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Julian Rzihauschek (12) bei jedem Training voll in Action

Zu Hause beim 12-jährigen Gewinner eines Tischtennis-CL-Matches

Am Rande der Stadt, dort wo sie schon dörflichen Charakter – von den niedrigen Häusern und den Feldern her – annimmt, findet sich auf dem Grund der Gärtnerei „Rizi“ (der Einfachheit halber, weil sich so manche mit dem echten Namen Rzihauschek ein wenig schwertun) seit August eine Tischtennishalle. Nicht irgendeine.

Der Boden ist jener von der jüngsten Weltmeisterschaft in diesem Sport, die im Vorjahr in der ungarischen Hauptstadt Budapest stattgefunden hat. Fast ein Geburtstagsgeschenk für den Sohn des Hauses. Julian feierte im Oktober seinen 12. Geburtstag. Gar nicht so unwahrscheinlich, dass er (nicht nur) eines Tages an künftigen Weltmeisterschaften des Spiels mit kleinem Ball und Schläger an der Tischplatte teilnimmt und das erfolgreich.

Julian Rzihauschek (12) bei jedem Training voll in Action
Julian Rzihauschek (12) bei jedem Training voll in Action

Immerhin waren Julian Rzihauschek und Petr Hodina, ebenfalls 12 Jahre, die allerjüngsten Athleten, die je Champions-League-Matches gespielt haben, ursprünglich „nur“ eingesprungen, weil einer der erwachsenen Spieler der SPG Walter Wels Corona-positiv getestet war, Kollegen und der Trainer damit in Quarantäne mussten. Anfangs beim Turnier in Düsseldorf mit dem 1. FC Saarbrücken, AS Pontoise-Cergy aus Frankreich sowie dem dänischen Verein Roskilde Bordtennis BTK, vielleicht noch angesichts der Jugend belächelt, verschafften sich die beiden 12-Jährigen – neben Gabor Böhm als Drittem im Bunde, einem Erwachsenen mit Champions-League-Erfahrung – von Tag zu Tag mehr Respekt. Ihr professionelles, wenngleich viel leichtfüßigeres Auftreten sorgte dafür.

Leichtfüßiger insofern – so SPG Walter-Wels-Präsident Bernhard Humer zum Journalisten: „Die erwachsenen Profis kannst schon gut zwei, drei Stunden vor einem Match nicht mehr anreden. Die beiden Burschen waren locker und gut drauf und gewannen die Sympathien praktisch aller wie im Flug.“

Zweiter 12-jähriger Sensationsspieler übersiedelte extra nach Österreich

Ziel: Einen Satz gewinnen

Mit der fast überfallsartigen Einspringer-Teilnahme an dem Champions-Legaue-Turnier habe er sich ganz und gar nicht überfordert gefühlt, so der 12-Jährige, der nach dem Sonntag – 21.30 Uhr stand der Überraschungssieg fest – vor Selbstbewusstsein strahlt – aber in keiner Sekunde überheblich. „Wir haben uns keine Chancen ausgerechnet. Unser Ziel war, einen Satz zu gewinnen.“

Nachdem alle vorherigen Matches jeweils 0: zu 3 verloren gegangen waren, kam’s im letzten Match Julian Rzihauschek gegen Antoine Doyen vom dänischen Klub Roskilde (bekannt für sein jährliches Musikfestival) drauf an. Die ersten zwei Sätze verlor der Wiener. „Da war ich vielleicht schon nervös, weil’s um dieses Ziel gegangen ist. Nachdem die zwei Sätze verloren waren, habe ich meine Taktik geändert, Vollgas gegeben und bin immer wieder über seine schwächere Rückhand gekommen.“ Dritter Satz gewonnen. Ziel erreicht. Aber offenbar trug dieses Erfolgserlebnis das Ausnahmetalent auf eine Welle – noch ein Satz gewonnen. „Spätestens da hatte dann Antoine Doyen Druck, gegen einen 12-Jährigen müsste er doch gewinnen.“

Julian Rzihauschek (12) mit Trainer Tibor Kun
Julian Rzihauschek (12) mit Trainer Tibor Kun

Von Punkt zu Punkt fokussiert

Er selbst sei durch die Aussicht auf einen möglichen Sensationssieg nicht mehr nervös geworden. Ich hab nur von Punkt zu Punkt gedacht, mich darauf fokussiert.“ Aufgegangen! DIE Sensation.

Fast genauso wie bei der Schilderung des Sieges strahlt Julian aber als er über die Begegnung mit Patrick Franziska, einem der Spieler von FC Saarbrücken, „weil der eines meiner Vorbilder ist. Auch wenn ich 0:3 verloren habe, hat es schöne, lange Ballwechsel gegeben, die auch für das Online-Publikum sicher schön anzuschauen waren“. Seine beiden anderen Vorbilder Timo Boll und Werner Schlager, der einzige nicht-chinesische Weltmeister in den vergangenen mehr als 20 Jahren. „Der ist auch in China sehr berühmt, aber er ist trotzdem auf dem Boden geblieben und ganz natürlich.“

Das wird hoffentlich auch Julian Rzihauschek bleiben, denn er könnte vielleicht einmal in die Fußstapfen Schlagers treten. Eine Besichtigung seiner Pokalsammlung ist ihm nicht wichtig, „bei 80 hab ich aufgehört zu zählen“, sagt er nur so beiläufig.

