Vorsichtig positiv und leicht optimistisch was Umsetzung der Kinderrechte in Österreich betrifft, zeigten sich vier Kinder- und Jugendanwält:innen (KiJA) – stellvertretend für alle neun (eine Person pro Bundesland) – bei einem Mediengespräch in der Wiener Einrichtung. Zwar stehe im Regierungsprogramm vieles auch Kinder und Jugendliche Betreffende unter Budgetvorbehalt, doch einiges aus dem 10-Punkte-Paket, das die schon im November den damaligen Regierungsverhandler:innen von ÖVP, SPÖ und NEOS übermittelt haben, findet sich nun im Programm der 3er-Koaltion. Allerdings brauche es zur Umsetzung eben wirklich entsprechende Ressourcen, einige „Baustellen“, wo noch viel zu tun ist, orten die KiJa ebenso. Und auf Frage von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… zum aktuell von der Bundesregierung beschlossenen Stopp von Familiennachzug wurde vor allem darauf verweisen, dass die Kinderrechtskonvention das Recht von Kindern auf Familie verankert – siehe azu einen eigenen Beitrag – Link am Ende dieses Beitrages.
Der Wiener Vertreter, Sebastian Öhner: „Welchen Zugang ein Kind zu seinen Kinderrechten hat, darf nicht von der Postleitzahl des Wohnortes abhängen.“ Verlangt werden „einheitliche Vorgehensweise auf Bundesebene, damit Kinderrechte flächendeckend gefördert und geschützt werden können.“
Wesentliche kinderrechtliche Baustellen orten alle neun Kinder- und Jugendanwält:innen vor allem in den Bereichen Kinderschutz, Lebensraum Schule sowie effektives Kinderrechtemonitoring. Alle neun KiJA-Vertreter:innen fordern gemeinsam nach einem eineinhalbtägigen Treffen in ihrer regelmäßigen StänKo (ständige Konferenz) „die neue Bundesregierung auf, hier wirksame Maßnahmen zu setzen.“
Kinderschutzkonzepte sind ein wirksames Mittel, um Gewalt gegen Kinder und Jugendliche vorzubeugen. Dies sei, so die KiJA-Vertreter:innen, mittlerweile im Bewusstsein der Gesellschaft angekommen. „Zusätzlich braucht es aber auch ausreichende finanzielle Ressourcen für die Entwicklung von Kinderschutzkonzepten, um diese nachhaltig zu implementieren. Kinderrechte und Schutzkonzepte haben eines gemeinsam: Wir alle müssen diese auch mit Leben füllen, damit junge Menschen davon profitieren können und diese nicht nur am Papier existieren,“ sagt dazu Tirols Kinder- und Jugendanwalt Lukas Trentini.
Alarmiert sind die Kinder- und Jugendanwält:innen über die steigende Anzahl von Schulsuspendierungen in Österreichs Schulen: Im Schuljahr 2023/2024 wurden österreichweit 2.013 Schulsuspendierungen ausgesprochen, eine Steigerung von 100 Fällen im Vergleich zum Vorjahr. Suspendierungen dürften aber keine Strafmaßnahme sein, sondern nur bei Gefahr in Verzug zum Schutz von Schüler:innen und Lehrpersonen. Außerdem würde ein Ausschluss von Kindern oder Jugendlichen allein „selten eine nachhaltige Verhaltensstabilisation bewirken“. Pädagogische bzw. therapeutische Begleitung gäbe es derzeit allerdings zu selten. Salzburgs Kinder- und Jugendanwältin Johanna Fellinger dazu: „Wir begrüßen die Pläne der neuen Bundesregierung, hier österreichweite Standards und Angebote für Suspendierungsbegleitung zu etablieren. Dafür werden die Schulen aber zusätzliche personelle und finanzielle Ressourcen benötigen. Das neue Angebot der Suspendierungsbegleitung darf nicht zu Lasten der sonstigen Aufgaben, beispielsweise von Schulpsycholog:innen und -sozialarbeiter:innen, gehen.“
Zu wenige Ressourcen sowie zu wenig Prävention im Rahmen digitaler Grundbildung ortet Christine Winkler-Kirchberger (Oberösterreich) in Sachen Mobbing und Cybermobbing. Außerdem würde externe Expertise, u.a. Kinder- und Jugendanwaltscahften, häufig erst „zu spät ins Boot geholt. Dann ist die Situation oft schon so verfahren, dass nur noch wenig für die Betroffenen getan werden kann. Cybermobbing ist besonders heimtückisch, da es rund um die Uhr stattfinden kann und die Betroffenen oft keine Möglichkeit haben, dem zu entkommen. Es ist daher unerlässlich, dass sowohl präventive als auch intervenierende Angebote in den Bundesländern zur Verfügung stehen, um die psychische Gesundheit der jungen Menschen zu schützen.“
Von der Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS erhoffen sich die Kinder- und Jugendanwaltschaften insgesamt eine Stärkung der Kinderrechte. Im Regierungsprogramm fänden sich einige Forderungen der KIJA, so der Wiener Kinder- und Jugendanwalt Sebastian Öhner. Eine bundesweite Stärkung der Kinderrechte könne auch trotz des klammen Budgets gelingen, glaubt er. „Man braucht nicht immer mehr Geld, manchmal braucht man ein Umdenken.“ Oft seien es Fragen der Verwaltung, der gesetzlichen Bestimmungen oder des Dienstrechts. Als Beispiel nannte er die vorgesehenen einheitlicheren Standards in der Kinder- und Jugendhilfe.
