„Biofabrique“ setzt Klimabiennale fort und produziert Baustoffe für Aufenthaltsbereich der Vienna Design Week im September – Lokalaugenschon von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…
Karoline zerreibt lehmige Erde in einem Mörser zu kleinen Teilen. Ihre Architektur-Studienkolleginnen Marlene und Julia von der Technischen Uni Wien (TU) schlagen mit Hämmern auf gröbere Lehmteile, um sie zu zerkleinern. Später müssen selbst die gemörserten kleinen Stück noch durch ein Sieb weiter verfeinert werden. Gleiches machen sie – und andere Student:innen mit Ziegelsplitt.
Hier auf dem Areal des ehemaligen Nordwestbahnhofes in Wien-Brigittenau (20. Bezirk) wo bis Mitte Juli 100 Tage lang ein Teil der ersten Klima-Biennale stattgefunden hat, wurde in Lehrveranstaltungen mit vielen Studierenden der TU an verschiedenen Mischungen für Ziegel experimentiert.
Aus diesen „Freilandversuchen“ in Lehrveranstaltungen – natürlich gepaart mit vorheriger Recherche aus internationaler Literatur und anderen Praxis-Erkenntnissen – wurden drei Typen von Baumaterialien entwickelt, die nun zu Hunderten Stück produziert werden – für die Festivalzentrale der 18. Vienna Design Week. Die findet dieses Jahr (20. bis 29. September 2024) in Wien Landstraße statt (Docks der Quartiersentwicklung Village im 3. Bezirk – zwischen Adolf-Blamauer-Gasse und Landstraßer Hauptstraße).
Da ist zum einen Typ in herkömmlicher Ziegelform, der im Verhältnis 3 zu 2 aus fettem Lehm-Aushub von Baustellen der U2XU5 sowie aus Splittern gebrannter Ziegel von der Firma Wienerberger gemischt, geformt und gepresst wird. Jaques verrührt mit einer Art überdimensioniertem Stabmixer diese Massen. Sowohl er als auch Emma schütten diesen Mix dann abwechselnd in eine Metallform bis zum Rand hin an. Hinter ihnen steht eine mechanische Presse. Von oben drückt – per Hebel – eine Metallplatte auf die Form, Flüssigkeit rinnt unten seitlich aus. Optimal errechnete Druckstärke: Fünf Tonnen. Dann stürzen sie den jeweiligen Ziegel aus der Form, stellen ihn auf der schmalen Längsseite auf – und lassen ihn tagelang trocknen.
„Jahrtausende lang haben Menschen aus ungebrannten Ziegeln Häuser gebaut“, erinnert Thomas, Lehrender an der TU für experimentelle Materialien aus regionalen Ressourcen aus Abfällen und Nebenprodukten, an wieder verschüttet gegangenes Erfahrungs-Wissen. In Deutschland, so ergänzt er im Gespräch mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… dürfen aus derartigen Ziegeln mittlerweile sogar bis zu viergeschoßige Wohnbauten errichtet werden.
Einige Paletten solcher Ziegel – die einen noch dünkler, weil feuchter, die anderen schon trockener und damit heller – stehen in dieser Halle. In einer anderen Ecke finden sich Ziegel, die an aus vielen Kinderzimmern bekanntere „Bricks“ erinnern – mit zwei Noppen oben. In dem Fall unten aber gegengleich zwei ebensolchen Löchern. Diese Ziegel sind aus anderen Abfällen, also auch ein Re- bzw. eigentlich Up-Cycling-Produkt: Aus Zuckermelasse und Treber-Saft, Überbleibseln der Produktion der Bäckerei Ströck bzw. der Bier-Herstellung von Ottakringer und zugemischt als Art Haltbarkeits„kleber“ Holzwolle.
Dritter Baustoff, der für den Aufenthaltsbereich (Kaffeehaus und Workshops) bei der diesjährigen Vienna Design Week, die immer als Zwischennutzung oder in leerstehenden Gebäuden Handwerkliches und Künstlerisches Können der Bundeshauptstadt zeigt, sind Reis-Paneele. „Aus Reishülsen und Mehl gepresste Schall- und Wärmedämm-Platten; Reishülsen sind übrigens von Natur aus nicht brennbar“, zeigt und erklärt Alice, eine der Beraterinnen für die Kreativwirtschaft bei der Wirtschaftsagentur Wien dem Journalisten.
Diese Art Katalysator-Organisation durch Förderung und Beratung von Start Ups bis eben zu kreativen Bereichen der Wirtschaft sehr oft auch mit dem Gedanken der Nachhaltigkeit hat im Rahmen der Klima-Biennale die Biofabrique als Pilotprojekt gemeinsam mit Atelier LUMA und dem Institut für Architektur und Entwerfen der TU Wien ins Leben gerufen.
„Nach dem Motto Material ist schwer und sollte lokal bleiben, Ideen sind leicht und können/sollen reisen soll einerseits international Know-How abgefragt, hier Wissen aufgebaut werden, um Prototypen rasch zu entwickeln und in die Wirtschaft zu implementieren, damit Kreislaufsystem in Anwendung kommen und nicht immer im Theoretischen bleiben“, bringt die Expertin in Sachen wirtschaftsnaher Umsetzung die praxisnahe Idee auf den Punkt.
Wirtschaftsbetriebe stehen sozusagen an beiden Enden: Zum einen wie das Beispiel dieser Ziegel und Paneele als Lieferanten von Material, das sie wegwerfen (würden) und andererseits als Abnehmer von Produkten, die aus ersteren re- bzw. viel mehr upge-cycelt werden.
Für den nunmehrigen Zweck, den Aufenthaltsbereich der Design Week und natürlich möglichst vieler weiteren Nutzungen werden von den verschiedenen Ziegeln nur einige Hundert Stück gebraucht, die jetzt händisch hergestellt werden. Bei Massenproduktion würde – mit entsprechenden Partnerunternehmen sicher Maschinen eingesetzt. „Letztlich wäre es schon das Ziel, dass die Biofabrique in Autonomie eine eigene wirtschaftliche Einheit wird – pro Aufgabe angepasste Lösungen anbietet und entsprechend bezahlt wird, so die Wirtschaftsagentur-Fachfrau. Und dies solle auch ein beispielhaftes Geschäftsmodell rund um zirkuläres Wirtschaften aufzeigen als Angebot von Know-How-Partnern für Industrie und Wirtschaft.“ Immerhin gehört gerade die Bauwirtschaft (noch?) zu großen Klimasündern.