Kinder Jugend Kultur und mehr - Logo
Kinder Jugend Kultur Und mehr...
Szenenfoto aus "So nah wie nie zuvor"

Tanzend (soziale) Distanz überwinden

Weiß. Alles weiß – der Boden, die Wände, das Licht. Sozusagen wie ein unbeschriebenes Blatt Papier bietet sich die Bühne im Stück “So nah wie nie zuvor” dar – und an.

Dann taucht von links (aus Publikumssicht) eine der beiden Schauspielerinnen/Tänzerinnen (Jolyane Langlois) auf, freundlich lächelnd winkt sie mit einer Hand ein Hallo ans Publikum. Und verschwindet wieder. Auf der anderen Seite erscheint eher zögerlich und schüchtern ihre Kollegin Elda Gallo, um beide Hände zaghaft von den Beinen weg nicht einmal bis zur Körpermitte zu heben.

Das Bewegungsspiel der beiden wiederholt sich x-Mal, jedoch mit wechselnden erst kleinen Accessoires wie Brillen und dann fast Unmengen an Kleidungsstücken (Kostüme: Gudrun Lenk-Wane). Gleich bleibt das Auftreten – cooler und forscher die eine, schüchterner die andere. Obwohl Letztere als erste den Mut hat, sich sogar in einem Badeanzug-Zweiteiler zu präsentieren.

Wie rankommen an Annäherung?!

Keine scheint von der anderen Notiz zu nehmen – obwohl sie natürlich exakt getimt und aufeinander abgestimmt jeweils aus ihren Umkleidekabinen die Bühne entern. Wie Kontakt mit anderen aufnehmen, miteinander kommunizieren – unter Bedingungen des verordneten „Social Distancings“ und halb verhüllter Gesichter wie es fast drei Jahre an der Tagesordnung war. Das – so ist dem Begleitmaterial zu entnehmen -, bildete den Ausgangspunkt für das Stück (Konzept, Choreografie: Gat Goodovitch Pletzer). Gegen Ende der Weihnachtsferien feierte es vielumjubelte Premiere im Dschungel Wien – die erste Aufführungsserie folgt gegen Ende Jänner – siehe Infobox.

Laaaanges Zögern

Das erste Fast-Aufeinandertreffen der beiden – ein punktgenaues knapp aneinander Vorbeischrammen findet erst nach 20 – von insgesamt 50 Minuten statt. Fünf Minuten danach beginnen die beiden ihre ersten synchronen Bewegungen zu Klängen des Ohrwurmsongs „Where do I begin“ aus dem Film „Love Story“ (mehr als 50 Jahre alt) – auch da noch ohne einander anzuschauen. Was sich allerdings in den nächsten Minuten ändert – erste Blicke aufeinander samt Berührungen.

Und dennoch bleibt das Zögerliche, das Zurücktreten, das Unsichere nicht überwunden. Ja es erfolgt sogar ein heftiger Bruch. Dunkel. Stille. Die beiden sind hinter ihren Wänden verschwunden. Leere – die das Publikum mit eigenen Bildern und Gedanken füllen kann. Bevor es ins Finale von „So nah wie nie zuvor“ geht, in dem erstmals auch Worte fallen – über Anfänge und was Eda Gallo alles als erstes einfällt oder sie unternimmt.

Näherkommen

Der lange Weg, einander näher zu kommen wird von den beiden noch erweitert – in Richtung Publikum. Abwechselnd sprechen und spielen sie Zuschauer:innen individuell an – in der Regel in Form von Komplimenten über Haare, Schuhe oder Sitzhaltung mit Vermutungen über Lese- und andere Freudigkeiten oder mit spiegelndem Augenspiel und Mimik. Da beginnt das Publikum bei der Premiere auch aufzutauen und zu reagieren, während auf das Hallo-Winken zu Beginn lediglich ein einziger (der Rezensent) reagierte. Was sich aller Voraussicht nach bei den Vormittagsvorstellungen im Rahmen der Aufführungsserie mit vielen Kindern im Publikum ändern dürfte 😉

PS: Bei er Verbeugung nach der Premiere – in der in der Regel neben den Akteur:innen auf auch die mitwirkenden hinter der Bühne sich Applaus abholen, fehlte Gat Goodovitch Pletzer, die das Konzept fürs Stück entwickelt hatte und die Show choreografierte. Sie brachte wenige Stunden vor der Premiere ihr Kind zur Welt – so nah wie nie zuvor!

Follow@kiJuKUheinz