„Bis einer heult“ von „Material für die nächste Schicht“ nun im Wiener WuK zu erleben.
Eine Frau in weißem, bodenlangem, elegantem Ball- oder Hochzeitskleid betritt die Bühne – beim Kultursommer den Platz vor der Bühne, setzt sich nieder. Jana Thomaschütz spielt verträumt, in sich versunken, Melodien und Geräusch am Cello.
Zwei Männer jeweils in dunklen Anzügen, könnten Manager wo auch immer sein. Vielleicht gar nicht so sehr im Kulturbereich. Einzig, dass einer, nämlich Stefan Ebner, eine Schutzbrille wie sie bei physikalischen oder chemischen Versuchen üblich sind, gibt schon einen Vorgeschmack auf ein wenig Ver-rücktes. Er und sein Kollege Martin Geisler leeren aus Stofftaschen Hunderte flache Bausteine auf einen langen, weißen Tisch. (Um dieses Geschehen zu sehen und nicht nur die Tischunterkanten, spielt das Trio eben vor und nicht auf den Bühnen – noch zwei Mal ist „Bis einer heult“ von „Material für die nächste Schicht“ an diesem Wochenende 7. und 8. August 2021 zu erleben – siehe Infobox.
Türme, Straßen, flache Häuser, Schienen … alles Mögliche bauen sie. Und zerstören es wieder – mitunter selber, dann wieder gegenseitig. So wie die Cellistin in ihr Spiel vertieft ist, so versinken auch die beiden Männer in die Welt der Bausteine. Da kann einer schon einmal zum „Handy“ werden oder einige davon zu Pommes Frites oder was auch immer. Faszinierend anzuschauen wie das Spiel von Kindern.
Manchmal zitterst du mit, ob der Turm, der schon höher ist als ein Erbauer noch ein Stockwerk hält oder … Dann wieder erlebst du – und das alles ohne Worte – den Streit der beiden.
Oder das Reagieren auf das Spiel ihrer Kollegin. Wenn sie mit dem Bogen den Saiten Geräusche entlockt, die an ein Flugzeug erinnern, stehen die beiden plötzlich auf und schauen in den Himmel.
Obwohl die einen in ihr Bausteinspiel und die andere in ihr Musizieren vertieft sind, stimmen sie sich ab, reagieren auf die Musik bzw. diese auf das Bauen.
Nach rund einer halben Stunde erhebt sich die Musikerin und bringt sich ins Spiel mit den Bausteinen ein. Aber wie! Unter anderem wird sie zur Chirurgin, um Kollegen Ebner, der starr und steif auf den Tisch gelegt wird, zu „operieren“. Hemdknöpfe auf, Bausteine als Skalpell und andere Werkzeuge, gereicht vom zweiten Schauspieler als OP-Gehilfe.
Obwohl so banal – Bausteine einerseits und Cello andererseits – lässt das Trio gut zwei Dutzend verschiedene Szenen entstehen – (fast) die ¾ Stunde ohne Worte. Nur in einer Passage sprechen die drei in einer Kunstsprache, die von der Sprachmelodie an ein Mittelding aus Niederländisch und Skandinavisch erinnert.
Und als „Draufgabe“ erlöst das Trio jene Zuschauer:innen – ob Kinder (auch sehr junge schauten die meiste Zeit ganz gebannt zu) oder Erwachsene, die schon Kribbeln in den eigenen Fingern verspürten, und lädt nach der Performance ein, selber mit den mittlerweile rund um den Tisch auf dem Boden verstreuten Bausteinen zu spielen.
Voll zurecht wurde „Bis einer heult“ Material für die nächste Schicht/TURBOtheater Villach, Kärnten, ab 4 Jahren mit einem Stella, dem Theaterpreis für Kinder- und Jugendtheater, ausgezeichnet.
Ausgangspunkt, so erzählen die drei dem Journalisten, „war, dass wir zuerst einmal wirklich nur mit den Bausteinen gespielt haben“, beginnen Stefan Ebner und Martin Geisler. „Nur gespielt, aber bald sind wir drauf gekommen, wir hätten gern eine Musikerin dabei.“ Die Cellistin Jana Thomaschütz stimmt ein, „auch ich hab am Anfang einfach drauflos gespielt.“ Im Laufe des Probenprozesses entstand dann das Stück, für das es einen Bogen und viele Szenen gibt, „aber immer noch spielen wir wirklich und es macht Riesenspaß!“ Und das ist zu merken, springt über – sowohl auf junge Kinder als auch auf Erwachsene. Nur Jugendliche erreicht es nicht. Von zu kindisch bis peinlich kommen diesen die verspielten Erwachsenen vor.
Material für die nächste Schicht; Koproduktion: TURBOtheater Villach
Kreation, Musik, Performerance: Jana Thomaschütz
Kreation, Performance: Martin Geisler
Kreation, Performance, Ausstattung, künstlerische Leitung: Stefan Ebner
10. bis 12. November 2022
WuK (Werkstätten- und Kulturhaus): 1090, Währinger Straße 59
Telefon: 01 401 21-0