Auch zum Jubiläum von Jugend Innovativ stellten Schüler:innen wieder einige patentreife Projekte vor. Heute die fünf Final-Arbeiten in der Wissenschaftskategorie.
Eeeendlich wieder analoge Live-Begegnungen mit jungen Erfinderinnen und Erfindern. Nach zwei – aus bekannten Gründen – Jahren mit ausschließlich Online-Präsentationen konnten beim 35. Bundesfinale des Bewerbs Jugend Innovativ Schülerinnen und Schüler in sieben Kategorien ihre Projekte in der Aula der Akademie der Wissenschaft in Wien vorstellen, direkt miteinander, mit Interessierten und natürlich auch mit Journalist:innen reden, erklären, was sie sich, warum und wie ausgedacht haben.
Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … wird – wie in den vergangenen Jahrzehnten damals noch im Kinder-KURIER – nicht nur die Siegerinnen und Sieger, sondern alle Finalprojekte und deren Schöpfer:innen präsentieren. Damit die 35 Teams in den Kategorien Design, Engineering (Ingenieurswissenschaft) I sowie II, Entrepreneurship (Unternehmer:innentum), ICT & Digital, Science (Wissenschaft) und Sustainability (Nachhaltigkeit) nicht in einem Mega-Artikel untergehen, veröffentliche ich hier von heute an in den nächsten Tagen jeweils die fünf Finalprojekte einer anderen Kategorie – nicht wie die Aufzählung in alphabetischer Reihenfolge.
Wegen der Bedeutung, der schon erprobten Praxistauglichkeit des Gewinner:innen-Projekts, das noch dazu zwei Preise bekommen hat, sei mit Wissenschaft, also der Kategorie Science begonnen. 265 Projekte waren im Herbst in den Bewerb gestartet, 35 stellten sich im Finale vor, in der Award-Show, knapp aber doch stimmungsvoll moderiert von Ana Ryue und Fabian Unger, gab’s für die Preisträger:innen als Trophäe orangefarbene Lego-Nachbauten des relativ neuen Logos von Jugend Innovativ, einer Treppe zum Erfolg; sowie Preisgeld und noch beliebter Reisepreise zu internationalen Bewerben – jeweils in den Infoboxen zu finden.
So, jetzt aber auf zu den ausgezeichneten jungen Wissenschafter:innen
Seit vielen Jahren ist weitgehend bekannt, dass Bienen ein sehr guter Indikator sind, wie es der (Um-)Welt geht. Auskenner:innen wissen seit ewig, dass die Verringerung bis Vernichtung dieser biologischen Blütenbestäuber extrem gefährlich ist. Eine weit verbreitete Krankheit, ja Seuche, die Bienen dahinrafft ist die „amerikanische Faulbrut. Ist ein Stock davon befallen, müssen alle Völker wegen Infektionsgefahr im Umkreis von drei Kilometern vernichtet werden. Nicht nur schade um die Bienen, sondern auch ein wirtschaftlicher Schaden für die Imker:innen.
Gilt aber „nur“ bisher. Denn ein Trio aus der HLUW Yspertal (Höhere Lehranstalt für Umwelt und Wirtschaft) des Zisterzienserstiftes Zwettl (NÖ) hat eine fast unglaubliche recht einfache, natürliche, biologische und noch dazu kostengünstige Abhilfe geschaffen. Lorenz Hinterplattner, selber seit seinem 12. Lebensjahr Imker, hat gemeinsam mit Jasmin Schalli und Markus Bollwein geforscht, welche pflanzlichen Wirkstoffe könnten die amerikanische Faulbrut – und das eben ganz naturnahe – bekämpfen und besiegen.
„Rund 90.000 Pflanzenstoffe standen zur Auswahl. Wir haben dann recherchiert, welche sind regional verfügbar und vor allem weder für Bienen noch für Menschen – über den Honig – schädlich. Da sind rund 10.000 übrig geblieben. Die haben wir mit Hilfe von Mikrotiter-Platten analysiert. Außerdem haben wir eine Biene sozusagen in flüssiger Form nachgebaut, also die Proteine, Saccharide (Kohlehydrate) und so weiter“, erzählt das Trio Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … bei der Ausstellung aller Projekte im Bundesfinale, das erstmals nach zwei reinen Online-Jahren wieder analog und live stattfinden konnte.
