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Gruppenfoto einiger Teilnehmer:innen mit einem dreisprachigen Transparent

„Wir alle sind der Peršmanhof“ / „Vsi * Vse smo Peršmanhof“

„Alerta, alerta antifascista!“ hallte Donnerstag am frühen Abend oft durch die Wiener Herrengasse. Vor und rund um den dort gelegenen Amtssitz des Innenministeriums gab es kaum ein Durchkommen. Hunderte Menschen aller Altersgruppen hatten sich zum Protest gegen den unfassbaren Polizei-Einsatz am Sonntag gegen ein antifaschistisches Bildungscamp beim Peršmanhof im zweisprachigen Gebiet von Kärnten / Koroška versammelt. Die kurzfristig auf die Beine gestellte Demonstration war vor allem von auf Kartons handgeschriebenen Losungen gekennzeichnet.

Fatale historische Parallele

Auf einem wurde dabei auf die unsägliche historische Parallele hingewiesen. Der Peršmanhof wurde ja deswegen zu einer Gedenkstätte und einem Museum, weil – noch in den letzten Tages des zweiten Weltkriegs eine Nazi-Polizei-Einheit dort elf Zivilist:innen, darunter sieben Kinder ermordete. Und im 80. Jahr nach Kriegsende, dem 70. Jahr mit dem Staatsvertrag, riss dieser überfallsartige Polizei-Einsatz tiefe Wunden bei Nachkommen der Ermordeten auf.

Dem slowenischen Partisan:innen-Widerstand gegen die Nazis ist ein Gutteil des Staatsvertrages zu verdanken

Zudem ist gerade dem Widerstand der Kärntner slowenischen Partisan:innen ein Gutteil des Verdienstes um den Staatsvertrag zu verdanken. In der sogenannten Moskauer Deklaration (1943 – USA, Großbritannien und Sowjetunion) hieß es zum einen, dass Österreich „von deutscher Herrschaft befreit werden soll“. Andererseits: „Österreich wird aber auch daran erinnert, dass es für die Teilnahme am Kriege an der Seite Hitler-Deutschlands eine Verantwortung trägt, der es nicht entrinnen kann, und dass anlässlich der endgültigen Abrechnung Bedachtnahme darauf, wieviel es selbst zu seiner Befreiung beigetragen haben wird, unvermeidlich sein wird.“

Wir alle… / Vsi * Vse smo…

Kleinere gedruckte Plakate von SOS Balkanroute verkündeten „Wir alle sind der Peršmanhof“ bzw. in slowenischer Sprache: Vsi * Vse smo Peršmanhof“. Im Gegensatz zur Polizeieinheit, die das Camp stürmte, als würde es sich um Terrorist:innen handeln, die – auch in Video- und TV-Beiträgen deutlich artikulierten, dass sie nicht Slowenisch könnten, wurden praktisch alle Reden bei der Kundgebung entweder gleich zweisprachig gehalten oder in die jeweils andere der beiden nach dem Staatsvertrag gleichberechtigten Sprachen übersetzt. Die eben erwähnten Losungen dokumentierten auf den Punkt gebracht, dass dies keine lokale oder regionale Angelegenheit ist, wenn Antifaschismus, eines der „angeblichen“ Fundamente der zeiten Republik gestürmt wird – noch dazu auf dem Gelände einer Gedenkstätte, die mahnen soll, dass Faschismus „nie wieder!“ an die Macht kommen dürfe.

Geflüchtete Kriegsgegnerin

Von jungen Gedenkdiener:innen über einen Chor der slowenischen Studierenden bis zu einem älteren Vertreter des KZ-Verbandes Wien ergriffen das Wort. Aber auch eine russisch Aktivistin, die wegen ihrer Kriegsgegnerschaft flüchten musste trat ans Mikrophon und brachte mit Englisch eine vierte Sprache (Deutsch, Slowenisch, italienische Parolen, die im antifaschistischen Kampf gegen die Mussolini-Diktatur vor 100 Jahren) ins Spiel. Die Polizeiaktion habe gerade dann stattgefunden, als sie – und eine Kollegin aus der Ukraine und eine weitere aus Belarus ihren Beitrag den Camp-Teilnehmer:innen vorstellen wollte. Sie konnte es überhaupt nicht packen, dass ein Vorgehen von Uniformierten im demokratischen Österreich sie so bitter erinnerte an Umstände in ihrer ersten Heimat, vor denen sie davon ennen musste.

