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Khan (3) im serbischen Belgrad sucht nach Perspektiven
Khan (3) im serbischen Belgrad sucht nach Perspektiven
28.10.2021

Pandemie ließ/lässt den Eisberg erahnen

UNICEF-Studien und Mediengespräch zu Mental Health vor allem von Kindern und Jugendlichen.

„Keine Freunde zu treffen… hat wahrscheinlich die psychische Erkrankung vieler junger Menschen verschlimmert. Oder, die psychische Gesundheit hat sich verschlechtert. Denn sich mit Freunden zu treffen, kann oft etwas sein, das Ängste und Stress lindert.“  Das Zitat stammt von einer Jugendlichen aus Schweden – in Erhebungen des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen. Erhoben wurde quantitativ und in qualitativen Interviews mit Kindern und Jugendlichen. Forschungsgegenstand: Psychische Gesundheit bzw. Beeinträchtigung junger Menschen – verstärkt durch die Pandemie.

Doktorin Caroline Culen (klinische Psychologin und u.a. Geschäftsführerin der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit), der vielfache Jugend-Botschafter Ali Mahlodji, Corinna Geißler, Leitung Advocacy des Österreichischen Komitees für UNICEF sowie Christoph Jünger, UNICEF-Österreich-Geschäftsführer luden Donnerstag (28. Oktober 2021) zu einem Mediengespräch in Sachen Kinder, Jugend und psychische Gesundheit.

Zum einen, so alle vier, gelte es noch immer, diese Frage aus dem Tabubereich herauszuholen. Wer sich am Fuß verletzt, Blinddarmschmerzen oder sonstige körperlich Symptome hat, geht zur Ärztin/zum Arzt. Bei Sorgen, Angststörungen, Depressionen, Burnout oder anderen psychischen Beschwerden ist es noch immer nicht üblich/normal, ebenso fachliche Hilfe oder Rat in Anspruch zu nehmen.

Das – so der Tenor – sei vielleicht das einzige, was in diesem Zusammenhang an der Pandemie positiv zu verzeichnen sei: Psychische Probleme wurden immerhin – nach langem Wegschauen – zum Thema.

Jede/r Siebente

Aktuellen Schätzungen zufolge lebt jeder siebte junge Mensch zwischen zehn und 19 Jahren weltweit mit einer diagnostizierten psychischen Beeinträchtigung oder Störung wie Angststörungen, Depressionen oder Verhaltensauffälligkeiten. Weltweit nehmen sich jedes Jahr rund 46.000 junge Menschen zwischen zehn und 19 Jahren das Leben – ein junger Mensch alle elf Minuten. In der Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen ist Suizid die vierthäufigste Todesursache nach Verkehrsunfällen, Tuberkulose und Gewalttaten.

Europa und Österreich sind trotz sicher besserer Versorgung als in vielen anderen Teilen der Welt keine Insel der Seligen. Eine eigene UNICEF-Analyse für Europa offenbart das Ausmaß der Probleme der psychischen Gesundheit von Jugendlichen in Europa. Hier leben neun Millionen Jugendliche im Alter von 10-19 Jahren mit einer psychischen Erkrankung sprich 16,3 Prozent. Suizid stellt die zweithäufigste Todesursache dar. Angstzustände und Depression sind die häufigsten psychische Erkrankungen in Europa – bei mehr als der Hälfte (55%) aller psychischen Erkrankungen handelt es sich um Ängste oder Depressionen (bei Mädchen sind es sogar über 70%).

Österreich: Fast jede/r Fünfte

In Österreich ist die Lage sogar noch dramatischer. Hier zu Lande leiden 18,2 Prozent der 10-19-jährigen unter psychischen Problemen. Das sind knapp 160.000 Jugendliche in Österreich. 24% der Kinder und Jugendlichen in Österreich zeigen im Laufe ihrer jungen Leben zumindest Symptome einer psychischen Erkrankung. Hierzu gehören suizidale Gedanken, nicht-suizidales selbstverletzendes Verhalten, Depressionen, Angstzustände, Zwangsverhalten und Aggressionen.

Lebensnotwendige Entwicklungsschritte

Insbesondere Jugendliche seien mit ihren nicht nur Problemen, sondern dringenden Bedürfnissen lange ignoriert und sogar immer wieder öffentlich beschimpft worden als die, die sich zusammenreißen sollen, die Party feiern wollen. Dabei wären Party und soziale, echte, reale Begegnungen gerade im Jugendalter lebensnotwendige Entwicklungsschritte.

Aber selbst wenn – und noch lange nicht sind diese Fragen völlig enttabuisiert – dann fehlt es auch an ausreichenden, niederschwelligen, kostenlosen Angeboten.

15-jährige Valia in der Ostukraine
Verzweifelte 15-jährige Valia in der Ostukraine

Forderungen und Lösungsansätze

Es gilt – so die Forderungen der genannten Fachleute -, die psychische Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und Betreuenden zu fördern, gefährdete Kinder zu schützen und besonders verletzliche Kinder zu unterstützen.

  • Es braucht dringend mehr Investitionen in die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in allen Bereichen der Gesellschaft, nicht nur im Gesundheitswesen. Ziel sollte es sein, einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz zum Schutz, zur Förderung und zur Unterstützung zu entwickeln; insbesondere braucht es niederschwellige Angebote und kostenfreien Zugang zu psychosozialer Unterstützung für alle.
  • Evidenzbasierte, übergreifende Maßnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit in den Bereichen Gesundheit, Bildung und soziale Sicherung sollten ausgeweitet werden. Dazu gehören Elternprogramme, die eine flexible, liebevolle Unterstützung und Betreuung der Kinder und die psychische Gesundheit von Eltern und Erziehenden fördern. Schulen sollten die psychische Gesundheit durch qualitative Hilfsangebote und ein positives Lernumfeld unterstützen;
  • Das Schweigen über psychische Erkrankungen muss gebrochen, Stigmata bekämpft und Aufklärung im Bereich der psychischen Gesundheit gefördert werden. Die Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen müssen ernst genommen werden

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Unicef.at