„Nach der Wahl sind wir nicht mehr so lustig“ von diverCITYLAB im Wiener Kosmos Theater musst kurz vor der Premiere der aktuellen innenpolitischen Wendung angepasst werden.
Weiß – die christliche Farbe der Unschuld – dominiert. Viele(s) ist mit derartigen Tüchern verhüllt, wenn das Publikum der Show den Saal im Kosmos Theater betritt. Im Tonfall kirchlicher Messen ertönt die Stimme an die „Liebe Geeemeieieinde…“
Versammelt hat sich diese mit einigermaßen spürbarer Erleichterung. An sich in einer Art Angstlust Tickets zur Performance „Nach der Wahl sind wir nicht mehr so lustig“ vom diverCITYLAB besorgt, stieg die Premiere nur wenige Stunden nachdem die Koalitionsgespräche zwischen FP und ÖVP geplatzt sind und damit der Kelch des rechtsrechten Bundeskanzlers Herbert Kickl am Land und seinen Leuten vorbeigegangen ist. Auch wenn die Gruppe damit noch am Nachmittag umschreiben und neu proben musste, war auch deren sichtlich befreiteres Aufspielen zum Greifen.
Allesamt als Weiß-Clowns in üppigen Kleidern, teils mit Woll-Perücke (Nadine Abena Cobbina) tobten sich die Schauspieler:innen Dennis Cubic, Deborah Gzesh, Isabella Händler, Jonas Kling, Kari Rakkola, Violetta Zupančič in den Rollen bekannter Figuren aus Kinderbüchern und -filmen aus: Freitag, Nscho-tschi (Schwester Winnetous), Old Shatterhand bzw. Kara Ben Nemsi (die zuletzt genannte drei Erfindungen des Schriftstellers Karl May), Ephraim Langstrumpf (Vater von Pippi), Tim (bekannt von Struppi), Robinson Crusoe – womit endgültig klar ist, dass die hier erstgenannte Figur nicht – wie in Teilen Ghanas nach einem Wochentag benannt wurde wie beispielsweise der an einem Freitag geborene vormalige UNO-Generalsekretär Kofi Annan -, sondern der Sklave des auf eine einsame Insel gespülten „Entdeckers“.
Sie spielen nicht ihre – bekannten – Geschichten, sondern schleudern sich Sprüche rechter Politiker:innen (Text: Anna Schober und Team mit viiiielen sehr oft sehr bekannten Zitaten) wie Bälle zu, vermischen sie hin und wieder dann doch mit den Persönlichkeiten ihrer Figuren. Können diese – meist rassistischen – literarischen Geschöpfe vielleicht etwas mit der Verbreitung rechten und rechtsrechten Gedankengutes zu tun haben?
Von der Klimakatastrophe bis zur Erbschaftssteuer – fast alles, was in der innenpolitischen Debatte vorkam, wird im Stück verarbeitet bzw. zumindest angespielt. Bis hin zu einem Wackelpferd auf einer starken Metallfeder wie sie von Spielplätzen bekannt sind – designt wie Pippis „Kleiner Onkel“ -, aber natürlich mit der Anspielung auf… – Sie wissen / du weißt schon. Wer darf da drauf sitzen – ist ein Streitpunkt. Selbstgeißelung eines „Christen“ samt Waschung in einer offenen Duschkabine, der fahrbare „Standort“ öffnet seine Fenster und das Spiel wird zu einem derben Figurentheater mit lebendigen Protagonist:innen…
Bald nach dem Start der Performance geht es von Spielerin zu Spieler der Reihe nach durch: Wir stehen auf der richtigen Seite. Aus einer einschlägigen Facebook-Gruppe glichen Namens hat Regisseurin und Co-Dramaturgin Aslı Kışlal, Initiatorin von diverCITYLAB, auch so manch argen Zitate geschöpft, verrät sie nach der Premiere.
Bei der durchgängig witzigen Show bleibt angesichts des Bezugs zu echten Zitaten und handelnden politischen Personen das Lachen sehr oft im Hals stecken. Es werden aber nicht nur reaktionäre Haltungen auf die „Kornblume“ genommen, hin und wieder spielt auch ironische Selbstreflexion in so manchen Szenen eine Rolle. Dass rechtsrechtes Gedankengut in so vielen Köpfen Platz greifen konnte, liege ja vielleicht auch an den Linken oder wie es das aktionstheater ensemble erst kürzlich mit „Wir haben versagt“ sogar in den Titel gerückt hat. Apropos diese durchaus verwandte Performing-Gruppe wird in einer Szene sogar – satirisch – imitiert und dies auch so transparent gemacht.
Und, dass erst recht wieder „nur“ jene erreicht werden, die ohnehin anders denken, wählen und handeln wird im Stück einmal auch direkt angesprochen. Trotz der Erleichterung, die zu Beginn natürlich gleich verkündet wird, bleibt die neu praktisch weltweite rechtsrechte Entwicklung – samt dem ständigen Nachgeben / Nachgehen auch vieler anderer politischer Kräfte in diese Richtung. Insofern stimmt auch der Untertitel nach wie vor: „Eigentlich hätte es eine Komödie werde sollen“…
Eigentlich hätte es eine Komödie werden sollen
diverCITYLAB Koproduktion mit Kosmos Theater Wien
Regie: Aslı Kışlal
Text: Politiker*innen interpretiert von Anna Schober & Team
Schauspiel: Dennis Cubic, Deborah Gzesh, Isabella Händler, Jonas Kling, Kari Rakkola, Violetta Zupančič
Dramaturgie: Aslı Kışlal, Anna Schober
Bühne: Markus Liszt
Musik: Uwe Felchle
Kostüm: Nadine Abena Cobbina
Künstlerische Mitarbeit: Anillo Sürün
Produktion: Melina Cerha-Marcher
Lichtgestaltung: Dulci Jan
Ton: Tom Skoruppa
Bis 21. Februar 2025
Kosmos Theater: 1070, Siebensterngasse 42
Telefon: 01 523 12 26
kosmostheater -> nach-der-wahl-sind-wir-nicht-mehr-so-lustig
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