Rasantes, clowneskes Spiel mit starker Ansage, einem ebensolchen Ensemble und einer darin noch überragenden Hauptdarstellerin.
Ein Kind, das – seinen Eltern zufolge – zu viele quasselt, steht am Beginn einer der Dutzenden Erfolgsstücke von Alan Ayckbourn, „Das Geheimnis der verzauberten Stimme“. Dann verliert das Mädchen – in der ursprünglichen Übersetzung Mariakron Perking, nun im großen Haus des Theaters der Jugend Tia Maria Perkins – tagelang ihre Stimme. Nach vielen Tabletten und Säften wacht sie mehr als eine Woche später eines Morgens mit einer voll tiefen Männerstimme auf. Beim Versuch, diese loszuwerden, kommt aus ihrem Mund Töne einer eher piepsigen Bauchredepuppe. Und natürlich endet alles gut.
Die Hauptfigur steht vor der großen Herausforderung, außer in den Anfangs- und Schluss-Szenen ganz ohne Stimme spielen zu müssen – das erfordert von ihr -und dem Sound-Team exaktes Timing, aufeinander in Sekundenbruchteilen zu achten. Die Schauspielerin, die nicht ganz 30-jährige Charlotte Zorell, verkörpert das Mädchen mit den „Stimmproblemen“ überragend, verleiht den unterschiedlichen Phasen das entsprechende Gehabe zwischen damit „reden“ und es weitgehend vermeiden wollen bzw. jeweils zu Beginn das überraschte Entsetzen. Hier sei auch das ganze Ton-Team genannt: Matthias Kaczmarczyk, Michael Hammerstiel, Roland Maurer, Gregor Morawek, Melanie Rácz und Maurice Wiederin.
„Charly“, wie die Schauspielerin von der Szene genannt wird, bringt – neben ihrer Ausbildung im DiverCITYLAB – und schauspielerischen Erfahrung mit familiärer Prägung, eine kräftige clowneske Note ins Spiel. Mit dieser „kommentiert“ sie so manche sie nervenden Situationen und setzt Komik als Widerstandselement ein.
Letztere durchziehen auch viele andere Szenen und Figuren, besonders zu nennen sind dabei jene auf der Polizei-Station – Uwe Achilles als Inspektor, Jonas Graber und Stefan Rosenthal als untergebene Wachmänner. Selbstironische „Amtshandlungen“, oft vor allem in Filmen gesehen, und doch hier nicht zum Überdruss gespielt. Der zuletzt Geannnte gibt übrigens auch eine sehr gekonnte Bauchrede-Puppe. Etliche Augenblicke ist gar nicht klar, ob bei diesem Ronny nicht Kostüm und Maske (Kostümbildnerin Almasa Jerlagić) „nur“ eine besonders täuschend echte Puppe gelungen ist.
Wobei noch unbedingt zu erwähnen ist, dass alle außer Charlotte Zorell in mehrere Rollen schlüpfen, allen voran Benita Martins, die sich in mehr als einem halben Dutzend Charakteren als besonders wandlungsfähig erweist, besonders witzig als Frau Banister mit Hund Dodo, wo sie fast mit ihrem kuscheligen Stofftier zu einem Wesen verschmilzt.
Die Erzählrolle mit Zwischentexten über den Fortgang der Geschichte übernehmen übrigens zu Beginn alle neun Schauspieler:innen im Chor und in der Folge immer wieder andere, die kurzfristig aus ihrem Charakter aussteigen. Sophie Aujesky als Tia Marias Mutter sowie eine Passantin, Frank Engelhardt als ihr Ehemann und Vater der unfreiwilligen Stimmwandlerin, vor allem aber als Mafiaboss für Arme im windigen Stimmentauschladen, Christian Graf und Rafael Schuchter beide jeweils in einem halben Dutzend Rollen sorgen für vielseitige Facetten des kurzweiligen zweistündigen Theater-Nachmittags.
Besonders wandlungsfähig ist auch die Drehbühne (Karl Fehringer und Judith Leikauf), wozu nicht zuletzt die verblüffend aus 2D-Auto-Vorder- und Rückteil „gezauberte“ Stretch-Limousine zählt.
Übrigens, der schon erwähnte Uwe Achilles, der neben dem leitenden Polizei-Inspektor als mehrfacher Streitschlichter auch noch den Chauffeur des sich selbst als größten Opernsänger fühlenden großzügigen Enzo Grandioso (Schuchter) und weitere kleinere Figuren spielt, war schon vor fast zwei Jahrzehnten in der damaligen Version von „Das Geheimnis der verzauberten Stimme“ auf der Theater-der-Jugend-Bühne, als Mr. Perkins, Tia Marias Vater.
Wiedergeburt ist die aus dem Französischen kommende Bedeutung von Renaissance. So heißt auch das Theater in der Wiener Neubaugasse. Wieder gespielt werden so im Abstand von rund eineinhalb Jahrzehnte so manche Erfolgsstücke – in neuen Inszenierungen – diesfalls Nicole Claudia Weber – mit weitestgehend neuen Schauspieler:innen.
Die Botschaft des Autors und auch jeder Inszenierung liegt klarerweise auf der Hand: Kindern eine Stimme geben – auch wenn meist verabsäumt wird, dass auf Kinder achten nicht unbedingt nur hören meinen muss; auch Gehörlose (Kinder) können mit Gebärden ihre Gedanken und Anliegen zum Ausdruck bringen! Aber wie „Charly“ als Tia Maria Perkins am Schluss – der hier sicher nicht gespoilert wird – gemeinsam ausschließlich mit den Kindern im Publikum in einem kürzesten Satz Kinderrechte zum Ausdruck bringt, berührt Herzen und Sinne.
von Alan Ayckbourn
Deutsch von Inge Greiffenhagen
2 Stunden (eine Pause); ab 6 Jahren
Regie: Nicole Claudia Weber
Tia Maria Perkins: Charlotte Zorell
Mrs. Perkins / Passantin 1: Sophie Aujesky
Mr. Perkins / Mr. Creeper: Frank Engelhardt
Erzählerin / Riesenberühmtheit / Frau mit Hund / Eduna von Swutsch / Nachbarin / Ladenbesitzerin / Zauberin / Passantin 2: Benita Martins
Marktschreier / Erzähler / Dr. Trampelmaine / Mann mit Hund / Bettler / Zirkusdirektor Portier: Christian Graf
Erzähler / Jahrmarktgast / Dr. Bottle / Enzo Grandioso / Gewichtheber / Verkäufer 1: Rafael Schuchter
Erzähler / Jahrmarktgast / Sekretär / Hund / Polizist / Ronny: Stefan Rosenthal
Erzähler / Jahrmarktgast / Polizist / Bauchredner / Rollo der Clown: Jonas Graber
Erzähler / Jahrmarktgast / Verkäufer 2 / Boris / Inspektor: Uwe Achilles
Bühnenbild: Karl Fehringer, Judith Leikauf
Kostümbild: Almasa Jerlagić
Licht: Barbara Zukal
Ton-Team: Matthias Kaczmarczyk, Michael Hammerstiel, Roland Maurer, Gregor Morawek, Melanie Rácz und Maurice Wiederin
Dramaturgie: Sebastian von Lagiewski
Assistenz und Inspizienz: Natalie Ogris
Hospitanz: Julia Schmid
Bis 16. November 2025
Renaissancetheater: 1070, Neubaugasse 36
Telefon: 01 52110-0
tdj.at -> das-geheimnis-der-verzauberten-stimme-2025
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