Besuch in Simmering

Zwei Tage nach dem sensationellen Sieg, der für internationale Aufmerksamkeit sorgte, darf der Journalist den jungen, leidenschaftlichen Tischtennis-Spieler in dieser Halle besuchen. Während des Interviews im Vorraum, hält Julians Trainer online via Handykamera auf einem Stativ eine Fortbildung für Trainer in Kasachstan ab. Dimitrij Levenko selbst ist Chef-Coach des dortigen Nationalteams. In Normalzeiten pendelt der 58-Jährige, der in Österreich selbst noch Bundesliga spielt – bei Baden, – zwischen Österreich und Kasachstan, in Corona-Zeiten alles online. Nicht immer nur einfach, „aber ich hab damit auch viel Neues gelernt“, so der Trainer, der auf das Simmeringer Riesentalent beim nahegelegenen SV Schwechat schon sehr früh aufmerksam geworden ist.

Mühsam war es anfangs im ersten Lockdown auch für Julian Rzihauschek selbst, wie er im Kinder-KURIER-Interview gesteht. „Ganz am Anfang war’s schon schwierig, mich immer zu motivieren. Wozu trainiere ich, wenn’s eh keine Turniere gibt.“ Das hat der damals 11-Jährige rasch überwunden. Da trainierte und spielte er noch für den SV Schwechat, nicht zuletzt seinerzeit bekannt geworden durch die Werner-Schlager-Academy. Der Niederösterreicher Werner Schlager holte sich vor 17 Jahren den Weltmeistertitel im Einzel – und ist seither der einzige Nicht-Chinese, der zur Nummer 1 der Welt in dieser Disziplin geworden ist.

Kaum übern Tisch geschaut, schon Talent

„Mit vier Jahren habe ich begonnen Tischtennis zu spielen“, sagt Julian zum Kinder-Kurier. „Mein Vater war ein Hobbyspieler und er hat mit meiner Schwester und mir gespielt. Im Keller des Hauses unserer Großeltern das nur über der Gasse liegt haben wir oft gespielt.“

Vater Karl ergänzt: „Man hat bei Julian schon mit drei Jahren gemerkt, dass er besonderes Talent hat. Er hat kaum über die Tischtennisplatte raufschauen können und schon lange Ballwechsel gespielt bis zu 10 Mal hin und her.“

Relativ bald begann Julian beim nahegelegenen SV Schwechat regelmäßig zu trainieren so ungefähr vier bis fünf Mal pro Woche. Rasch wurde er dort auch vom jetzigen Trainer in der Werner Schlager Academy entdeckt und gefördert.

Ab 9 Jahren: Tägliches Training

„Ab dem Alter von 9 Jahren habe ich begonnen, täglich zu trainieren – in Schwechat und im Keller des Hauses der Großeltern“. Nachdem Schwechat aber nicht in der Bundesliga spielt, weil sie da einiges investieren müssten, was sie derzeit nicht können, haben sich Julian und vor allem der Vater – „ich überleg immer schon die nächsten möglichen Schritte“ – nach einer Möglichkeit umzuschauen, wie das junge Ausnahmetalent doch in der obersten Liga spielen könnte. Daraus ergab sich das Verleihen des Spielers an die Spielgemeinschaft Wels.

Julian Rzihauschek (12) in Action
Julian Rzihauschek (12) in Action

Sport-Mittelschule

„Die Vorbereitung auf die Bundesliga hat mich dann im ersten Lockdown wieder dazu gebracht, mich motivieren zu können, und täglich vier bis fünf Stunden zu trainieren.“

Julian besucht die Sportmittelschule in der Wittelsbachstraße in Wien Leopoldstadt, die zweite Klasse. Gefragt nach seinen Lieblingsfächern nennt er „Sport“ – dann kommt eine doch recht lange Pause „und Englisch auch noch“.

Das Home-Schooling konnte er ganz gut nehmen, „weil ich da viel mehr trainieren konnte, weil der Schulweg weggefallen ist. Aber die Schule ist mir schon auch sehr abgegangen, vor allem das Treffen mit meinen Freunden.“

Ab so ungefähr fünf oder sechs Jahren wollte er schon Tischtennis-Profi werden. Auf die Frage ob da nicht viele daran gezweifelt hätten, meint Julian: Das habe ich nicht so beachtet, außerdem haben meine Eltern auf jeden Fall an mich geglaubt.“

Motivation

Und auch der Trainer, der allerdings noch hinzufügt: „Talent ist das eine, aber es braucht auch die Motivation, nicht nur junger Spieler, sondern auch des Umfeldes, der Eltern“, streut er den Rzihauscheks Rosen. Nicht zuletzt für diese Halle, die professionelle Bedingungen bietet, was damit auch neben jungen Talenten erwachsene Top-Spieler dazu veranlasst hierher zu kommen. Sparring-partner an denen Julian auch wachsen kann.

