Gastspiel der nordspanischen Gruppe Cal y Canto Teatro beim 34. „Luaga & Losna“-Festival in Vorarlberg.
Für einen Hund hätte sie Luxusgröße. Doch die aus unterschiedlichen Wellblechteilen zusammengeflickte „Hütte“ vermittelt schon von Weitem eher den Eindruck eines Armenhauses – Behausungen für an den Rand vor allem großer Städte im globalen Süden. In „Perro perdido“ (der verlorene oder verlassene Hund) mit dem die spanische Gruppe Cal y Canto Teatro beim Festival „Luaga & Losna“ im Vorarlberger Feldkirch in dieser großen „Hütte“ gastiert (noch am Freitag zwei Mal zu sehen – siehe Info-Block) geht es zentral um einen von einer schicken Lady in einem Karton ausgesetzten strubbeligen Hund. Der fortan auf der Straße sein Leben fristen muss. Und sich doch recht bald mit den neuen Verhältnissen zurechtfindet.
Spannend einerseits und stark berührend andererseits – ohne je auch nur pathetisch zu werden oder auf die sprichwörtliche Tränendrüse zu drücken, spielen Marcos Castro, Sofía Gómez und Ana Ortega die Geschichte mit einem Stoffhund und einigen Requisiten. Sie spielen auf einer kleinen, schmalen Bühne in dieser Hütte, in die sie das Publikum nach und nach tänzerisch animierend einladen auf schmalen Bänken einer kleinen Tribüne Platz zu nehmen.
Den schwarzen Vorhang ziehen sie meist nur ganz wenig hoch, so dass zwar der Hund immer ganz, die Menschen, denen er begegnet jedoch meist höchstens bis zum Knie zu sehen sind. Womit das Publikum von Vornherein die Perspektive des „lost dogs“ oder durchaus auch von Kindern einnimmt. Und irgendwie erinnert die Szenerie auch eine Art Cinemascope – eines Kinofilms auf (TV-)Monitor mit oben und unten einem schwarzen Streifen.
Zwischen Wühlen im Müll, rasenden Autos, aber auch tanzenden, sich verkaufenden, aber auch anderen, demonstrierenden Menschen, die das System deftig verdammen – (fast) immer sehen wir nur die Beine der anderen – lediglich von zwei der Mitwirkenden dargestellt – einer muss ja den Hund da durch führen 😉
„Nur“ der Obdachlose mit dem sich der namenlose Perro perdido anfreundet, kommt auf die Augenhöhe des Vierbeiners herunter, wenn er sein Schlaf-Lager auf einer auf dem Boden liegenden Matratze aufsucht.
Womit sich auch der Kreis von der Wellblechhütte (Bühnenbild und Objekte: Marcos Castro, Néstor Alonso, Alberto González) als Behausung armer Menschen zum Schicksal „armer Hunde“ die auch Menschen sein können, schließt. Die runde Stunde, die das Stück dauert nehmen die Schau- und Figurenspieler:innen aber nie eine Mitleids-Haltung von oben herab ein. Wie sie das Schicksal des Hundes, aber auch des Obdachlosen darstellen ist eine auf Augenhöhe, des Respekts und auch der (Hoch-)Achtung, wie beide sich in ihrer Lage durchkämpfen. Das Stück der Gruppe aus Burgos (Nordspanien), die vom Straßentheater kommt, belässt den „armen Hunden“ jedenfalls ihre Würde.
Der Atem stockt den meisten gegen Ende, wenn ein Auto heranrast – einfach zwei Scheinwerfer in Händen gehalten – und den Hund erwischt. Das Schlussbild, in dem erstmals der Vorhang ganz nach oben geht und eine Frau von hinten zu sehen ist, die den Hund auf Händen trägt und mit ihm ins Tageslicht des offenen Fensters schaut, lässt bewusst offen: Hat er nun sein behagliches Zuhause auf der Erde oder metaphorisch im Himmel gefunden.
Compliance-Hinweis: KiJuKU wurde von Luaga & Losna zur Berichterstattung nach Feldkirch und Nenzing eingeladen.
Cal y Canto Teatro/ Spanien
Ab 6 Jahren
Konzept: Ana Ortega und Marcos Castro
Regie: Ana Ortega
Spiel: Marcos Castro, Sofía Gómez, Ana Ortega
Bühnenbild und Objekte: Marcos Castro, Néstor Alonso, Alberto González
Kostüme: Cal y Canto Teatro
Musikcollage: Marcos Castro
Freitag, 9. September 2022
15 und 17 Uhr
6800, Feldkirch; Reichenfeld, Parkplatz hinter der Musikschule
karten@luagalosna.at