Zum zehnten Mal erarbeiten Mädchen mit „Theaterflucht“ eine Woche lang Szenen – und zeigen sie in einer Abschlussperformance – diesmal im Sonnwendviertel in Wien-Favoriten. Lokalaugenschein an einem Proben-Nachmittag.
Nach klassischen theaterpädagogischen Aufwärm-Übungen – wie Klatschen im Kreis weitergeben, zum eigenen Namen eine Bewegung erfinden, die alle reihum dann nachmachen usw. – versuchen sich die Teilnehmerinnen der diesjährigen Workshop-Woche mit „Theaterflucht“ fallen zu lassen. Erst in unterschiedlichsten Versionen jede für sich alleine. Dann – vertrauend auf stützende Arme und Hände anderer. „Fliegen!“, ruft vor allem immer wieder Maria.
Und genau das steht als nächstes auf dem Programm. Die Genannte, aber auch so manch andere der Teilnehmerinnen lassen sich von den anderen hoch heben in Richtung Decke des Raums im „Gleis 21“, dem Projekthaus im Sonnwendviertel neben dem Hauptbahnhof. Nicht alle. Manchen scheint das doch (noch) zu mulmig.
Eine Woche lang arbeiten die Mädchen gemeinsam mit Magdalene und Susi an Bewegungen, Tänzen, Szenen. Wenngleich jedes Jahr ein Thema vorgegeben ist, so sind die Teilnehmerinnen gemeinsam und einzeln Frau ihrer Auftritte. Ob ohne oder mit Sprache(n) – auch das bleibt vor allem ihnen überlassen. Und wenn mit Worten, dann oft – wie in den vergangenen neun Jahren – in mehreren Sprachen. An solchen haben heuer Aiym, Ana, Anastasia, Anita, Elena, Farhiya, Iara, Lea, Lilli, Marharyta, Maria, Mylana und Salua (in alphabetischer Reihenfolge) Arabisch, Deutsch, Kasachisch, Russisch, Portugiesisch, Somali, Spanisch und Ukrainisch mitgebracht und dazu noch betreuerinnen-seits Luxemburgisch sowie dazu natürlich noch das von vielen erlernte Englisch.
Manche der Teilnehmerinnen sind sozusagen schon Stammgästinnen. Salua, schon zum sechsen Mal dabei, erzählt Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … als erste, was sie Jahr für Jahr in den Sommerferien in diese Workshop-Woche treibt: „Gemeinsam Spiele spielen, kreativ sein können“, sind ihre ersten Stichworte, die sie nennt „und, dass wir uns gemeinsam Szenen, Bewegungen ausdenken, ausprobieren und üben können“. In einem der Vorjahre „haben alle bis auf eine Teilnehmerin Puppen gespielt. Ein Mädchen hat diese Puppen aufgezogen und zum Tanzen gebracht.“ Die eher mechanischen Bewegungen seien nicht ganz leicht gewesen, hätten aber doch viel Spaß gemacht, ergänzt sie noch.
Lea ist auch schon zum dritten Mal Teil der „Theaterflucht“-Ferienwoche. „Wir waren fast immer woanders, unter anderem im Musischen Zentrum und im WuK, hier im Gleis 21 sind wir zum ersten Mal. Ihr gefällt nicht zuletzt, „dass es für die Abschluss-Performance gar keinen Stress gibt. Wir setzen oft erst ganz kurz davor die einzelnen Teile zu einem Ganzen zusammen. Aber wir haben das ja alles schon gut im Hinterkopf, weil wir in der Woche die Szenen und Bewegungen erarbeiten und immer wieder üben. Das ist am Ende ganz entspannt.“
Lilli ist – wie so manch andere – „zum ersten Mal dabei. Das Coole ist, neue Leute kennen zu lernen und auch neue Bewegungen. Ich war schon oft auf einer Bühne, auch in Theater-Workshops. Einmal musste ich eine aufgeregte Ameise spielen mit schriller Stimme, die viel und schnell redet.“ Da beginnen einige in der Runde zumindest zu schmunzeln. Weshalb sich die nächste Frage aufdrängt, ob das so ihrem Wesen entspreche. „Wenn ich schüchtern bin, rede ich wenig, wenn ich mich dann wo eingelebt habe, sprech ich schon viel.“
Maria, auch eine der Newcomerinnen, „finde es sehr cool, so viele neue Leute kennenzulernen. Bisher hat’s schon viel Spaß gemacht, zusammen zu spielen und was zu erarbeiten“.
Das Thema im Jubiläumsjahr lautet „Verstecken und sich zeigen“ – erfahren die Teilnehmerinnen während des KiJuKU-Lokalaugenscheins, was Aiym spontan dazu verleitet, es sogar griffiger zu formulieren: „Verstecken – entdecken!“
Verstecken und doch ein bisschen auch – zumindest für die Augen – sichtbar zu sein – dem widmen sich dann die folgenden Bewegungs- und szenischen Übungen – sowohl im Veranstaltungsraum als auch im Freien davor. Wobei die Teilnehmerinnen dabei ganz schön die örtlichen Gegebenheiten -wie einen Baum, Büsche, Geländer und ein Mäuerchen ins Spiel bringen.
Auch wenn die Gruppe „Theaterflucht“ heißt, ist das nicht (jedes Mal) explizites Thema, kommt sozusagen in anderer, indirekter Form vor – durch Aufnahme neuer Mitwirkender, ein gemeinsames Miteinander, egal woher wer kommt. In der Selbstbeschreibung des Projektes liest sich das so: „TheaterFlucht schafft Räume, in denen Mädchen und junge Frauen mit und ohne Fluchterfahrung die Möglichkeit haben, gemeinsam kreativ zu sein und gegenseitige Vorurteile ab- als auch Vertrauen aufzubauen. so werden spielerisch Brücken gebaut. Unser Anliegen ist es, allen Kindern und Jugendlichen den Zugang zu Kunst und Kultur zu öffnen, egal woher sie kommen. Wir arbeiten dabei mit den Mitteln von Tanz und Theater, weil die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt haben, dass Tanz und Theater soziale Kompetenzen fördern.“
Abschlussperformance und 10-Jahresfest
Es spielen: Aiym, Ana, Anastasia, Anita, Elena, Farhiya, Iara, Lea, Lilli, Marharyta, Maria, Mylana, Salua
Künstlerische Leitung: Magdalena Haftner und Susi Muller
Masken: Rosi Muller
Produktionsleitung: Franziska Köberl
Abschlussfest: Christina Rauchbauer
Verpflegung: Rike Marie
6. August 2022
16 Uhr: Performance
17 Uhr: Performance, 10-Jahres-Doku
18 Uhr: Party mit Musik mit „The Radiovans“ und DJanes* TF
Gleis 21: 1100, Bloch-Bauer-Promenade 22
theaterflucht.at