Erfolgs-Theaterstück und -Film „Die Nervensäge(n)“ mit weiblichen Hauptrollen im Theater Forum Schwechat.
Original als Theaterstück vor mehr als 50 Jahren geschrieben, vielfach aufgeführt und mehrfach – sehr erfolgreich – verfilmt, bringt das Theater Forum Schwechat Francis Vebers „Le Contract“ als „Die Nervensäge(n)“ nun erstmals in einer weiblichen Version auf die Bühne. Obendrein darf/kann/soll/muss das Publikum – vor Beginn der Vorstellung (rund zwei Stunden, inklusive einer Pause) – entscheiden, ob es ein gutes oder böses Ende sehen will.
Zunächst kürzest zusammengefasst die Story: Zwei Hotelzimmer in Nizza nebeneinander. In einem hat sich eine Profikillerin (im Original ein Mann) einquartiert, um vom Fenster aus einen Verbrecher zu erschießen. Der soll aus dem Gefängnis ins Gerichtsgebäude gegenüber gebracht werden, um in seinem Prozess auszusagen. Davor zittern dessen Hintermänner weswegen sie ihn zum Schweigen bringen woll(t)en. Bei diesem Vorhaben wird die Auftragnehmerin andauernd durch die Zimmernachbarin, eine Fotografin, gestört. Die will sich aus unglücklicher Liebe umbringen. Ihr Mann hat sie wegen einer Psychiaterin verlassen (auch hier die Rollen geschlechtermäßig ausgetauscht).
In der Inszenierung (auch Stückfassung und Bühnenkonzept) von Marius Schiener spielt die künstlerische Leiterin des Theaters (übrigens im Netz der Wiener Linien und nur wenige Gehminuten von der S-Bahn-Station entfernt), Manuela Seidl die zuletzt Genannte, Françoise Pignon, überzeugend nervig. So, dass du als Publikum richtiggehend Mitleid mit der Killerin kriegst. Eigentlich müsstest du doch froh darüber sein, dass die potenzielle Mörderin ständig ihr Gewehr immer wieder zerlegen und verstecken muss, wenn die Zimmernachbarin anklopft und durch die Zwischentür reinkommt. Würde doch dadurch ein Menschenleben gerettet und obendrein der Kriminelle Obergauner vielleicht verraten können.
Doch die neeeervt halt wirklich. Und bald kriegst du Mitleid mit Jeanne Bertin, gespielt von Michelle Haydn. Nicht nur, weil sie wie es zunehmend scheint, ihren Job nicht erledigen können wird – wofür sie ziemlich sicher selbst von den Auftraggebern gekillt würde. Sondern vor allem, weil sie sich ständig die Geschichten über die große Liebe der Nachbarin zu ihrem noch immer angetrauten Mann Louis anhören muss. Und vor allem über die ach so dumme Kuh Constance Wolf, Psychiaterin deretwegen Louis sie verlassen hat. Oder – wie die „Nervensäge“ vermuten lässt -, die vielleicht auch nur ein willkommener Hafen für seine Ausreißversuche war.
Abgesehen davon, dass die Fotografin lediglich eine quietschbunte Polaroidkamera aus dem Profi-Kamera-Rucksack zieht, inszeniert sie ihre Suizid-Versuche sehr pseudomäßig: Aufhängen am viel zu niedrigen Griff der Kastentür: Später im Badezimmer von dem nur die Tür zu sehen ist, verursacht sie einen wasserleitungs-Bruch. Bei jeder Türöffnung spritzt es heraus – wofür unsichtbar die Regie-Assistentin Amy Parteli sorgt.
Die Psychiaterin, die später auftaucht, erweist sich auch als krasse Nervensäge, die nicht die vermeintliche Selbstmordgefährdete rettet, sondern die Killerin erst mit Medikamenten fast ins Koma schickt, um sie später mit anderen Medikamenten aufzuputschen. Auch Barbara Novotny kriegt ihre nervigen Auftritte wunderbar glaubhaft hin.
Andràs Sosko als Darsteller des (Ex-)Mannes Louis bleibt übrigens ebenso eine Nebenfigur wie der fast clowneske Polizist (Bruno Reichert), der zwischen Aufdecken der Killerin und Komplizenschaft pendelt, der die meiste Zeit im Kasten im Hotelzimmer versteckt ist. Wenngleich auch „nur“ eine Nebenfigur, sorgen die Auftritte des Hotelboy (Aleksander Fahrner) immer wieder für Situationskomik.
„Die Nervensäge(n)“ ist vielleicht – trotz Pause – ein wenig zu lange geraten, um auch die Energie und den skurrilen Humor über die ganze Zeit zu halten.
A propos „Female Version“: Das Theater Forum, das im Frühjahr den Kultfilm „Muttertag“ wieder auf die Bühne (zurück)brachte, kündigte – wie hier schon damals zu lesen war – an: „Wir schreiben eine Fortsetzung – Vatertag – die Frauen schlagen zurück. Realsatire: Was die Männer können, können die Frauen schon lange und wenn sich der Opa auf den Willi setzt, macht die Oma ihn mit ihren Gesangskünsten fertig. Eine Antwort auf Muttertag, nur über 30 Jahre später! Alles hat sich geändert, die Emanzipation hat Einzug gehalten, es wird gegendert, was das Zeug hält, aber haben wir uns tatsächlich weiterentwickelt?“ Premiere: 4. Mai 2024.
Komödie von Francis Veber
Übersetzung: Dieter Hallervorden
2 Stunden, eine Pause
Inszenierung, Raum und Stückfassung: Marius Schiener
Françoise Pignon, Fotografin: Manuela Seidl
Jeanne Bertin, Auftragskillerin: Michelle Haydn
Constance Wolf, Psychiaterin: Barbara Novotny
Louis Pignon, (Ex-)Mann von Françoise: Andràs Sosko
Hotelboy: Aleksander Fahrner
Polizist: Bruno Reichert
Mitarbeiterin der Regie: Amy Parteli
Bühnenbild: Barbara Strolz, Werner Ramschak und Daniel Truttmann
Kostüm: Sigrid Dreger
Technische Leitung: Werner Ramschak
Rechte Theater Verlag Desch GmbH
Bis 6. Oktober 2023
Theater Forum Schwechat
2320, Ehrenbrunngasse 24
Telefon: 01 707 82 72
forumschwechat -> die-nervensägen