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Bildmontage aus zwei Fotos: Vom Drachensteigen und einem der Newroz-Tänze im Garten der Begegnung in Traiskirchen nahe dem Erstaufnahmezentrum vulgo Flüchtlingslager
Bildmontage aus zwei Fotos: Vom Drachensteigen und einem der Newroz-Tänze im Garten der Begegnung in Traiskirchen nahe dem Erstaufnahmezentrum vulgo Flüchtlingslager
21.03.2023

Drachen bauen und fliegen lassen – zum Neujahrstag

Lokalaugenschein im „Garten der Begegnung“ im niederösterreichischen Traiskirchen nahe dem Erstaufnahmezentrum (Flüchtlingslager).

Vorbei am umgitterten Gelände des Traiskirchner Erstaufnahmezentrums für geflüchtete Menschen mit durchaus einer großen Wiese – aber da darf niemand von außen hinein – einige Gehminuten weiter liegen freie Wiesen links und rechts des Weges. Links liegt der „Garten der Begegnung“, ein „öko-soziales Integrationsprojekt. Im hinteren Teil haben Interessierte – Asylsuchende ebenso wie Bewohner:innen dieser niederösterreichischen Stadt Beete und kleiner Felder angelegt, Bäume gepflanzt für Obst, Gemüse und Kräuter. Seit mehr als fünf Jahren gibt es diesen rund ein Hektar großen Garten.

Im vorderen Teil stehen Rutschen und Schaukeln, Bänke und Tische – und eine große Hütte, in der wird Essen zubereitet und verteilt – Suppe, Gemüse, Falafel, Humus. Rouken, Helen, Shaha und Riva befüllen die Papp-Teller mit geschnittenen Gurken, Paradeisern, Paprika und Falafel, Herr Rudi schneidet Unmengen an dünnem afghanischen Brot für die gemischten Teller. Am Herd köchelt weiße Bohnensuppe. Ab 12 Uhr, vielmehr schon einige Minuten davor, bildet sich eine lange Schlange der Gäst:innen an diesem Samstag vor Frühlingsbeginn. Es gibt keine Drängerei, kein Ruf nach „zweiter Kassa!“. Flott gehen von drinnen die Teller über den Tresen. Es sind übrigens bei den Asylsuchenden vor allem Familien mit Kindern, teils sogar sehr jungen, auf die hier eingesessene Traiskirchner:innen treffen, unter ihnen auch Bürgermeister Andreas Babler.

Neujahr

Nach dem Essen erschallt aus Lautsprechern vor allem kurdische und persische Musik. Immer wieder finden sich kleine und größere Gruppen zu Tanzkreisen zusammen. Bei einer langen Tanzschlange postierten sich kleine Mädchen mit Handys vor den Tanzenden, um diese zu filmen. Frühlingsbeginn ist auch der Beginn eines neuen Jahres im kurdisch-persischen-afghanischen Kulturkreis – Newroz bzw. Nouruz (übersetzt: Neuer Tag).

Die fünfjährige Hewi tanzt sogar in einem traditionellen Kleid, in dem sich kesk (grün), ser (gelb) und sor (rot), die Farben der kurdischen Flaggen finden und wirft sich vor der Kamera in Positur, irgendwie will sie ihren Bruder Aisa (4) auch auf dem Foto haben.

Drachenbau

An diesem Samstag ist der 1. Wiener Drachenbau- und Flugverein Raffler (ein Altwiener Ausdruck für Flugdrachen) zu Gast. Ältere Leute, die teils seit Jahrzehnten wie sie in Varianten sagen „vom Virus Drachenbau angesteckt“ sind. An einem Tisch hobeln Männer an den Innenseiten gespaltener Bambusstangen die abstehenden Teile weg, am anderen Tisch werden dünne große Kunststoff-Säcke ausgeteilt und immer wieder vorgezeigt, wie mit den aufgeschnittenen Folien, zwei über Kreuz gelegten Bambus-Halbstangen und ein paar Stückerln Klebestreifen ziemlich schnell ein Flugdrache entsteht.

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Einige der Asylsuchenden, die aus Afghanistan flüchten mussten – bekanntlich haben vor mehr als eineinhalb Jahren erneut die Taliban die Macht erobert – brauchen nur das Material und bauen auch die eine oder andere Variante eines Flugdrachens, ist das doch ein seit ewig weit verbreiteter Volkssport mit ausgetüftelten Wettbewerben in ihrer Heimat, die sie verlassen mussten.

