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Szenenfoto aus "Janusz Korczak und seine Kinder“
Szenenfoto aus "Janusz Korczak und seine Kinder“
01.05.2022

Auf Kinder hören: Sie sind und werden nicht erst…

Internationales Janusz-Korczak-Symposium in Wien rückte Pädagogik auf Augenhöhe ins Zentrum.

Kinder kommen zu Wort, sagen oder zeigen selbst, was ihnen wichtig ist. Werden nicht von oben herab behandelt, sondern ihnen wird auf Augenhöhe als gleichwertigen Menschen begegnet. Sie sind nicht die Zukunft, sondern die Gegenwart. Sie werden in ihrem Hier und heute wahr- und ernst genommen. Sie haben Rechte, die ihnen nicht gnadenhalber zugestanden werden. Auf die sie auch pochen können … Grundsätze wie sie seit knapp mehr als 32 Jahren in der von (fast) allen Staaten der Welt auch anerkennten Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen verankert sind.

Vater der Kinderrechte

Als „Vater“ der Kinderrechte gilt Janusz Korczak. Nicht nur weil dieser polnische Arzt und Pädagoge viel darüber geschrieben hat, sondern weil er sie auch möglichst lebte – in den Waisenhäusern, die er in Warschau leitete. Selbst unter den Bedingungen des Freiluftgefängnisses Ghetto, in das die Nazis, die Polen besetzt hatten, lebten die fast 200 Kinder Mitbestimmung. Das ist schon weit weniger bekannt als die Tatsache, dass Korczak seine Freilassung – aufgrund internationalen Drucks – ablehnte, weil er die Kinder nicht mitnehmen durfte.

Lieber blieb „der Doktor“ bei ihnen, wurde mit ihnen ins Vernichtungslager Treblinka in Viehwaggons transportiert und dort in einer Gaskammer mit ihnen ermordet. Diese letzte Ära der Kinder und ihres Förderers haben Schüler:innen der privaten, katholischen Mittelschule St. Elisabeth (Wien-Leopoldstadt“ Ende April im Festsaal der Pädagogischen Hochschule (Wien-Favoriten) mit dem Theaterstück „Janusz Korczak und seine Kinder“ (von Elisabeth Amann) als Auftakt und Einleitung eines Symposiums gespielt. Wenn das bekannt vorkommt, kein Wunder: Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … hat Anfang der Woche über einen probenbesuch des Theaterstücks berichtet. Daher hier nicht mehr darüber – außer dass es natürlich in Kostümen und mit noch anderer Energie vor den Teilnehmer:innen der Tagung sehr berührend und bewegend gespielt wurde.

Hier unten geht’s zum Probenbericht

Kinderrechte

In diesem Beitrag soll es um das Symposium selber gehen, das unter dem Titel „Erwartungen an eine kindgerechte Pädagogik“ stand – wenngleich zu bedauern ist, dass obwohl die Tagung in der Pädagogischen Hochschule stattgefunden hat, ziemlich wenige der hier Studierenden dem Symposium folgten. Wie überhaupt Korczak vielen, die beruflich mit Kindern arbeiten, kaum je in ihrer (Aus-)Bildung unterkommt. Und das nur sehr, sehr komprimiert.

Jedes einzelne der Referate würde schon den Rahmen eines Berichtes hier sprengen. Daher kommen sie alle sehr verknappt vor. Davor noch einige Grundzüge, die sich durch mehrere der Beiträge am Symposium, den Diskussionen und vor allem das auch schriftlich festgehaltene Werk Korczaks – theoretische Abhandlungen und Erkenntnisse aus seinen Forschungen – ziehen: Viel wichtiger als die Theorie fand er die Praxis – die Theorie müsse sich aus dieser ergeben. So manche zentrale Zitate sind als Fotos von Folien aus Vorträgen hier in diesem Beitrag zu finden.

Kinder als Expter:innen

Agata Skalska, promovierte Kindheitspädagogin von der Hochschule Düsseldorf (Deutschland), die das Forschungsarchiv zu Korczak übernommen hat, berichtete über eine eigene Forschungsarbeit im Sinne des Kinderrechte-Vaters, Kinder als Expert:innen ihrer selbst  heranzuziehen. Sie und ihr Team statteten 4- bis 7-Jährige in 14 Kindertages-Einrichtungen Düsseldorfs vorübergehend mit Action-Kameras aus, um sich von ihnen zeigen zu lassen, welche Orte und was für sie in der KiTa wichtig ist. Oder wo ihnen auch Grenzen des Zugangs gesetzt werden, die sie stören.