Im Labor fanden die drei Jugendlichen dann heraus, welche pflanzlichen Wirkstoffe die Erreger dieser Seuche bekämpfen. Dann ging’s – unter kontrollierten – Bedingungen ins „Feld“, also an echte Bienenvölker. „Wir haben eine Notfallzulassung für unser Medikament bekommen und befinden uns bereits im Verfahren der EU-Zulassung“, berichten die Erfinder:innen des Mittels, das sie SP50 nennen. Und wie das bei richtigen wissenschaftlichen Studien State of the Art ist – mit einer Kontrollgruppe, die nicht das entwickelte in Zuckerwasser gelöste Mittel verabreicht bekommen haben.
SP50 nennt das Trio sein Mittel, das zwei Mal verabreicht, das von der amerikanischen Faulbrut befallene Volk gesunden lässt. Die mit dieser Medizin gefütterten Bienen reinigen die Waben von der abgestorbenen Brut, stecken sich selber nicht mehr an und kein anderes Volk in der Umgebung muss getötet werden.
Die Kosten für die Behandlung eines von der Seuche befallenen Volkes liegen übrigens unter 10 Euro verraten der Jung-Imker, der schon Bewerbe gewonnen hat und Staatsmeister war. „Jetzt darf ich nicht mehr mitmachen, weil ich selbst schon Ausbildner und Wertungsrichter bin“, so Lorenz Hinterplattner, Besitzer von zehn Bienenvölkern.
Das Trio hat für die Weiterarbeit am entwickelten Medikament ein eigenes Unternehmen gegründet: Hive Analytics OG – Link siehe unten in der Infobox.
Am Rand eines Teiches spazieren gehen, stehen oder sitzen und Enten füttern. Ach, wie gern bringen (Groß-)Eltern ihren (Enkel-)Kindern so was bei. Und das, obwohl es genauso wie das Taubenfüttern im Park und auf Plätzen seit Jahrzehnten bekanntermaßen nicht tierfreundlich, sondern schädlich für diese und die Umwelt ist. Die finden sich schon ihr Futter selber.
Auch Kristin Bayer aus dem oberösterreichischen Vöcklabruck liebte es als junges Kind am Ufer des Stadtteichs, Enten zu füttern. Heute, als Maturantin am BRG Schloss Wagrain ist sie da strikt dagegen. Der Sinneswandel kam für die Chemie-Begeisterte durch die Ergebnisse ihrer vorwissenschaftlichen Arbeit mit dem Titel „Gesundheitsgefährdung durch Wasservögel am Vöcklabrucker Stadtteich – chemische Wasseranalyse“.
Schon vor den Ergebnissen bei den ersten Entnahmen von Wasserproben hat sie, so berichtet sie Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … „250 Kilo tote Fische in nur vier Monaten“ festgestellt. Sie analysierte nicht nur die Wasserproben auf neun Parameter samt Pilz- und Bakterienuntersuchungen. Kristin Bayer beobachtete und untersuchte auch das „Quellverhalten von Schwarz- und Weißbrot“. Ihre Schlussfolgerungen: „Die Krümel quellen im Wasser und im Magen der Vögel oft stark auf, sodass sie sich nicht mehr bewegen können. Überfüttert, verzichten sie auf natürliche Wege der Nahrungssuche. Ratten werden angelockt. Wenn sich im Teich dann auch noch massenhaft Algen bilden, ist das Ökosystem gänzlich gekippt.“
Die Jugendliche stellte aber nicht nur den ist-Zustand fest, sondern machte auch mehrere Vorschläge für Abhilfen: Feinfiltersäcken zur Algenentfernung, Netze über dem Teich im Herbst, vor allem aber noch mehr „Füttern verboten!“-Schilder – eventuell auch mit der Ergänzung der Erklärung, weshalb das für das ökologische Gleichgewicht im Teich besser ist.
Dafür belohnte die Jury Kristin Bayer mit dem dritten Platz in der Kategorie Science UND schickt sie zur International Wildlife Research Week 2022 im schweizerischen Graubünden.
Ein drittes Projekt der Kategorie Science beschäftigte sich mit Tieren. Ihr Wohl ist das Anliegen von Julia Klammer und Anna Oberauer aus der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft in Raumberg-Gumpenstein (Steiermark). In ihrer Diplomarbeit entwickelten sie ein System, wie Milchbäuer:innen wichtige Angaben über Bedingungen im Stall und auf der Weide und das Wohlbefinden von Milchkühen in eine App am Tablet eingeben könn(t)en. „Wichtig war uns auch, dass dies auch offline funktionieren würde, weil es nicht immer WLAN oder Internet-Empfang gibt.“ Elf Betriebe in Kärnten, Salzburg und Tirol haben an dieser kostenlosen Erhebung des „Tierwohl“-Indikators teilgenommen.