In einem Plakat und mehrfach in Reden wurde auch Bezug genommen auf das Interview des stellvertretenden Kärntner Polizeikommandanten in der ZiB2 vom Vorabend. Persönliche Entschuldigung bei einem Nachfahren, aber alles ganz richtig gemacht und normaler Einsatz…

Die Forderungen

Drei rote Pfiffe

Mehrfach ertönten auch Sprech-Chöre „Hoch die Partisan:innen“ und gegen Ende der Kundgebung vor dem Sitz des für die Polizei zuständigen Innenministeriums wurde das der Partisanin Jelka gewidmete Lied der Gruppe „Schmetterlinge“ aus der „Proletenpassion“ (Texte: Heinz R. Unger). „Drei rote Pfiffe“ von vielen Teilnehmer:innen gesungen.

kijuku_heinz

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Karikatur von KiJuKU-heinz

„Razzia am Peršmanhof, gehts noch?!“

So viel Aktualität hatte sich das Team von teatro auf und rund um die Bühne des Musicals „Sophie Scholl – Die Weiße Rose“ sicher nicht gewünscht. (Derzeit noch im Stadttheater Mödling, im November in Wien im Vindobona – Link zur Stückbesprechung unten am Ende dieses Beitrages.)

Am Samstag (26. Juli 2025) marschierten – unter Polizeischutz – in Wien 200 junge Rechtsextreme – bis hinein in eine Parlamentspartei – durch die Wiener Innenstadt. Und tags darauf stürmte eine Polizeieinheit dafür in Kärnten ein Camp von vor allem jungen Antifaschist:innen auf dem Gelände der Gedenkstätte Peršmanhof. Dort hatten – in den letzten Tage den zweiten Weltkrieges – faschistische Einheiten (SS-Polizeiregiment 13) elf Menschen, darunter sieben Kinder ermordet. Ein Verbrechen, das übrigens in der bald folgenden Zeit der demokratischen zweiten Republik nie Konsequenzen für die Mörder hatte.

Erst 1965 fand die erste Gedenkfeier am Peršmanhof statt, bei der eine slowenischsprachige Gedenktafel angebracht wurde. Ab den 1980er Jahren gab es jährliche Gedenkveranstaltungen am 25. April – dem Tag des Massakers an den elf Zivilist:innen. Der Verband der Kärntner Partisanen machte einen Teil des wiedererrichteten Wohnhauses zu einem Museum, das Geschichte und den Widerstand der Kärntner Slowen:innen in der Nazi-Zeit zeigte. Außerdem wurde vor dem Hof ein antifaschistisches Denkmal errichtet.

Am Wochenende campierten Menschen vor dem Museum, um sich über die Geschichte ausführlich zu informieren. Und dann stürmt ein Polizeitrupp diese Versammlung, als würden sie Terrorist:innen dingfest machen wollen. In mehreren Medien-Interviews sagte einer der Einsatzleiter, ein in der Nähe wohnender Mitarbeiter des Verfassungsschutzes hätte die Aktion initiiert.

Deshalb ruft ein Bündnis mehrere Organisationen – KZ-Verband Wien, Initiative Minderheiten, Kulturrat und SOS Balkanroute – diese Woche – am 31. Juli, 17 bis 18.30Uhr, Minoritenplatz – zu einer Kundgebung vor dem Innenministerium – oberste Behörde der Polizei und des Verfassungsschutzes – auf.

Razzia am Peršmanhof, gehts noch?!
Wir haben Fragen! Wir sind wütend!
Wir sind solidarisch mit dem Društvo/Verein Peršman, Partisan_innenverband und Klub der slowenischen Studierenden in Wien!

Napad na Peršmanovo domačijo, ste znoreli?!
Imamo vprašanja! Jezni smo!
Solidarni smo z Društvom/Verein Peršman, z Zvezo Koroških Partizanov in Klubom Slovenskih Študentk*Študentov na Dunaju!

Die Forderungen – nicht nur der Kundgebungs-Aufruf-organisator:innen

Der Verfassungsschutz sollte Demokratie in Österreich schützen, oder? Eine der Lehren aus Sophie Scholl und der Weißen Rose müsste wohl sein: Demokratie, Freiheit schon dann zu verteidigen, bevor es zu spät ist und solche Kräfte an der Macht sind, die Menschen, die Widerstand leisten kriminalisieren oder gar wie bei den Geschwistern Scholl und ihren Mitstreiter:innen – oder am 25. April 1946 am Peršmanhof umbringen.

kijuku_heinz

Kundgebung: Finger weg vom Peršmanhof

31. Juli 2025
17 bis 18.30 Uhr
vor dem Innenministerium: 1010, Herrengasse 7
kz-verband-wien.at -> persman