„Münchhausen“ – ein sehr humorvoller, teils bitterböser Soloabend in der Roten Bar des Wiener Volkstheaters.
Mit doch schlechtem Gewissen – liegen zwischen Wien und Kiew doch nur knapp 1000 Kilometer, zur ukrainischen Grenze ist die distanz sogar geringer als bis nach Bregenz – lässt du dich auf diesen recht witzigen Theaterabend in der Roten Bar des Wiener Volkstheaters ein. „Münchhausen“. Na, und da kannst du sozusagen dein Gewissen wieder ein wenig besänftigen, denkst daran, dass auch der Kreml-Chef wie (fast) alle Kriegsherren ein Lügenbaron ist. Die Wahrheit ist ja das erste Opfer von Kriegen – einem geflügelten Wort zufolge, das wechselweise dem altgriechischen Dichter Aischylos, dann wieder Rudyard Kipling (Dschungelbuch) oder dem britischen Premierminister Winston Churchill (erste Amtszeit während der Nazi-Herrschaft über halb Kontinentaleuropa) zugesprochen wird.
Also, dies im Hinterkopf, kannst du dich dann doch auf den sehr witzigen Abend mit so manch bitterböser Wahrheit einlassen. Ein Solo, grandios gespielt von Claudio Gatzke, seit eineinhalb Jahren Ensemblemitglied des Theaters am Arthur-Schnitzler-Platz. Mit Verwirrungen wie vorgeblichen Pannen zu Beginn, die aber klitzekleine Blicke auf goldglänzendes hinter dem roten Samtvorhang eröffnen, der dann mehr als eine Stunde geschlossen bleibt. Der Schauspieler bewegt sich zwischen den Tischen der Zuschauer:innen, spricht die eine, den anderen hin und wieder direkt an – keine Sorge, er wartet ohnehin nicht auf eine Antwort.
Er ist Rampensau, selbstverliebt, dann wieder Opfer, weil sein Kollege noch immer nicht da ist – obwohl alle, die auch nur einen Blick auf den Programmzettel (ob digital oder papiern) geworfen haben, wissen, dass er ja ein Solo spielt. Und so spontan und fast Stegreifartig sein Monolog wirkt – er ist geschrieben – von Armin Petras, der selbst nennt „nach Nietzsche, Genet und Peschel“.
Während der Schauspieler also fast die ganze Zeit die Lüge vom Warten auf seinen Kollegen immer wieder anspricht, bringt er anhand der Verhinderung des anderen Darstellers die soziale Lage vieler Künstler:innen zur Sprache. Der Kollege muss in einem Möbelhaus arbeiten, um Geld zu verdienen. Ansonsten pendelt er – alles immer recht witzig – mit sehr viel Publikums-Lachen als automatische Reaktion – zwischen sich genial, ja fast als der Größte zu fühlen und dann wieder fast am Boden zerstört zu sein. Mit Persiflagen auf und – mit sich selber – diskutieren von Regie-Konzepte/n und Aufdecken diverser Strukturen und Eitelkeiten in Theaterhäusern.
Sowie einem überraschenden Blick hinter den roten Vorhang – aber da sei echt nichts verraten. Darum auch nur die relativ nichtssagenden zwei Fotos, die das Volkstheater zu dieser Produktion herausrückt.
von Armin Petras nach Nietzsche/Genet/Peschel
mit Claudio Gatzke
Mitarbeit: Johanna Mitulla
9. April 2022
Volkstheater, Rote Bar
1070, Arthur-Schnitzler-Platz 1
Telefon: 01 52 111-0