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Szenenfoto aus "F*ing hot!"

Voll Witz und Energie ein Tabu spielerisch zertrümmert

Eineinhalb Stunden volle Power. Grischka Voss springt, läuft, tanzt, singt, schreit, erklärt, „schwitzt“, „entfettet“, rockt schlicht und ergreifend die trapezförmige Bühne zwischen den beiden schräg angeordneten Publikumsreihen im größeren Saal des Theaters Drachengasse in der Wiener Innenstadt. Und straft damit all jene Vorurteile Lügen, die sie in ihrem Stück „F*cking hot!“ anführt und auseinandernimmt, nein zertrümmert – mit Argumenten, vor allem aber mit ihrem fulminanten energiegeladenen Spiel(witz) auf den beiden Bühnenhälften – die eine Spiegelfläche am Boden und der angrenzenden Wand, die andere Kunstrasen ebenfalls horizontal und vertikal (Bühne, Kostüme: Ágnes Hamvas).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „F*ing hot!“

Tabuthema

Es geht um die Frau in den „Wechseljahren“, die vielfach nicht mehr so richtig als Frau wahrgenommen wird. Statt alter, weiser Frau eher „nicht mehr funktionstüchtig“, weil „nicht mehr gebärfähig“. Die Protagonistin namens Amanda – den schriftlichen Infos zufolge, im Stück aber nie genannt – startet mit einer Krise. Weil sie sich nun in den Wechseljahren befinde, habe ihre Lebenspartnerin Gerda sie verlassen, dabei ist diese eine Gynäkologin.

Aber der Lebensabschnitt von Frauen in der Phase von Klimakterium, Menopause, also den Wechseljahren, sei zu einem Tabu geworden, werde auch wissenschaftlich kaum erforscht – wofür die Schauspielerin irgendwann mit einem durchsichtigen Sparschwein eine Crowdfunding-Kampagne startet.

Trotz vieler Informationen, Ansprechen und Widerlegen von gängigen Klischees ist der Abend nicht nur von unheimlicher Spielfreude und Energie gekennzeichnet, sondern von sehr viele Humor und Witz (Regie: Grischka Voss selbst gemeinsam mit Kristina Bangert, Choreografie: Peter Beil, Musik: Lonesome Andi Haller).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „F*ing hot!“

Graphic Novel von einer Zuschauerin

Den Hintergrundinfos zum Stück ist zu entnehmen, dass Grischka Voss in der Recherchephase viele Gespräche mit Frauen – zwischen 37 und 78 Jahren – „über ihre Erfahrungen und Gedanken zum Thema Klimakterium, weiblicher Körper, Frausein und Sexualität. Ausnahmslos beschrieben meine Gesprächspartnerinnen ein Gefühl der Unsichtbarkeit, der Scham und der Geschlechtslosigkeit/Asexualität, als hätte man ihnen mit dem Ende der Menstruation und der Fruchtbarkeit das Frau-Sein genommen und damit einen Teil ihrer Daseinsberechtigung“.

Im übrigen gesteht sie, dass der Ausgangspunkt für dieses Stück eine Zuschauerin nach einem früheren ihrer Stücke in der Drachengasse gewesen sei, „die mir … nach einer Vorstellung von „Bulletprof“ eine Graphic Novel schenkte, mit der Bitte, ich solle als nächstes ein Stück über das Klimakterium machen, das sei ein noch viel größeres Tabu. Ich – damals 51 – dachte mir aha und legte „Francine und die total heiße Phase“ auf den Stapel für zu lesende Bücher…“

Das tat sie in der Zwischenzeit, recherchierte viel – neben Gesprächen auch viel Lektüre, stieß dabei u.a. auf Berichte über die Insel Orango vor Guinea-Bissau (Westafrika), wo Frauen das Sagen haben und baute daraus das ernsthafte und doch so witzig-explosive Stück, mit dem sie zeigt: Nix da Ausgedinge, altes Eisen, sondern heiße Fegerin! Die Wechseljahre seien vergleichbar mit der Pubertät: Körperliche Veränderungen, die für viel Unsicherheit sorgen.

Zum stimmungsvollen Abschluss singt Grischka Voss eine Hymne auf Okinka Pampa (von 1910 bis 1930 die letzte Königin der Insel Orango – laut einem Spiegelbericht wurde sie „Königin des Friedens“ genannt, „hat die Sklaverei abgeschafft, Frauenrechte gestärkt, mehrere portugiesische Kolonialisierungsversuche abgewehrt und schließlich einen Friedensvertrag mit den Portugiesen ausgehandelt. So blieb die Insel weitestgehend von der Kolonialherrschaft verschont. Und die Königin wurde zur Heldin, zum Rollenvorbild für Generationen.“

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „F*ing hot!“

Niemand will alt werden/sein, aber lange leben

„Heute ist es ein Skandal, wenn man so aussieht, wie man alt ist. Und deshalb sind die Wechseljahre der Frau, aber auch die des Mannes – die Andropause – so ein gigantisches Tabu“, sagt Voss einmal im Stück. Wobei, so neu ist das Phänomen nicht, denn schon Johann Nepomuk Nestroy wird folgendes Zitat zugeschrieben: „Ja, lang leben will halt alles, aber alt werden will kein Mensch.“ In verkürzter Form steht es an der Fassade des Senior:innen-Wohnheims am Kabelwerk (Wien-Meidling).

Schriftstellerinnen über „wechselhafte Jahre“

Übrigens erscheint in einem Monat das Buch „Wechselhafte Jahre – Schriftstellerinnen übers Älterwerden“, herausgegeben von Bettina Balàka mit Teten u.a. von Marlene Streeruwitz, Katja Oskamp, Barbara Frischmuth, Sabine Scholl, Zdenka Becker, Renate Welsh und der Herausgeberin selber (Leykam Verlag).

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Zum Spiegel-Artikel über Orango und Okinka Pampa

Griscka Voss in „Die kleine Hexe“ im Dschungel-Wien -> KiKu-Bericht