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Szenenfoto aus "Aberland"
Szenenfoto aus "Aberland"
21.11.2022

Keine Spur von halbe-halbe

„Aberland“ nach dem gleichnamigen Roman als fast ständig in Bewegung befindliches Zwei-Personen-Stück derzeit im Wiener Kosmos Theater zu (noch immer) vorherrschenden Geschlechterverhältnis vor allem bei der Care-Arbeit.

Franziska und Elisabeth – Tochter und Mutter – entern das eine Ende (warum gibt es eigentlich zwei Enden, aber nie mehrere Anfänge?) des Bühnenraums zwischen den beiden Publikumstribünen. Gegenüber stehen rot gefärbte unterschiedlich hohe offene Kästen mit plüschigen Rändern und Innenflächen – angeordnet in einem Halbrund wie Treppen. Hinunter ins Wasser eines Schwimmbades? Die beiden Frauen recken ihre Arme, als hätten sie eben einen Wettbewerb im Bodenturnen beendet. Beide in zebra-artig gemusterten Overalls.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Aberland“

50/50?

Die Kostüme der beiden Schauspielerinnen – Maria Fliri und Helga Pedross – spielen in „Aberland“ (derzeit im Wiener Kosmos Theater, siehe Infoblock) an auf die Dissertation Franziskas über die Auswirkung giftiger kleinster Teilchen auf Zebrafisch-Embryonen. Nach Aufenthalten auf Forschungsschiffen und Experimental-Reihen im Labor kommt sie nicht und nicht dazu, ihre Doktor:innen-Arbeit mit der Auswertung der Untersuchungsergebnisse abzuschließen. Heirat, Kind, aus den 50/50 wie vereinbart ist eher ein 10/90 geworden. Der Mann muss ja seine ganze Energie dem eigenen Job widmen. Außerdem, wenn er im Haushalt was angreift, kann er es auch nie recht machen; räumt der doch glatt Teller schräg in den Geschirrspüler…

Keine Besserung in Sicht

Die Nicht-Gleichberechtigung insbesondere bei der nicht-bezahlten, der Care-Arbeit, pflanzt sich über Generationen hinweg fort. Da hat sich nichts bis kaum was geändert. Tochter und Mutter schildern eine Situation nach der anderen, vom Kindergarten- über Geburtstags- und andere Feste bis zum Alltag. Die Texte sind 1:1 aus dem gleichnamigen Roman von Gertraud Klemm (2015), nur deutlich gekürzt (auf ca. 1/3), kompakt in 1 ¼ Stunden. Und die beiden Schauspielerinnen (Regie: Barbara Herold) treffen genau den Ton der Autorin. Sie selbst war bei der Wien-Premiere höchst zufrieden mit dem Stück – „Alles Wesentliche drinnen“, ließ sie die Umstehenden hören.

Detailgenau

In einem Mix aus Beiläufigkeit und detailverliebter Beschreibung von Äußer- und Innerlichkeiten ebenso wie oft auch von Gerüchen, schildern Franziska und ihre Mutter Elisabeth unaufgeregt – fast immer wie aus einer Beobachterinnenposition – gleichwertig über den Frust, kaum dazu zu kommen, die eigene Diss fertig zu schreiben wie die Gespräche nackter Frauen im Sonnenbad über die Krankheiten ihrer Ehemänner. Den Schädlingsbefall von Bäumen im Garten genau so wie den sich zufällig ergebenden Seitensprung mit einem Künstler. Den Streit des eigenen Kindes mit den Zwillingen der Verwandten. Frust wie Lust – auf nichts wird draufgedrückt – es steht für sich selbst – und kann damit – noch dazu immer wieder gewürzt mit bitterbösem Humor – Leser:innen bzw. im Stück Zuschauer:innen in die Situationen hineinziehen. Auch wenn die Autorin recht autofiktional schreibt, sind viele der Szenen fast exemplarisch – wenngleich in der oberen Mittelschicht angesiedelt.

Ständiger Bühnen-Umbau

Im Stück schieben, heben, wenden und wuchten die beiden Schauspielerinnen praktisch die gesamte Zeit die eingangs beschriebenen Quader (Bühne & Kostüm: Caro Stark) hin, her, neben- und übereinander. Da werden die mal Treppen zum Erfolg, dann wieder Tisch und Bänke, Künstleratelier, Bar oder was auch immer gerade die Szenerie erfordert.

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Titelseite des Buchs
Titelseite des Buchs „Aberland“ von Gertraud Klemm
INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Aberland

nach dem Roman von Gertraud Klemm, bearbeitet für das Theater von Barbara Herold
1 ¼ Stunden

Regie: Barbara Herold
Es spielen:
Franziska: Maria Fliri
Elisabeth, ihre Mutter: Helga Pedross

Bühne & Kostüm: Caro Stark
Choreografie: Anne Thaeter
Regieassistenz: Malin Alexandersson

Aufführungsrechte bei Felix Bloch Erben GmbH & Co. KG, Berlin, im Auftrag für Literaturverlag Droschl

Wann & wo?

Bis 23. November 2022

Kosmos Theater Wien
1070, Siebensterngasse 42
Telefon: 01 523 12 26
kosmostheater -> aberland

8. März (Internationaler Frauentag) 2023
Theater Kempten (Deutschland)
87435, Theaterstraße 4
Telefon: 0049 831 870 232
theaterinkempten.de

Das Buch

Gertraud Klemm
Aberland
150 Seiten;
Literaturverlag Droschl Graz – Wien 2015
19 €
Zu einer Leseprobe geht es hier