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Szenenfoto aus "Run wild in it" von makemakeproduktionen im Wiener Kosmos Theater

Narr und Tod, Hohepriesterin und Rad des Lebens…

Hohepriesterin und Narr, Tod, Teufel, Rad des Lebens oder Ausgleich/Mäßigkeit/Kunst, der Gehängte… sie alle sind Figuren auf Tarot-Karten. Mehr als einen Hauch von Esoterik umweht diese – Karten, Figuren und Wahrsager:innen, die damit arbeiten.

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Szenenfoto aus „Run wild in it“ von makemakeproduktionen im Wiener Kosmos Theater

Den Hauch davon – und doch gleichzeitig mit hinterfragender Distanz – verarbeitete die Gruppe makemake produktionen unter der Regie von Sara Ostertag zur gespenstisch-schönen phasenweise mit Humor gewürzten Performance „Run wild in it“. Damit beschloss das Wiener Kosmos Theater seine aktuelle Saison, mit Ausschnitten aus der rund einstündigen Show gastierte die Gruppe auch bei X-Erinnerungen im Rahmen der Tangente St. Pölten.

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Szenenfoto aus „Run wild in it“ von makemakeproduktionen im Wiener Kosmos Theater

Geheimnisvoll

Schon geheimnisvoll in bunte Gaze-artige Stoffe in unterschiedlichen Farben gehüllt (Mael Blau), muszierten zunächst alle Performer:innen Julian Pieber, Nastasja Ronck, Martina Rösler, Dolores Winkler und natürlich vor allem der Komponist Paul Plut himself. E-Gitarre, Schlagzeug, Keyboard, Gesang. Nach und nach entsteigt die eine und der andere der Verhüllung, jemand nähert sich dem Publikum und lässt einzelne Besucher:innen überdimensionale Karten ziehen – diverse Tarot-Figuren – die dann eingeblendet mit ihren Bezeichnungen erschienen – und zu denen die Künstler:innen zu singen und spielen beginnen. Die Deutungen der jeweiligen Karten werden sozusagen in Musik, Tanz und Schauspiel interpretiert – nicht selten auch augenzwinkernd.

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Szenenfoto aus „Run wild in it“ von makemakeproduktionen im Wiener Kosmos Theater

Und hin und wieder auch mit Botschaften sozusagen als Subtext. Die Karte mit XI (der römischen Zahl 11) steht für Kraft. Und diese sei nicht nur körperlich zu verstehen. Vorbild sei etwa die Kraft der Erzählung beispielsweise von Sheherazade aus den Geschichten aus Tausend und einer Nacht. Mit ihren Geschichten, die sie wie moderne Cliffhanger in Fortsetzungs-Serien immer dann unterbricht, wenn sie am Spannendsten sind, hält sie König Shahriyar, der zuvor immer nach einer Nacht die jeweils neue Frau ermorden ließ von der Serien-Tötung ab.

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Szenenfoto aus „Run wild in it“ von makemakeproduktionen im Wiener Kosmos Theater

Kreis mit Graben

(Fast) alles spielt sich auf einer Bühne aus zwei Kreishälften (Nanna Neudeck) mit Graben dazwischen ab. Theaternebel, Trockeneis, in einem Wasserbecken Glibberschleim. In diesen taucht die Tänzerin Martina Rösler nach knapp einem Drittel der Stunde ein, um daraus erst gegen Ende zu entsteigen. Tänzerisch wiegt und badet sie in einer hohen und damit noch konzentrierteren Dosis dieses vor allem für Kinder gedachten Badespaß-Schleims.

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Szenenfoto aus „Run wild in it“ von makemakeproduktionen im Wiener Kosmos Theater

Gegen Ende erschien auf dem Monitor eine der beiden „Deuter:innen“ – Cuqui Espinoza, Arttu Palmio – alternierend, um die zu erklären, was die einzelnen – vom Publikum zufällig – gezogenen Karten zu sagen haben. Damit wirkte die angekündigte Zufälligkeit ein wenig zweifelhaft. War sie aber nicht. Die beiden saßen jeweils in einem anderen Raum, beobachteten das Geschehen via Kamera und wurden auch über eine solche zugeschaltet. Gewiss, aller Wahrscheinlichkeit nach, haben sie sich vorab zu jeder der möglichen Karten (im Französischen steht Tarot übrigens auch für jene Karten, die im Deutschen Tarock heißen) schlaue Sprüche einfallen lassen 😉

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Szenenfoto aus "Beyond Häppiness" von Kollektiv Kunststoff

Vor„sehung“, Glückskekse und ultimative Fragen…

Boomt gerade Astro-, Eso-, und Glücksmagie? Oder ist es nur purer Zufall, dass fast zeitgleich mit einer Performance über Horoskope zur Eröffnung der neuen Saison im Dschungel Wien – „Obstacles in our Sky“ (Link zur Stückbesprechung am Ende des Beitrages) das Kollektiv Kunststoff in einem Teil des Atelierhauses der Akademie der bildenden Künste Wien „Beyond Häppiness“ aufführte. Die Schreibweise des Glücks deutet schon eine gewisse Distanz zu „Glücksritter:innen“ an und „beyond“ lässt Interpretationen zu  von „darüber hinaus“, „jenseits“ oder auch dahinter.

