Kinder Jugend Kultur und mehr - Logo
Kinder Jugend Kultur Und mehr...
Arbeit an letzten künstlerischen Werken für die nachmittägliche Präsentation
Arbeit an letzten künstlerischen Werken für die nachmittägliche Präsentation
23.06.2024

„Alle Regeln müssen allen gefallen“

Die Wiener Festwochen hatten auch eine „Kinderrepublik“ – in der Kinder im „Haus der Repbulik“, dem Volkskundemuseum, an eigenen Regeln künstlerisch arbeiteten.

Die Wiener Festwochen gehen zu Ende. „Freie Republik Wien“ nennen sie sich unter der jetzigen, neuen, Leitung im Untertitel. „Kinderrepublik“ heißt/hieß dementsprechend die Veranstaltungsreihe mit Workshops für Schulklassen unter der Woche bzw. an Samstagen offen für private Teilnehmer:innen – alles im „Haus der Republik“, dem Volkskundemuseum in der Laudongasse. Am 22. Juni 2024 stand der letzte auf dem Programm – mit Abschluss-Präsentationen am Nachmittag.

In den fünf Wochen hatten Kinder an Manifesten mit eigenen Forderungen gearbeitet. Viele einzelne Wünsche hatten sie künstlerisch umgesetzt – in Form von selbst gemalten Tafeln, gebastelten Objekten, kleinen und riesigen Bildern. Aber auch in längeren Texten. Aus (fast) allem wurde eine 24-seitige, großformatige, kunterbunte Zeitung. Außerdem gestalteten sie – alles immer animiert von Künstler:innen – Radiobeiträge.

Lokalaugenschein

Am letzten Vormittag durfte Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… einen Lokalaugenschein durchführen. Dora, die „oft hier bei Workshops war“ und Alice, „die heute das erste Mal da“ ist halfen zunächst mit, die im Hof vor einer alten Platane stehende hölzerne Bühne von Regenwasser zu befreien. Bei der Präsentation sollte ja niemand ausrutschen. Danach gestalteten die beiden noch weitere kleine Kunstwerke – vor allem mit bunten Klebestreifen – erstere ein abstraktes, zweitere klebte die Streifen zum Buchstaben und diese zum Wort Mobbing, das sie mit weiteren Streifen durchstrich. Dieses Thema dürfte zuvor schon anderen Workshop-Teilnehmer:innen wichtig gewesen sein, denn unterschiedlich gestaltet finden sich solche mehrfach.

Später setzen sie sich an eine Schreibmaschine und tippen. Wobei auf die KiJuKU-Frage sie „schon lieber mit einem Computer schreiben würden, weil man da Sachen leicht ausbessern kann“. Hier fliegen so manche der bunten Blätter nach wenigen Zeilen aus der Maschine und landen zerknüllt rundum.

Kinder begutachten eines der ersten gedruckten Zeitungsexemplare
Kinder begutachten eines der ersten gedruckten Zeitungsexemplare

Manifeste mit eigenen Regeln

Teil der Vorbereitungen für die Präsentation war übrigens auch eine Schreddermaschine. Kinder hatten in den fünf Wochen Workshops nicht nur festgehalten, was sie fordern und wünschen, sondern auch so manches, das sie nicht mögen – siehe Mobbing.

Was sie schon wollen reicht von Gleichberechtigung und -behandlung über „alle Regeln müssen allen gefallen“, aber auch „keine Regeln“, bis zu Haustieren für alle. Was sich vielleicht mit einer anderen Forderung nach Tierschutz spießen könnte. 9 Uhr Schulbeginn oder „keine Noten“ – andererseits aber „Noten für Lehrer:innen“, „mehr Sicherheit auf Social Media“. Mehrfach unter den Kunstwerken zu sehen „Kein Krieg“, „No war“ bzw. umgekehrt positiv formuliert „Frieden“, jedenfalls auch öfter zu sehen: „Kein Rassismus“, eine Stunde später Schule, keine Hausaufgaben…

Story

Die Künstler:innen hatten sich für die fünf Wochen eine kleine Geschichte ausgedacht, die auf der Homepage so lautet: „Sensationsfund! Auf dem Dachboden im Haus der Republik sind mysteriöse Artefakte aufgetaucht, die die Existenz einer längst vergangenen Kinderrepublik vermuten lassen. Gab es hier tatsächlich eine Gesellschaft, die nur von Kindern gestaltet wurde? In den Workshops stellen Künstler:innen (Moritz Matschke, Anna Pech, Johannes Brodnig, Lisa Eder, Sophie Netzer und Kerstin Reyer, Julien Segarra, Georg Pöchhacker) gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen spielerische Überlegungen an, wie diese Republik ausgesehen haben könnte und gestalten Stadtpläne, Zeitungen, Kostüme, Radio- und Videobeiträge oder eine eigene Währung. Die Workshops erforschen so die Möglichkeiten temporärer, von Kindern und Jugendlichen organisierten Gesellschaftsformen und fragen danach, wie wir junge Menschen in Zukunft stärker in demokratische Prozesse involvieren können.“

Echte Kinderstädte

Übrigens, es gibt – seit gut 20 Jahren – in Wien jedes Jahr zumindest eine Woche eine Stadt, in der Kinder (6 bis 13 Jahre) tatsächlich das Sagen haben. Bei „Rein ins Rathaus“ (heuer 19. bis 23. August 2024) wählen die Büger:innen täglich ihre Stadtregierung, beschließen eigene Gesetze, produzieren Tageszeitung, Radio, TV und haben eine eigene Währung. Solche Kinderstädte gibt es übrigens – meist im 2-Jahres-Rhythmus in Österreich in Salzburg, Feldkirch (Vorarlberg) sowie Graz, Kapfenberg und Spielberg (alle drei in der Steiermark). „Mutter“ dieser Kinderstädte ist Mini-München, das erstmals in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts in den ehemaligen Olympiahallen (1972 Sommerspiele) stattfand, weltweit fanden/finden Kinder-Spielstädte von Kairo (Ägypten) bis zu etlichen japanischen Städten statt. Und es gab/gibt wirklich von mit Kindern/Jugendlichen teils sogar Jahrzehnte lang regierte Städte – Gaudiopolis (Ungarn, 1945 bis 1951), Benposta (Spanien, Kolumbien) oder auch in dem von Janusz Korczak geleiteten Waisenhaus im Ghetto von Warschau.

Wäre vielleicht nicht schlecht gewesen „Artefakte“ aus der Geschichte dieser echten Kinderstädte mitaufzunehmen 😉

Follow@KiJuKUheinz