Kinderzeitung

Skalska, die ihre ersten Lebensjahre – einschließlich der Vorschule – im polnischen Danzig verbrachte, vertiefte sich im Rahmen ihres Studiums wieder in ihre Erstsprache, um so manche Korczak-Texte im Original lesen zu können. Unter anderem widmete sie ihre Master-Arbeit der von Korczak gegründeten Kinderzeitung „Mały Przegląd“ („Kleine Rundschau“). Es war dies eine wöchentliche Beilage der polnisch-jüdischen Tageszeitung „Nasz Przegląd“ (1926 – 1939). Kinder wurden ermutigt, alles zu schreiben, was ihnen wichtig ist. Das reichte von persönlichen Erlebnissen, Festen aber immer wieder auch Ärgernissen, die ihnen untergekommen sind. Aus Forderungen der Kinder nach Theaterstücken und Filmen für sie, die in der Zeitung abgedruckt wurden, kam es auch zu solchen.

Auf Anregung eines Kindes wurde sogar der Untertitel „Zeitung für Kinder“ in „Zeitung der Kinder“ geändert.

Kooperation und Solidarität

Michael Kirchner, Lehrender an der Uni Bielefeld (Deutschland) widmete sich unter dem Titel „Damit es allen gut geht!“ dem Verhältnis zwischen Kindern und Erwachsenen in den von Korczak geleiteten Einrichtungen „Dom Sierot“ und „Nasz Dom“ sowie jenem unter den Kindern – vor allem unter dem Gesichtspunkt Partizipation. Kooperation und Solidarität spielten dabei eine zentrale Rolle. Besonders ging er auf die Kollegialgerichte ein – Kinder als Richter:innen bei Verstößen gegen Gemeinschaftsregeln. Ein in vielen Paragraphen vorkommender Begriff ist der der „Verzeihung“.

„Wenn jemand etwas Böses getan hat, ist es am besten, ihm zu verzeihen.“

Forschendes Lernen

„Nicht-Wissen“ als scheinbar paradoxes zentrales Postulat stellte Gérard Kahn von der Schweizer Janusz-Korczak-Gesellschaft an den Beginn seiner Ausführungen. Forschen – sowohl für Kinder als auch Pädagog:innen, um im Sinne Korczaks immer weiter zu suchen und fragen. Damit sei nicht eine Geringschätzung von Wissen und Bildung gemeint, aber definitiv eine Ablehnung praxisfernen, lebensuntauglichen Vor und Runterbetens von Erziehungsregeln statt auf jedes Kind individuell einzugehen und sich auf das einzulassen, was von „dem Kind“ kommt.

Sich selbst reformieren

Schon am ersten Tag wurde einleitend darauf verwiesen, dass Janusz Korczak in seinen Schriften immer vom einzelnen Kind spricht, um genau das hervorzuheben. Das war auch die Klammer zum abschließenden Beitrag von Andreas Fischer, Direktor jener Mittelschule aus der Jugendliche das oben beschriebene Theaterstück gespielt hatten. Fischer sprang für den verhinderten Andreas Paschon von der Salzburger Universität ein. Thema des Abschluss-Beitrags: „Pädagogische Einrichtungen reformieren sich selbst“.

Aus seiner alltäglichen Praxis brachte Fischer eine kräftige Portion Skepsis gegenüber dieser Zielstellung ein. Eigentlich hätten Pädagog:innen Tag für Tag die Chance, im Miteinander mit ihren Schüler:innen Lernen, den Umgang miteinander, die gemeinsame Arbeit zu reformieren, besser zu machen, aber… und dann nannte er immer wieder kehrende sehr begrenzende Rahmenbedingungen, aber auch so manch fehlende Offenheit bei jenen, die diesen Beruf ausüben.

Fischer brachte eines der vielleicht häufigsten auf den Punkt bringenden Zitate Korczaks dazu: „Nur wer weiß, dass Tränen salzig sind, kann Kinder erziehen – wer das nicht weiß, soll Kinder nicht erziehen.“

Follow@kiJuKUheinz

www.janusz-korczak.at

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