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Szenenfoto aus "Räuber" von Plaisiranstalt im Dschungel Wien
Szenenfoto aus "Räuber" von Plaisiranstalt im Dschungel Wien
30.01.2023

Familie oder Kumpels – das ist hier die Frage

Fetzig-wilde „Räuber“ als Überschreibung von Friedrich Schillers berühmten Erstlings-Drama, das ihn berühmt gemacht hatte.

Disco-Sound, wildes Abtanzen – in einem Wohnzimmer voller Kauf dem Boden verstreuten Kleidungsstücke und übersät mit rosa Flamingos – in Schwimmreifenform – einem großen und fast unzähligen kleinen (Ausstattung: Alexandra Burgstaller, Annemarie Minihofer). Selbst neben dem DJ-Pult leuchtet ein solcher Vogel. Vier Schauspieler:innen in weißen Overalls als Räuberbande. In den Ort des Geschehens sind sie eingebrochen. Stehlenswertes scheint’s hier kaum zu geben. Irgendwie öd für solche, die vom Rauben leben. Und außerdem trauern – die einen mehr, die anderen deutlich weniger – ihrem Hauptmann Karl nach.

Dieser Karl ist im Stück „Räuber“ von „Plaisieranstalt“, das derzeit im Dschungel Wien, dem Theaterhaus für junges Publikum im MuseumsQuartier im großen Saal über die Bühne rockt und fetzt, der erste Link zum Vorbild: „Die Räuber“ von Friedrich Schiller. Mit diesem, seinem ersten Drama – 1782, also vor fast 250 Jahren uraufgeführt – war er mehr oder minder über Nacht berühmt geworden. Der Kampf zweier Brüder – Karl und Franz – um die Gunst des Vaters – und natürlich auch dessen Erbe, aber auch das Aufeinanderprallen verschiedener Ansichten und Haltungen.

Die Story

Die Grund-Grund-Story – mit vielen Verwirrungen, Abzweigungen, Schein- und wirklich Toten: Graf Moor hat zwei Söhne, den cooleren, schöneren Karl und den biedereren Franz, der sich ständig zurückgesetzt fühlt. Der Karl zieht zum Studieren in die nächste größere Stadt (im Original Leipzig), lebt locker dahin, verschuldet sich, wird Räuber(Hauptmann). Da wittert Franz die Chance, den Vater dazu zu bringen, den Erstgeborenen zu enterben. Intrigen, gefälschte Briefe und obendrein versucht Franz Karls Verlobte Amalia in seine Gewalt zu bringen. Schon Schiller lässt diese sich auch gewaltsam erfolgreich wehren.

In diesem Plot-Setting orientiert sich die Plaisiranstalt an der Grundgeschichte des Originals, konzentriert die Geschichte vor allem aber auf die Auseinandersetzung mit dem Thema: Geschwister oder Freund:innen. Die Bande – im Gegensatz zum Original natürlich nicht nur Männer, sondern genau so viele, hier zwei – Frauen.

Geschwister sollten’s sein

Die vier Schauspieler:innen – Annette Holzmann, Sven Kaschte, Stefan Wunder, Charlotte Zorell -, die mal das räuberische Quartett geben, dann wiederum abwechselnd in die Rollen von Karl, Franz, deren Vater, Karls Verlobter Amalia und noch einiger anderer schlüpfen und ihre Regisseurin, Paola Aguilera, wollten jedenfalls ein Stück rund um Geschwister machen. Das erzählen die vier Darsteller:innen nach der ersten Vormittagsvorstellung im Publikumsgespräch mit jungen Zuschauer:innen. Erst sei die Idee „Kain und Abel“ dagewesen, doch dann fiel bald die Wahl auf DEN schon genannten Literaturklassiker. Und die Gruppe holte sich den auf cool geschriebene Jugendstücke spezialisierten Autor Raoul Biltgen mit ins Boot. Drei Wochen Improvisation – und natürlich der Original-Klassiker waren das Ausgangsmaterial für den Stücke-Schreiber.

Änderungen bis fast ganz zuletzt

Mit dessen Text die vier – mit ihrer Regisseurin – wiederum weiter arbeiteten und – wie sie beim Publikumsgespräch verrieten – den Schluss erst wenige Tage vor der Premiere nochmals umstießen – nun gehen alle ihrer eigenen Wege, die Räuber:innen-Bande eine vorübergehende Phase sozusagen – in der sie sich abgearbeitet hatten am Thema Geschwister oder Freund:innen, selber gereift sind und sich nicht mehr über (die) andere(n) definieren müssen.

Das Stück orientiert sich nicht nur im groben Handlungsstrang am Original, sondern baut immer wieder auch Textpassagen von Schiller ein – mit Ergänzungen und Erweiterungen – insbesondere bei vier Monologen, die die Akteur:innen in stilleren Momenten am Rande der Bühne – mit ihren riesig in den Bühnenhintergrund projizierten Gesichtern in ein Mikrophon sprechen. Darin reflektieren sie über ihre Gedanken und Gefühle zu Geschwistern: Vom sich zurückgesetzt fühlen bis zum Frust, dass die Eltern ihnen als Einzelkind kein Geschwisterchen gönnten.

Follow@kiJuKUheinz

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Räuber

Frei nach Friedrich Schiller
Ab 13 Jahren, Knapp mehr als eine Stunde
Plaisieranstalt

Autor: Raoul Biltgen
Regie: Paola Aguilera
Es spielen – in wechselnden Rollen: Annette Holzmann, Sven Kaschte, Stefan Wunder, Charlotte Zorell
Räubersong: Thorsten Drücker
Ausstattung: Alexandra Burgstaller, Annemarie Minihofer
Licht: Hannes Röbisch
Produktionsleitung: Barbara Schubert

Assistenz: Pia Harr
Hospitanz: Leonhard Krisch

Wann & wo?

Bis 2. Februar 2023
weitere Termine im Juni 2023
Dschungel Wien: 01 522 07 20-20
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