„Das kleine Gespenst“ nach Otfried Preußlers Klassiker im St. Pöltner Landestheater NÖ.
Auch wenn er aus der auf gruselig gestalteten und beleuchteten, metallen wirkenden Truhe entsteigt, die Kinder Jutta und Günther erst erschreckt, so sorgt „Das kleine Gespenst“ schon bei seinem ersten Auftritt für Sympathie und Neugier auf seine Geschichte. Gelenkig wie eine Katze schwingt sich Bagher Ahmadi in dem weißen, kuschelig-plüschig wirkenden Ganzkörperkostüm über die Treppe aufs Burgdach und darf hin und wieder ansatzweise seine Fähigkeiten aus seiner Stunt-Ausbildung andeuten. Und seine Vielsprachigkeit kann er in der ersten Begegnung mit den Kindern einbauen. Der Schlüsselbund aus dem Originalbuch sperrt hier nicht nur alle Türen auf, sondern auch jene Türen in unterschiedliche Kulturen, zu Sprachen.
Gespenstergeschichten müssen nicht gruselig sein. Eine solche, noch dazu mit so manchem Witz, ist jene Version von Otfried Preußlers „Das kleine Gespenst“, die am Wochenende im St. Pöltner Landestheater Premiere hatte. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … konnte wegen Terminkollisionen nicht dabei sein, durfte aber wenige Tage davor eine Durchlaufprobe besuchen. Das Stück war schon vor fast einem Jahr fertig, doch dann … wir wissen Lockdown Nummer 2 ½ . Also mussten doch ein paar Proben wieder eingelegt werden.
Die Grundgeschichte ist dieselbe wie sie der bekannte Autor vor nunmehr fast 60 Jahren geschrieben hat: Das kleine Burggespenst, das vor 300 und x-Jahren einen schwedischen General mit seiner Armee dazu brachte, sich erschreckt von der Belagerung Eulensteins zurückzuziehen, will endlich einmal am helllichten Tag und nicht nur zwischen Mitternacht und 1 Uhr munter werden. Was ihm gelingt, und zu Verwirrung, Chaos und Schrecken in der Stadt führt.
Anders als beim Autor bleibt das Gespenst auch bei seinen Tagesausflügen weiß, nur leuchtet es jetzt nicht mehr. „Dass es da schwarz wird, geht gar nicht!“, sagte Regisseurin Aslı Kışlal zum Reporter. Versetzt doch bei Preußler der „Schwarze Unbekannte“ die Menschen in Angst und Schrecken. Das würde sofort an ein altes rassistisches Spiel erinnern. Außerdem würde es damit in das klassische Schwarz-Weiß-Denken verfallen.
Neu ist die Rahmenhandlung mit der Schulklasse, die der Burg einen Besuch abstattet. Mit ihr kommen Jutta und Günther, im Original Zwillingsgeschwister und Kinder der Apotheker, die dem Gespenst helfen. Und sie spielen in dieser Bühnenfassung eine größere Rolle als bei Otfried Preußler, werden neben dem Gespenst die Hauptfiguren.
Jutta (Laura Laufenberg) glänzt als 8-Jährige mit selbstbewussten Sagern, auch wenn sie einen sich dann doch nicht ganz traut und meint, das hätte sie gern gesagt, aber: „Außerdem bin ich anti-autoritär und feministisch erzogen und habe noch nie Befehle von älteren Männern angenommen. (Zum Publikum gewandt): Hätte gerne so geantwortet, aber was kam aus mir raus? „Ja, natürlich, Herr Bürgermeister.“
Aus dem Zwillingsbruder im Buch wurde hier ein Klassenkollege und bester Freund, gespielt von Eike N. A. Onyambu – derzeit switchend zwischen diesem Kinderstück und einer Mega-Produktion im Wiener Theater Arche, „Odyssee 2021“, kann seine musikalischen Talente einsetzen, indem er in einigen Szenen Musical-Songs einbaut.
Boris Popović schlüpft in die Rollen von Uhu Schuhu, dem schlauen Vogel, der weiß, wie das Gespenst dazu käme, tags wach zu werden, es allerdings bedauert, weil er dann den einzigen Freund nicht mehr treffen könnte. Außerdem gibt er den schwyzerdütsch redenden Uhrmachermeister sowie Kriminaloberwachtmeister Holzinger mit Sprachfehler, bei dem er den Großteil der Silben und oft ganze Wörter verschluckt oder auslässt.
Noch viel öfter ihre Kostüme wechseln muss Annette Holzmann als Lehrerin Thalmeyer, Pfalzgräfin Genoveva Elisabeth Barbara sowie Juttas Mutter und Fräulein Kniesebein, die Sekretärin des Bürgermeisters, die leider ein wenig sehr dümmlich angelegt ist. Als Mutter verkörpert sie recht glaubhaft die in der Realität doch recht häufig vorkommende Ambivalenz: Einerseits erzieht sie die Tochter zu Widerspruch, Selbstbewusstsein und dergleichen mehr. Andererseits erschüttert sie das Vertrauen Juttas, indem sie ihr nicht glaubt, als diese bei der Wahrheit bleibt, das Gespenst gesehen zu haben. Und Hausarrest aufbrummt.
Schließlich ist Sven Kaschte im Landestheater offenbar DER Bürgermeister. Spielte er einen solchen schon in Mira Lobes dramatisiertem Bilderbuchklassiker „Das Städtchen Drumherum“, so nun auch hier in Eulenstein. Daneben schlüpft er als schwedischer General Torsten Torstenson in ein Gemälde, das lebendig wird – wie jenes der Gräfin Genoveva usw. Und als Spiel im Spiel im Spiel verkleidet er sich dann noch als Bürgermeister beim Festumzug in den General 😉
von Otfried Preußler in einer Fassung von Aslı Kışlal
Ab 6 Jahren; ca. 1 ½ Stunden (keine Pause)
Inszenierung: Aslı Kışlal
Cast
Das kleine Gespenst: Bagher Ahmadi
Jutta: Laura Laufenberg
Günther: Eike N. A. Onyambu
Bürgermeister/ Torsten Torstenson: Sven Kaschte
Lehrerin Thalmeyer/ Fräulein Kniesebein/ Pfalzgräfin Genoveva Elisabeth Barbara/ Juttas Mutter: Annette Holzmann
Uhu Schuhu/ Uhrmachermeister Zifferle/ Kriminaloberwachtmeister Holzinger: Boris Popović
Crew
Bühne: Johannes Weckl
Kostüme: Anna Sörensen, Anna Hostek
Musik: Uwe Felchle
Video: Ece Anisoğlu
Dramaturgie: Julia Engelmayer
Regieassistenz: Lisa Stelley
Soufflage: Doris Strasser
Inspizienz: Paul Goga
Aufführungsrechte Verlag für Kindertheater Weitendorf GmbH
Bis 29. April 2022
Landestheater Niederösterreich: 3100 St. Pölten, Rathausplatz 19
Telefon: 0 2742 90 80 80 600
karten@landestheater.net