Viel stärker noch als bisher müsste in allen Bereichen eine Säule der Kinderrechtskonvention, die Partizipation also die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen beachtet, wahrgenommen und verankert werden, meinte vor allem Sebastian Öhner. Insofern sehen es die Kinder- und Jugendanwält:innen auch – auf Frage von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… als demokratispolitisch und kinderrechtlich problematisch an, dass junge Menschen, die einen Großteil oder ihr ganzes Leben in Österreich verbringen, nicht wählen dürfen, wenn sie eine andere Staatsbürgerschaft haben.
Im Übrigen wird eine „große kinderrechtliche Lücke“ im „Fehlen eines systematischen Kinderrechtemonitorings, bei dem die Überprüfung und Bewertung der Umsetzung von Kinderrechten bundesweit sichergestellt wird“ geortet. „Nur durch regelmäßige und systematische Überprüfungen können wir Missstände frühzeitig erkennen und strategisch gezielte Maßnahmen ergreifen, um die Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Und nur so können wir sicherstellen, dass die Rechte von jungen Menschen auch in der Praxis umgesetzt werden,“ verlangte Sebastian Öhner ein regelmäßiges innerstaatliches Monitoring. Die Kinderrechtskonvention selber sieht einen Prozess der Evaluierung vor und international wird das auch gemacht.
„Familie kann Leben retten“ – Ersteres in rot, die anderen drei Worte in schwarz stand Mittwoch um die Mittagszeit auf mehr als einem Dutzend Plakaten vor dem Bundeskanzleramt in Wien. Die Kundgebungsteilnehmer:innen hielten im Vordergrund zudem ein großes Transparent auf dem stand: „An die neue Regierung: Kein Kompromiss bei Menschenrechten!“ Das Wort kein rot unterstrichen. Und unter der Forderung die Logos von Roten Falken, der Aktion kritischer Schüler:innen, der Sozialistischen Jugend sowie des VSSTÖ (Verbandes sozialistischer Student:innen). Daneben ein großes Transparent „Haltung statt Festung“ von der Initiative SOS Balkanroute, namentlich stark verbunden mit dem Rapper Kid Pex alias Petar Rosandić.
Anlass für die Demonstrant:innen war der im Ministerrat auf der Tagesordnung stehende Stopp der Familienzusammenführung. „Konkret bedeutet das, dass Menschen, die vor Krieg und Leid geflohen sind, kein Recht mehr darauf haben, ihre engsten Familienangehörigen legal nach Österreich zu bringen. Aus unserer Sicht ist diese Entscheidung eine Anbiederung an rechtsaußen Positionen, wie sie in Österreich vor allem die FPÖ vertritt. So sehr die SPÖ auch betont, dass im Moment Kompromisse notwendig seien: Menschenrechte sind unteilbar! Bei ihnen darf es keinerlei Kompromisse geben!“. Das meinten in einer Aussendung dazu die Vorsitzenden der SJÖ (Larissa Zivković), des VSSTÖ (Miriam Amann), der AKS (Dede Koudouovoh) sowie der Roten Falken (Dilovan Shekho).
Laut Larissa Zivkovic würde es sich beim Stopp des Familiennachzugs vor allem um Symbolpolitik handeln: „Es steht außer Frage, dass das österreichische Asylsystem im Moment starke Defizite aufweist. Immer noch werden Menschen teilweise jahrelang im Unklaren über ihre Zukunft gelassen. Es ist mehr als fragwürdig, ob ein Stopp des Familiennachzugs an dieser grundlegenden Situation irgendetwas verändern würde. Abgesehen natürlich von der Tatsache, dass sich die Lage für geflüchtete Menschen in Österreich weiter drastisch verschlechtert. Dass die SPÖ diese rechte Symbolpolitik mitträgt, ist mehr als nur ärgerlich!“, so Zivkovic.
