentke
Dramaturgie: Thorben Meißner
Regieassistenz/ Theaterpädagogische Assistenz: Serina Alexandra Wieser

Ab 14 Jahren; 50 Minuten (eine Schulstunde)

Wann & wo?

Von Schulen als Klassenzimmerstück zu bestellen sowie
– noch niht im Spielplan aufscheinende – öffentliche Vorstellungen in der
Theaterwerkstatt: 3100, St. Pölten, Roßmarkt 22
Telefon: 02742 90 80 60-0
office@landestheater.at

Anfreagen für Schulen:
Telefon: 02742 9080 60 694
julia.perschon@landestheater.net

NÖ-landestheater -> schachnovelle

Als Klassenzimmertheater – 50 Minuten Stück plus eine Folge-Schulstunde theaterpädagogische Nachbereitung – gilt auch für die beiden oben genannten Stücke

NÖ-landestheater -> name-sophie-scholl

NÖ-landestheater -> gandhi-der-schmale-grat

Julia Perschon (Leitung Theatervermittlung)
Telefon: 02742 90 80 60 694
julia.perschon@landestheater.net