Mit diesem Projekt erreichten sie einen der beiden Anerkennungspreise in der Wissenschafts-Kategorie.
Die beiden anderen Wissenschaftsprojekte sind technischer Natur – und dennoch auch getragen von einem sehr naturnahen Gedanken: Verringerung der Ressourcen, die wir Menschen verbrauchen.
An einem an einer Schnur hängenden, sozusagen schwebenden Modellwürfel erläutern Michael Peer und Edin Vilić von der HTBLuVA (Höhere Technische Bundes-Lehr und VersuchsAnstalt) Salzburg was sie sich für Satelliten ausgedacht haben, die um die Erde kreisen. Derzeit braucht es viel zugeführte Energie, wenn sie auch nur wenig in ihrer Umlaufbahn gedreht werden sollen. „Wir wollen die sogenannte Lorentzkraft (nach dem niederländischen Mathematiker und Physiker Hendrik Antoon Lorentz benannt) ausnützen“, erläutern sie dem Reporter. Diese unsichtbare Kraft wirkt auf Ladungen in einem magnetischen oder elektrischen Feld. Dem Modellwürfel führen sie Strom zu und steuern ihn durch Microcontroller und Sensoren. Dafür gab’s sozusagen die Silbermedaille, besser gesagt Platz 2 in der Kategorie Science.
Die Herstellung von Ammoniak (für viele Stickstoff-Verbindungen nicht zuletzt bei Düngern wichtig) ist derzeit weder umweltfreundlich noch kostengünstig. Wie’s anders – auf natürlichem Weg – ginge, daran tüftelten Alina Neuleitner und Christian Eberherr von der HTL Braunau (OÖ). Das übliche, sogenannte Haber-Bosch-, Verfahrenfunktioniert nur mit sehr hohen Temperaturen und Druck – und verursacht als negativen Nebeneffekt zwei bis drei Prozent des weltweiten CO2 -Ausstoßes. „Cyanobakterien produzieren Ammoniak ganz natürlich“, so klärt das Duo den fragenden Journalisten auf. „Aber nur so viel, wie sie selber brauchen. Wir haben einen Weg gesucht, sie ein bisschen auszutricksen, damit sie mehr Ammoniak herstellen. Wir haben ein solches Bakterium im Labor nachgebaut und damit im schuleigenen Bioreaktor kontrollierte Experimente durchgeführt – die Zellmembran geöffnet. Wir wissen nun, dass dieser Weg im Prinzip funktioniert, man müsste noch mit der Genschere Crispr operieren.“
Die Ammoniak-Produktion würde damit nicht nur die Umwelt deutlich weniger belasten, sondern auch um ein Vielfaches billiger werden. „Aber ein Anschlussprojekt in unserer Schule wird im nächsten Schuljahr da weiter forschen“, freuen sich die beiden Jungwissenschafter:innen. Für AMMON- Ammoniakerzeugung mittels modifizierter Organismen“ gab’s einen Anerkennungspreis in dieser Kategorie.
1. Preis: Finden eines konkreten Wirkstoffes und dessen Dosierung zur Behandlung der Amerikanischen Faulbrut (HLUW Yspertal)
Eine weltweit verbreitete Krankheit, die Bienenvölkern zu schaffen macht, verliert durch einen neuen Wirkstoff ihren Schrecken. Ein Projektteam ermittelte in Feldversuchen die richtige Dosierung.
2. Preis: Nano-SAT-Control, HTBLuVA Salzburg
3. Preis: Gesundheitsgefährdung durch Wasservögel am Vöcklabrucker Stadtteich – chemische Wasseranalyse, BRG Schloss Wagrain Vöcklabruck
Anerkennungspreise
Tierwohl sichtbar machen, HBLFA Raumberg-Gumpenstein
AMMON – Ammoniakerzeugung mittels modifizierter Organismen, HTL Braunau
Am österreichweiten Schulwettbewerb Jugend Innovativ haben seit der Gründung vor 35 Jahren bisher mehr als 11.000 Projekt-Teams mit rund 60.000 beteiligten Jugendlichen teilgenommen.
Der Bewerb wird im Auftrag der Ministerien für Arbeit und Wirtschaft (noch heißt es offiziell Digitalisierung und Wirtschaftsstandort), Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie von der Austria Wirtschaftsservice GmbH (aws) abgewickelt.
Für Platz 1 gibt es 2000 €, der zweite Preis bringt 1.500 Euro ein, die Drittplatzierten bekommen jeweils 100 Euro und schließlich entfallen auf die Anerkennungspreise auch noch je 500 €.