Aktuelle Jugendwertestudie: Umwelt ist für Jugendliche dennoch deutlich wichtiger als für Ü30. Zeitungen werden kaum noch gelesen.
Die ständig steigenden Preise sind auch die größten Sorgen junger Menschen in Österreich zwischen 16 und 29 Jahren. Danach kommt die Angst vor Krieg und an vierter Stelle der Klimawandel. Das sind die zentralen Ergebnisse der aktuellen Jugendwertestudie unter der Leitung von Bernhard Heinzlmaier und Natali Gferer, die Ersterer diese Woche bei einem Mediengespräch vorstellte. Befragt wurden – online – 800 junge Menschen im Frühjahr 2023, gewichtet nach Geschlecht, Alter, Bildung – und auf Nachfrage von KiJuKU auch nach Migrationshintergrund.
Bei den schon genannten – und weiteren – wichtigsten Zukunftssorgen zeigen sich mit Ausnahme von Teuerung, Inflation und Krieg schon in der Reihenfolge deutliche Unterschiede zwischen jungen und älteren Menschen. Während die Jugend (gilt in vielen Bereichen bis 30 Jahre) Klimawandel und Umweltkatastrophen als viertes bzw. sechstes Problem, das sie sorgt, nennen, rangieren diese Themen in der Gesamtbevölkerung auf Platz 8 und 9 unter den Top-10. Die Älteren sind über Zuwanderung und Flüchtlinge mehr besorgt, was bei den 16- bis 29-Jährigen eine untergeordnete Rolle spielt.
Psychische Gesundheit nannten die Älteren gar nicht als vorranging, während diese den Jüngeren Sorgen im Spitzenfeld bereiten – interessantes Detail: Fast doppelt so viele junge Frauen nannten mental health als großes Problemfeld. Übrigens auch den Klimawandel nannte fast die Hälfte der weiblichen Jugend als wichtige Sorgen, während es bei ihren männlichen Alterskollegen nur ein Drittel sind.
Heinzlmaier liest aus den vielen Zahlen der Studie einen Widerspruch zwischen Anspruch und realem Verhalten heraus, weil viele Jüngere zwar der Umwelt hohen Stellenwert beimessen, aber auf die Frage nach dem Fortbewegungsmittel für Urlaubsreisen mehr als sechs von zehn (61,2%) als wichtigste Entscheidungsgrundlage „preisgünstig“ nannten. Wenn aber die Teuerung die größte Sorge ist, weil immer mehr mit dem eigenen Einkommen nicht auskommen, dann liegt wohl diese Wahl auf der Hand.
Neben den größten Sorgen erhebt die regelmäßige Jugendwertestudie die Einstellungen junger Menschen in etlichen Bereichen, so ist jungen Menschen ein gutes Arbeitsklima im Job wichtiger als gute Bezahlung, dass Lehre eine gute Berufsperspektive biete, glaubt hingegen nur ein Drittel, obwohl aufgrund des Fachkräftemangels die Chancen sicher gut stünden. Die Teuerung schlägt sich auch in den Antworten zu Fragen rund ums Wohnen nieder. Fast zwei Drittel der befragten 800 jungen Menschen meinen, dass es für sie „immer schwerer wird, eine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus zu kaufen“ bzw. „für junge Familien wird es immer schwieriger, leistbaren Wohnraum zu finden“.
Seit 30 Jahren forscht Bernhard Heinzlmaier im Bereich Jugend, das habe sich anfangs nach dem Studium rein zufällig ergeben, verrät er Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… in einem kurzen Interview. Abseits der Zahlen der Jugendwertestudie die er als einen Hang junger Leute zu einem starken Pragmatismus interpretiert, wollten wir folgendes wissen:
KiJuKU: Was hat dich in diesen drei Jahrzehnten am meisten überrascht hat, wie sich Werte Jugendlicher verändert haben?
Bernhard Heinlzmaier (B.H.): „Wenn ich zurückblicke, ist eigentlich die massivste Veränderung die Medienrevolution. Am Anfang kamen auf die Frage, wer benutzt das Internet vielleicht 14 Prozent und jetzt ist es das wichtigste, das bestimmende Medium.
Fragen wie Elternbindung und andere schwanken in einem gewissen Korridor, aber der Medienkonsum ist natürlich ganz anders geworden.
KiJuKU: Da gab es ja anfangs die Hoffnung, dieses Medium könnte ein Weg zu viel mehr Demokratie sein – mit der Aufhebung zwischen Medienproduzent:innen und -Konsument:innen?
B.H.: Musste sich als Illusion erweisen, denn wer nimmt denn dann in Anspruch, selber zu produzieren. Das ist dann wiederum eine Elite, so ungefähr zehn Prozent, der Großteil konsumiert auch hier passiv. Da wurde das Potenzial der kreativen Menschen wie so oft überschätzt.
KiJuKU: Naja, es gibt schon viele Jugendliche, die eigene YouTube- oder TikTok-Clips produzieren und ins Netz stellen.
B.H.: Sicher größer, weil es technisch einfacher und kostengünstiger geworden ist, aber nach wie vor eine Minderheit.
KiJuKu: Was wäre kurz gefasst aus der Jugendwertestudie dein Tipp an die Politik?
B.H.: Jetzt gibt’s ja diese große Diskussion um „normale“ Menschen was sicher ein unglücklicher Begriff ist, aber es ginge schon darum, sich mehr um die Probleme der gesellschaftlichen Mitte zu kümmern. Da spielen Teuerung, Inflation, Krieg, Armut eine große Rolle und auf das sollte man sich mehr ausrichten. Und das wird zu wenig gemacht und deswegen ist die Politikverdrossenheit groß.
Weil im kurzen Interview Mediennutzung eine zentrale Rolle spielten hier auch noch einige Daten aus der Online-Umfrage unter den 16- bis 29-Jährigen:
Fast neun von zehn (87,9 %) gaben auf die Frage nach regelmäßigen Freizeitbeschäftigungen „im Internet surfen“ an, gefolgt von Musik hören (83,8 %). Fernsehen nannten immerhin noch fast sechs von zehn der befragten 800 jungen Menschen. Einige weitere ausgewählte Nennungen: Bücher lesen (31,5%), eBooks lesen (19,9%); Tageszeitungen las knapp ein Viertel online (23,3 Prozent), gedruckt nur 17,5 % was immerhin noch vor Hörbüchern (14,9 %) rangierte gefolgt von gedruckten Magazinen bzw. Zeitschriften (13,9%).
Präsentiert wurden aus der um rund 3000 Euro (ohne Mehrwertsteuer) erhältlichen Vollversion der Studie von T-Factory Trendagentur in Kooperation mit dem Institut für Jugendkulturforschung auch noch Zahlen zur Nutzung von Zeitungen und Magazinen – hier im Vergleich zwischen Gesamt- und junger Bevölkerung und bei letzterer aufgegliedert in mit niedriger/mittlerer bzw. höherer formaler Bildung (Abschlüsse). Während bei den über 30-Jährigen mehr als vier von zehn zur Kronenzeitung greifen, ist es bei der Generation Z nur ein Viertel, beim Standard fast ein Drittel (31,7% – bei höherer Bildung sogar 36,9%). Zu Profil und Falter greifen jeweils 16 bzw. 15,3 Prozent der 16- bis 29-Jährigen, wobei jeweils überraschenderweise ein bisschen mehr mit niedrigerem formalem Bildungsabschluss.