Kurdische Newroz-Feier in der Volkshalle des Wiener Rathauses – kämpferische Töne gegen Unterdrückung, für Freiheit und Gleichberechtigung.
Aus dem Rathauskeller hinauf zu ebener Erd – in die große Volkshalle des Wiener Rathauses – wanderte in diesem Jahr die traditionelle Feier von Newroz, dem kurdischen Neujahr. Kurdischen Klängen von einem Buzuq-Spieler (Langhals-Laute), zu denen spät aber doch einige der Festgäst:innen zu tanzen begannen, verbreiteten Feststimmung. Kopien gemalter Bilder des Künstlers Doğan unter anderem über die Zerstörung der kurdischen Stadt Nusaybin durch türkisches Militär, verbreiteten aber auch die nicht-festlichen Hintergründe von Newroz.
Kurd:innen verknüpften das Neujahrsfest zu Frühlingsbeginn seit ewig mit ihrem Kampf gegen Tyrannen und für ein selbstbestimmtes, gleichberechtigtes Leben in Freiheit.
Der Legende nach soll an diesem Tag im Jahr 612 v. u. Z., also vor 2636 Jahren, ein Schmied namens Kava (Kaveh) sich dem Tyrannen Dehok widersetzt haben. Feuer auf Berggipfeln gaben das Signal zum Aufstand gegen die Willkürherrschaft. Und weil Kurd:innen auch heute noch in den meisten Ländern ihres Siedlungsgebietes (Türkei, Syrien, Irak, Iran, Aserbeidschan…) unterdrückt sind (nur im Irak Autonomie haben), ist für sie auch heute noch Newroz ein Tag des politischen Widerstandes (Anmerkung: dieser Absatz entstammt einem – eigenen – Artikel aus dem Vorjahr, Link unten).
Und so fanden auch die – von der Weltöffentlichkeit kaum beachteten – ständigen Angriffe und Bombardements türkischer Militärs gegen die in demokratischer Selbstverwaltung befreiten Gebiete in Nordsyrien (Rojava), die Inhaftierung demokratisch gewählter Abgeordneter und Bürgermeister:innen in der Türkei, Handshakes westlicher Politiker, auch des Wiener Bürgermeisters mit dem Autokraten Recep Tayyip Erdoğan Eingang in die Reden im Wiener Rathaus – unter anderem von Ewa Dziedzic-Ernst (Menschenrechtssprecherin der Grünen im Nationalrat), Andreas Schieder (EU-Parlamentarier, SPÖ), Walter Baier (Vorsitzender der Europäischen Linken und Spitzenkandidat bei der kommenden EU-Wahl).
„Jin îyan, Azadî“ (Frau – Leben – Freiheit), die Demonstrations-Losung, die nach dem Tod der kurdischen Iranerin Jîna Mahsa Amini weltweit bekannt wurde, war und ist schon jahrzehntelang eine Kampfparole in kurdischen Gebieten, wo auch stets bei Wahlen Frauen und Männer gleichberechtigt als Doppelspitze antreten.
Newroz, Nouruz, Nawriz, Nevruz – in den verschiedenen Regionen und Ländern des kurdisch-persischen Kulturbereichs – feiern rund 300 Millionen Menschen mit Beginn des Frühlings auch ihr neues Jahr.