Miriam Amann weist darauf hin, dass Kompromissbereitschaft nicht zu einer weiteren Öffnung nach Rechts führen darf: „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass eine Übernahme rechter Positionen, wie sie die FPÖ vertritt, nur zu einer weiteren Verstärkung des rechten Diskurses führt und damit die extreme Rechte weiter stärkt. Zudem will sich die Regierung bei ihrem Vorhaben auf einen Notstandsartikel der EU beziehen, obwohl führende Expert:innen nicht einmal im Ansatz der Meinung sind, dass es sich hier um einen Notstand handeln könnte. Angesichts dessen ist es aus unserer Sicht mehr als unverantwortlich, dass sich die aktuelle Regierung bereits nach so kurzer Zeit dazu entschieden hat, solche Maßnahmen in die Wege zu leiten! Die Regierung sollte sich besser darum kümmern, dass geflüchtete Menschen gut in Österreich ankommen und Integration in deren Sinne stattfindet!“, meint Amann.
„Der Stopp des Familiennachzugs ist nicht nur eine politische Fehlentscheidung, sondern schadet nachhaltig der Entwicklung junger Menschen. Kinder und Jugendliche brauchen die Unterstützung ihrer Eltern, um emotional und psychisch stabil zu wachsen. Ohne diese Unterstützung werden ihre Inklusion und Zukunftsperspektiven stark beeinträchtigt oder gar kategorisch zunichte gemacht. In einem Land, das sich zu Menschenrechten bekennt, ist es inakzeptabel, Familien auseinanderzureißen und den betroffenen jungen Menschen die Grundlage für eine stabile Zukunft zu entziehen“, sagte Dede Koudouovoh.
Dilovan Shekho betont ausdrücklich, dass Kinderrechte nicht zum Spielball der Politik werden dürfen: „Die Abschaffung des Familiennachzugs bedeutet, dass etliche Kinder weiterhin von ihren Eltern getrennt bleiben. Diese Maßnahmen widersprechen grundlegenden Kinderrechten und gefährden das Wohl der Betroffenen massiv. Die UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet Österreich dazu, das Wohl von Kindern an erste Stelle zu setzen. Trotzdem werden Kinderrechte in der aktuellen Asyl- und Integrationspolitik ignoriert. Die Regierung spricht von Werten und Zusammenhalt, doch gleichzeitig werden Familien auseinandergerissen. Kinderrechte müssen in allen politischen Entscheidungen oberste Priorität haben!“, so Shekho abschließend.
Man müsse die Herausforderungen, die durch Familiennachzug vor allem auf Schulen zukommen, sehen, meinte stellvertretend für die österreichischen Kinder- und Jugendanwaltschaften (KiJA) Johanna Fellinger (Salzburger KiJA), „gleichzeitig ist es ein wichtiges Anliegen, die Kinderrechte sowie die Verfassungskonformität“ zu prüfen, „bevor eine Maßnahme gesetzt“ werde. Die Kinderrechtskonvention und Teile davon, die in Österreich im Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kinder, stehen, beinhalten Garantien zum Zusammenleben von Kindern und Jugendlichen mit ihrer Familie. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… hatte bei einem Mediengespräche nach dem Treffen aller neun Kinder- und Jugendanwält:innen (ständige Konferenz) die Haltung zum sofortigen Familiennachzugs-Stopp der Bundesregierung erfragt. Das Mediengespräch drehte sich um mehrere Themen rund um das Regierungsabkommen – mehr zu Letzterem in einem eigenen Beitrag.
ebenso im Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern. Eine etwaige Regelung müsse deshalb vorab darauf überprüft werden, ob sie verfassungs- und auch kinderrechtskonform ist, forderte sie.
„Jedes Kind hat das Recht, in einer sicheren und liebevollen Familie aufzuwachsen. Der Stopp des Familiennachzugs gefährdet dieses fundamentale Kinderrecht“, psoteten die Österreichischen Kinderfreunde (sozusagen Eltern der „Roten Falken“) auf Social-media-Kanälen. „Kinder bleiben weiterhin von ihren Eltern getrennt und sind gezwungen, lebensgefährliche Fluchtrouten auf sich zu nehmen – ein unhaltbarer Zustand. Kinder brauchen Geborgenheit, Stabilität und Schutz – und dazu gehört, dass sie mit ihren Eltern zusammenleben dürfen.
Wir fordern: Familiennachzug erhalten, sichere Fluchtwege für Frauen und Kinder schaffen und das Kindeswohl immer an erste Stelle setzen!“
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