Julian ist von einem Top-Coaching-Team umgebe. Neben dem schon genannten Dimitrij Levenko (übrigens auch Vater von Andreas Levenko, Nummer 1 der U21 Weltrangliste) zählen dazu noch Valentina Popova (9-fache Europameisterin, Olympia-Fünfte, ehem. slowakische Nationalteam-Trainerin) und Tibor Kun (langjähriger Nachwuchscheftrainer bei SVS). Seit knapp mehr als einem Jahr hat er auch die Chance, mit der zweifachen Olympiateilnehmerin und Tochter des ehemaligen chinesischen Nationalteam-Trainers Li Quiangbing zu trainieren.

So muss er nicht ständig nach Wels zum Training pendeln. Es spielt die Matches der zweiten Bundesliga hauptsächlich im Osten Österreich in Wien, Niederösterreich, Burgenland, der Steiermark und teilweise schon auch in Oberösterreich.

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Zum Sensationsspiel geht Julian Rzihauscheks gegen Antoine Doyen geht es hier

Erstveröffentlicht im Kinder-KURIER

Petr Hodina, 12, bei einem seiner Champions-League-Matches

Zweiter 12-jähriger Sensationsspieler übersiedelte extra nach Österreich

Der zweite Sensations-Spieler der Spielgemeinschaft Wels beim jüngsten Champions-League-Turnier war der ebenfalls erst 12-jährige Petr Hodina. „Vor dem ersten Champions-League-Spiel war ich schon sehr nervös“, vertraut er dem Kinder-KURIER in einem Telefon-Interview an. „Das war dann schon beim zweiten Match nicht mehr so schlimm und beim dritten gar nicht mehr.“

Petr Hodina kam mit sieben Jahren zunächst zufällig zu diesem Sport. „Mein Opa hat einen Tischtennis-Tisch. In den Ferien hab ich mit meinem Bruder und Cousins gespielt, es hat mir Spaß gemacht. Dann hab ich im Herbst angefangen bei einem Verein in Prachatice zu trainieren – einmal in der Woche war das. Damals hab ich aber auch noch Fußball gespielt und Yoga gemacht.“

Petr wurde im Tischtennis immer besser, „deswegen hat es mir auch noch mehr Spaß gemacht und ich hab zuerst mit Yoga aufgehört. Ich bin dann auch oft zu Turnieren in Nachbarländer gefahren – nach Österreich, Ungarn, in die Slowakei, aber auch nach Dänemark.“

Viel gependelt

Sein tschechischer Heimatort ist nicht weit entfernt von dem viel bekannteren Český Krumlov und das wiederum nahe der Grenze zu Österreich. Richard Györi, sein vormaliger Trainer und Mann an der Seite seiner Mutter, der den jungen Tischtennisspieler überall hin begleitete, knüpfte vor allem in Österreich Kontakte zur heimischen Szene. Immer öfter pendelte Petr Hodina dann auch zu Trainings nach Oberösterreich, wo die Trainer von seiner Hochklassigkeit angetan waren. Nach und nach wurde der Plan einer Übersiedlung geboren.

„Schon im vorigen Schuljahr war ich zuerst zwei, drei Tage in der Woche Gastschüler in Linz im Georg von Peuerbach-Gymnasium. Am Anfang war das schwierig, ich hab zwar auch in Tschechien in der Schule Deutsch, aber das waren nur so Grundkenntnisse.“

Während des ersten Lockdown samt entsprechenden Reisebegrenzungen besuchte Petr Hodina die Schule, samt Home-Schooling nur in seinem – ersten – Heimatland. Seit diesem Herbst lebt er von Montag bis Samstag mit Richard in Linz, Mittwoch spätnachmittags kommt auch seine Mutter, die die erste Wochenhälfte bei Petrs 15-jährigem Bruder in Tschechien lebt, Samstag nach dem Training fahren alle drei nach Tschechien, wo Petr Zeit mit seinem Bruder und den Großeltern verbringen kann.

Tägliches Training, aber auch Schule

Schon lange steht Tischtennis-Training täglich auf dem Plan – „drei Stunden jeden Tag außer Sonntag. Aber an erster Stelle muss die Schule, die Ausbildung stehen, auch wenn ich manchmal nicht so ganz will“, gesteht Petr den doch dringenden Wunsch seiner Mutter und von Richard. Schön langsam ist er in Österreich eingewöhnt, „je besser ich Deutsch kann, desto mehr Freunde habe ich.“

Vom Journalisten nach seinen Zielen gefragt, meint Petr Hodina: „Profi und in der Weltspitze spielen!“

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Erstveröffentlicht im Kinder-KURIER.