Die Gruppe „Das Planetenparty Prinzip“ inszeniert eine rund einstündige Performance über Geschichte(n) der Todesstrafe in Österreich.
Die später heftige Performance mit einem fast unaushaltbaren Ende beginnt mit einer harmlosen Wanderung von der Spinnerin am Kreuz (fast) am südlichen Ende Wiens durch den George-Washington-Hof, einer der großen, vielteiligen Gemeindewohnhausanlagen aus dem Roten Wien, aus den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Die Wanderung zu „Am Galgen“ des Kollektivs „Das Planetenparty Prinzip“ endet beim ehemaligen Waschsalon. Dahinter über der Straße hohe gläserne Finanzkapital-Türme. Die stehen da wie historische steinerne Galgen im Wald von Birkfeld wo die Gruppe die erste Aufführung ihres Stücks über einstige Todesstrafen samt Massenbelustigung spielte.
Der einstige Waschsalon – ein leicht versenkter kahler, großer, kühler (Achtung, warme Kleidung mitnehmen!) Raum: In der Mitte zwischen zwei Säulen eine hölzerne Tribüne mit Galgenkonstruktion und Stricken an Gummizügen (Bühne, Kostüm, Ausstattung: Rosa Wallbrecher). In diese hängen sich die vier Schauspieler:innen Leonie Bramberger, Nora Köhler, Moritz Ostanek, Nora Winkler mit Klettergurtvorrichtungen, die es ihnen erlauben sich gegenseitig aber auch selbst so aufzuhängen, dass es optisch wirkt, als würden sie wirklich hingerichtet worden sein. So hängen sie mal, baumeln „Am Galgen“, dann wieder vollführen sie in dieser Körperhaltung fast „Totentänze“, dann lässt sich die eine oder der andere als „Leiche“ zu Boden fallen.
Nach anfänglichem fast gespenstischem Schweigen mit hintergründiger Musik (Robert Lepenik) erzählen sie – von der Hinrichtungsstätte bei der Spinnerin am Kreuz, die am Ende spektakulärer Kriminalfälle wie jener der Theresia Kandl (siehe Link zur Besprechung des seinerzeitigen Stationentheaters über die Gattenmörderin am Ende des Beitrages), zehntausende Zuschauer:innen zu einem spektakulären Fest anlockte. Und über viele andere Fälle – und auch Arten – von vollzogenen Todesstrafen, wie sei über Jahrhunderte auch in Österreich üblich waren. Die meisten in dem einstündigen Stück vorkommenden staatlich Ermordeten sind anonymisiert und exemplarisch erzählt: Von reumütigen Sünder:innen, die auch dieses Schcksal als gerechte Strafe empfanden über selbst in den letzten Lebensminuten Widerständige – vielleicht auch weil sie unschuldig waren bis zu einem besonders tragischen Fall eines Jugendlichen, für den sogar eine richterliche Begnadigung einlangte – um Minuten zu spät nach vollstreckter Hinrichtung.
Das Stück (Regie: Siomon Windisch) erzählt auch davon, dass die meisten Leichen unmittelbar in der Nähe der Dutzenden Hinrichtungsstätten in ganz Österreich vergraben worden sind – die Wohnhausanlage somit auch den Gebeinen Hunderter, vielleicht Tausender steht. Und hat auch in der Steiermark schon praktisch unter noch stehenden Steinsäulen von Galgen gespielt. Das umfangreiche Begleitheft listet auch die unterschiedlichen Todesarten – samt den Delikten für die sie verhängt worden sind – auf.
Der „verhängte“ Tod, der fast fünf Dutzend Menschen zu Leichen machte, wird szenisch erzählt – etliche kommen nur stakkatoartig angeführt vor. Makaber endet die Performance mit dem Abgang von drei der Schauspieler:innen und dem (zu) lange alleinigen Hängen von Nora Köhler im Übergang von Licht zu Dunkel. Der Applaus nahezu unmöglich macht und dann doch einen Großteil des Publikums Beifall klatschen lässt – womit sich der Bogen zum seinerzeitigen Spektakel bei Hinrichtungsstätten schließt – bis die drei Kolleg:innen doch wieder erscheinen und auch die vierte wieder abgehängt sich verbeugen kann.
Vielleicht löst aber gerade dieses Ende auch ein Nachdenken über eigenes spontanes Applaudieren aus – und darüber hinaus über die Tatsache, dass es noch immer in etlichen Ländern auf der Welt die Todesstrafe gibt – staatlich verordneter Mord. Und in den USA überdies sozusagen eine Art privater Todesstrafe über die „Stand your Ground“-Regel wonach (vermeintliche) Einbrecher:innen auch erschossen werden dürfen.
Stückbesprechung über Stationentheater Fink über Theresia Kandl -> damals im KiKu
Das Planetenparty Prinzip
Performance
Regie: Simon Windisch
Performance: Leonie Bramberger, Nora Köhler, Moritz Ostanek, Nora Winkler
Musik: Robert Lepenik
Bühne, Kostüm, Ausstattung: Rosa Wallbrecher
Bühnenassistenz: Natalie Pinter
Produktionsleitung: Christina Vanek, David Valentek
Dramaturgie: David J. Wimmer
Regieassistenz: Carmen Schabler
10. und 11. Mai 2023
Treffpunkt: 20 Uhr, Spinnerin am Kreuz: 1100, Triester Straße 54