Die „Baufläche“ verlagert sich immer mehr auch auf den Boden, die einen, die’s schon gelernt haben, zeigen’s anderen vor, darunter immer wieder auch Daniela Gruber-Pruner, Bundesgeschäftsführerin der österreichischen Kinderfreunde und Bundesrätin im Parlament. Und dann geht’s los – meist aus dem Garten der Begegnung hinaus auf die andere Wiese rechts des Weges. Und ab in die Höhe. Nicht jeder Drache will gleich fliegen, dann geht’s oft zurück zur Bastelstation, um die Fluggeräte zu verbessern, damit sie doch hochkommen.

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Regelmäßiger Betrieb

Neu ist ein roter Container knapp nach dem Eingang zu diesem Garten – für Beratungsgespräche. „Jeden Dienstag und Donnerstag und Samstag von März bis Oktober können alle herkommen, die wollen, oft sind auch Schulklassen da, um zu garteln“, erzählt Isabelle vom Verein, der den Garten der Begegnung betreut, dem Reporter und auch davon, dass ein Imker mehrere Bienenstöcke auf dem Gelände hat. Außerdem erklärt sie, dass die kleine Holzhütte gleich nach dem Eingang auf der Schneiderei steht nur eine Verkaufshütte der Nähwerkstatt ist, die auch schon früh in der Stadt eingerichtet worden ist, nachdem etliche geflüchtete Männer nach Nähmaschinen gefragt hatten.

Neu ist ein roter Container auch glich beim Eingang, er wird zu einer Beratungsstelle für Fragen aller Art für Menschen, die nach meist sehr langwieriger Flucht hier im nahegelegenen Erstaufnahmezentrum ihre erste Anlauf-Unterkunft haben, bevor sie aus dem Großlager in kleinere Unterkünfte im Land verteilt werden. Wobei manche auch schonziemlich lange darauf warten.

300 Millionen feiern Newroz/Nouruz

Die UNO nennt rund 300 Millionen Menschen, die seit mehr als 3000 Jahren – von der Balkanhalbinsel über die Schwarzmeerregion, den Kaukasus, bis Zentralasien und im Nahen Osten den Beginn des Aufblühens am 21. März feiern. Für viele, wenn nicht sogar die meisten der auf 30 bis an die 50 Millionen geschätzten Kurd:innen ist das Newroz-Fest aber nicht nur Feier-, sondern auch Kampftag. Das übers Feuer springen besiegt bei ihnen mehr als „nur“ die kalte Jahreszeit.

Schmied gegen Tyrann

Der Legende nach soll an diesem Tag im Jahr 612 v. u. Z., also vor fast 2650 Jahren, ein Schmied namens Kava (Kaveh) sich dem Tyrannen Dehok widersetzt haben. Feuer auf Berggipfeln gaben das Signal zum Aufstand gegen die Willkürherrschaft. Und weil Kurd:innen auch heute noch in den meisten Ländern ihres Siedlungsgebietes (Türkei, Syrien, Irak, Iran, Aserbeidschan…) unterdrückt sind (nur im Irak Autonomie haben), ist für sie auch heute noch Newroz ein Tag des politischen Widerstandes.

Sieben Sachen mit S

„Haft Sin“ (Sieben S) steht für sieben Dinge, die mit (Sīn – persisches S) beginnen traditionell zu Nouruz: Sekke – Münzen; Sib – Apfel; Somach – ein persisches Gewürz (Sumach); Sombol – Hyazinthen; Sir – Knoblauch; Sabseh – ‚Grünzeug‘, typischerweise keimender Weizen, Gerste, Kresse oder Ähnliches; und Serke – Essig.

Ebenso wichtig ist das aus sieben Früchten bestehende Neujahrsgetränk „Haft Mewa“. Es werden sieben Speisen zubereitet, die möglichst mit dem Buchstaben „S“ beginnen sollten und die sieben Tugenden des Zoroastrismus symbolisieren, und zusammen mit Samanak (Keimlinge aus sieben Getreidesorten), einem Spiegel, einer Kerze und einem heiligen oder wichtigen Buch (dem Koran bei Muslimen, der Bibel bei Christen, der Avesta oder einem Bild Zarathustras bei Zoroastriern oder einem Gedichtsbuch) auf einem Tisch gedeckt.

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