Wie auch immer – da die aktuelle kurze nur drei Tage dauernde Spielserie schon abgespielt ist, kann auch viel geschildert werden, spoilern ist in dem Sinn ja nicht mehr möglich. Der hohe Raum auf einem rohen Bretterboden wird von einer großen vierseitigen Pyramide, die jeweils aus neun Dreiecken zusammengesetzt sind, beherrscht. Rund um diese setzen aus Klebebändern bestehende Linien die Pyramide sozusagen auf der Bodenebene fort (Bühne: Jo Plos). Entlang von acht dieser Linien sind – anfangs – je vier mit Helium gefüllte Ballons an Schnüren am Boden verankert.

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Szenenfoto aus „Beyond Häppiness“ von Kollektiv Kunststoff

Fragebögen-Muster…

So weit die Ausgangslage. Jede Zuschauerin und jeder Zuschauer kriegt einen Fragebogen. Die jeweiligen Antwortmöglichkeiten beispielsweis zu „Welcher Persönlichkeit kommst du am ehesten nahe?“ oder „Wovon hängt dein Glück am meisten ab?“ kleben auf den Ballons. Du musst/sollst/darfs/kannst jeweils A, B, C oder D einringeln. In Wahrheit kommt’s am Ende auf das Muster an, das sich ergibt, wenn du Linien von deinen Kreisen/Kreuzen ziehst 😉

Halt, nicht alle dürfen oder müssen von Ballin zu Ballon wandern. Die späteren Performer:innen in rosa Overalls (Kostüme: Sophie Baumgartner) mit schwarz-weiß bemalten Tiergesichtern, die die Fragebögen aushändigen, suchen sich Publikum erster Klasse aus, das sie nicht auf die Sessel platzieren, sondern auf gemütliche Couches, ihnen Sekt servieren und ein Tablet, auf dem sie gemütlich die selben Fragen digital beantworten – und vielleicht auch sich amüsieren beim Beobachten der Zuschauer:innen zweiter Klasse. Oder haben die vielleicht sogar das bessere Los gezogen, weil sie sich durch den Raum bewegen dürfen?

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Szenenfoto aus „Beyond Häppiness“ von Kollektiv Kunststoff

Menschenmaschine, Skulpturen…

Haben alle im Publikum ihren Teil geleistet, starten Christina Aksoy, Raffaela Gras, Luigi Guerrieri, Patrick Isopp und Stefanie Sternig ihre nicht ganz einstündige Performance. Vom „oooohmmm“-Kreis über kleinste, sanfte Bewegungen zu Geräuschen (Komposition, Sounddesign: Peter Plos) von Papieren, in die mit schwarzem Pulver gefärbte zuerst in Wasser gewaschene Stein erzeugen (was als Bilder auf eine Pyramidenseite projiziert wird) über Anbetungsrituale an die Pyramide bis zu späteren mit ihren Körpern gebaute Maschinen, Skulpturen oder fiktive Selfie-Gruppenfotos.

Dazwischen holt eine Performerin eine Sense aus der Pyramide und schneidet den Luftballons sozusagen die Lebensfäden durch, die somit befreit an die Decke schweben.

Luigi Guerrieris – ungeschminktes – Gesicht im Großformat auf eine Pyramidenseite projiziert, erzählt, dass seine Mutter ihn gern Jesus genannt hätte, davor aber sein Vater gestorben sei und er so zu seinem Namen gekommen sei. Raffaela Gras greift aus einer Kugel ein Glückskeks nach dem anderen, liest die – wie bei Zeitungshoroskopen allgemeinen viel- und gleichzeitig fast nichtssagenden Sätze vor – oder auch nicht. Das entscheidet sie spontan…

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Szenenfoto aus „Beyond Häppiness“ von Kollektiv Kunststoff

Auge der Vor„seh“ung

Und natürlich darf die Projektion eines gezeichneten Auges auf der Pyramidenseite – mit Assoziation zum Auge der Vorsehung, göttlichem Auge oder dem Zeichen der Illuminaten – nicht fehlen, animiert als sich öffnend und schließend (Zeichnungen und Animation: Adnan Popović – gemeinsam mit Raffaela Gras und Stefanie Sternig für das Konzept der Show hinter oder jenseits des Glücks verantwortlich.

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Szenenfoto aus „Beyond Häppiness“ von Kollektiv Kunststoff

Die ultimative Frage

Ein Abend als raffiniertes Spiel rund um diverse Mittel(chen), dem Glück auf die Sprünge helfen zu können – und mit einem, vielleicht gar nicht von allen bemerkten und angeblich auch nach Frage an einige Mitwirkende gar nicht ganz beabsichtigten – hintergründigem Schmäh: Die Zahl der Luftballons zu Beginn, auf denen Antwortmöglichkeiten für die Fragebögen kleben, ergibt 32 plus zehn für die neunte Frage mit mehreren Antwortmöglichkeiten. Und „42“ ist die Douglas Adams in seiner Roman-Serie (1981 bis 1992) „Per Anhalter durch die Galaxis“ schrieb die „Ultimate Question of Life, the Universe, and Everything” („endgültige Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“). Unterschiedlichste Interpretationen wischte der Autor übrigens – laut wikipedia – ein Jahr nach dem Erscheinen des fünften und letzten Romans der Serie vom Tisch: „Es war ein Scherz. Es musste eine Zahl sein, eine ganz gewöhnliche, eher kleine Zahl, und ich nahm diese. Binäre Darstellungen, Basis 13, tibetische Mönche, das ist totaler Unsinn. Ich saß an meinem Schreibtisch, starrte in den Garten hinaus und dachte: ‚42 passt‘. Ich tippte es hin. Das ist alles.“

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Szenenfoto aus „Beyond Häppiness“ von Kollektiv Kunststoff