UNICEF-Gallup-Umfrage unter 21.000 Jungen (ab 15 Jahren und Älteren über 40) zeigt: Jüngere sind trotz Pandemie und Klimakrise optimistischer; sie sind mehr Weltbürger:innen und vertrauen stärker auf Wissenschaft.
Das ist nun doch überraschend: Kinder und Jugendliche sind – trotz fast zwei Jahren Pandemie samt den Einschränkungen in Schule, Bildung, Sozialleben und trotz des für viele eher mickrigen Ergebnisses der jüngsten Weltklima-Konferenz in Glasgow (Schottland) optimistisch. Das ergibt eine Umfrage des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen, UNICEF, mit dem Meinungsforschungsinstitut Gallup. Die Ergebnisse wurden am Donnerstag Mitternacht (Londoner Zeit) und damit zwei Tage vor dem 32. Geburtstag der UNO-Kinderrechtskonvention bekannt gegeben.
Die Umfrage „The Changing Childhood Project“ ist die erste bei der mehrere Generationen nach ihren Ansichten über die Welt und darüber, wie es ist, heute ein Kind zu sein, befragt wurden. Es wurden mehr als 21.000 Menschen in 21 Ländern (Argentinien, Bangladesch, Brasilien, Kamerun, Äthiopien, Frankreich, Deutschland, Japan, Indien, Indonesien, Kenia, Libanon, Mali, Marokko, Nigeria, Peru, Simbabwe, Spanien, Vereinigtes Königreich, Ukraine und USA) in zwei Altersgruppen (15-24 Jahre und über 40 Jahre) befragt. Die national repräsentativen Umfragen wurden in Ländern aller Regionen – Afrika, Asien, Europa sowie Nord- und Südamerika – und Einkommensstufen durchgeführt.
Die Umfrage zeigt, dass junge Menschen eher glauben, dass sich die Kindheit verbessert hat. Eine überwältigende Mehrheit ist der Meinung, dass die Gesundheitsversorgung, die Bildung und die physische Sicherheit für die Kinder von heute besser sind als für die Generation ihrer Eltern. Doch trotz ihres Optimismus sind die jungen Menschen alles andere als naiv. Sie sind unermüdlich, wenn es um den Klimawandel geht, und fordern Maßnahmen. Sie sind skeptisch gegenüber Informationen, die sie in den sozialen Medien konsumieren, und haben mit Depressionen und Ängsten zu kämpfen. Sie sehen sich im Vergleich zu älteren Menschen deutlich eher als Weltbürger:innen und befürworten stärker die internationale Zusammenarbeit zur Bekämpfung von Bedrohungen wie der Pandemie.
So identifizieren sich junge Menschen (39 Prozent) im Durchschnitt fast doppelt so häufig wie ältere Menschen (22 Prozent) als Teil der Welt und nicht als Teil ihrer eigenen Nation oder ihrer Heimat. Mit jedem zusätzlichen Lebensjahr sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Menschen als Weltbürger:innen identifizieren, um durchschnittlich ein Prozent.
„Kinder und junge Menschen weigern sich, die Welt durch die düstere Brille der Erwachsenen zu sehen“, sagt UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta Fore. „Im Vergleich zu älteren Generationen sind die jungen Menschen hoffnungsvoll, viel globaler eingestellt und entschlossen, die Welt zu verbessern. Die jungen Menschen von heute machen sich Sorgen um die Zukunft und sehen sich selbst als Teil der Lösung.“
Die Umfrage – die während der Pandemie durchgeführt wurde – zeigt auch, dass Kinder und Jugendliche im Allgemeinen mehr Vertrauen in nationale Regierungen, Wissenschaftler:innen und internationale Nachrichtenmedien als Quellen für genaue Informationen haben. Dennoch zeigt die Umfrage, dass sich die jungen Menschen heute der Probleme bewusst sind, mit denen die Welt konfrontiert ist:
• Die Mehrheit der jungen Menschen sieht ernsthafte Risiken für Kinder im Internet, wie z.B. gewalttätige oder sexuelle Inhalte (78 %) oder Mobbing (79 %).
• Nur 17 Prozent der jungen Menschen geben an, dass sie den Plattformen der sozialen Medien „sehr“ vertrauen, was die Bereitstellung korrekter Informationen angeht.
• Während 64 Prozent der jungen Menschen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen glauben, dass es den Kindern in ihrem Land wirtschaftlich besser gehen wird als ihren Eltern, haben junge Menschen in Ländern mit hohem Einkommen wenig Vertrauen in den wirtschaftlichen Fortschritt. Dort sagt weniger als ein Drittel der jungen Befragten, dass die Kinder von heute wirtschaftlich besser gestellt sein werden als ihre Eltern.
• Mehr als ein Drittel der jungen Menschen gibt an, sich oft nervös oder ängstlich zu fühlen, und fast jede/r Fünfte sagt, er/sie fühle sich oft deprimiert oder habe wenig Lust, etwas zu unternehmen.
• Im Durchschnitt sagen 59 % der jungen Menschen, dass Kinder heute einem größeren Erfolgsdruck ausgesetzt sind als ihre Eltern in ihrer Kindheit.
Die Umfrage zeigt auch, dass junge Menschen sich schnellere Fortschritte bei der Bekämpfung von Diskriminierung und mehr Zusammenarbeit zwischen den Ländern wünschen sowie, dass ihnen die Entscheidungsträger:innen zuhören:
• Im Durchschnitt sind fast drei Viertel der jungen Menschen, die sich des Klimawandels bewusst sind, der Meinung, dass die Regierungen erhebliche Maßnahmen ergreifen sollten, um ihn zu bekämpfen. In Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen (83 %), in denen die Auswirkungen des Klimawandels voraussichtlich am stärksten sein werden, ist der Anteil noch höher.
• In fast allen Ländern, in denen die Befragung durchgeführt wurde, ist eine große Mehrheit der jungen Menschen der Meinung, dass ihre Länder sicherer vor Bedrohungen wie COVID-19 wären, wenn die Regierungen mit anderen Ländern zusammenarbeiten würden.
• Junge Menschen zeigen eine stärkere Unterstützung für LGBTQ+-Rechte, wobei junge Frauen den Kampf für Gleichberechtigung anführen.
• Im Durchschnitt sind 58 Prozent der 15- bis 24-Jährigen der Meinung, dass es sehr wichtig ist, dass die politischen Entscheidungsträger:innen den Kindern zuhören.
„Obwohl diese Studie ein differenziertes Bild der Kluft zwischen den Generationen zeichnet, ergibt sich ein klares Bild: Kinder und junge Menschen verkörpern den Geist des 21. Jahrhunderts weitaus stärker als ihre Eltern“, so UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta Fore. „Da sich UNICEF darauf vorbereitet, im nächsten Monat sein 75-jähriges Bestehen zu feiern, und im Vorfeld des Weltkindertages ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir jungen Menschen direkt zuhören, wie es ihnen geht und wie sich ihr Leben verändert.“
Die Umfrage zeigt, dass es in einigen Bereichen starke Übereinstimmungen zwischen der jungen und der älteren Generation gibt – vor allem in Bezug auf das Klima, die Bedeutung der Bildung, die globale Zusammenarbeit und die Handlungskompetenz der Kinder. Im Gegensatz dazu spiegeln Optimismus, globales Denken und die Anerkennung des historischen Fortschritts einige der tiefsten Gräben wider.
„Wir können nicht wissen, was die jungen Menschen bewegt, wenn wir sie nicht fragen. Die UNICEF-Umfrage unterstreicht, wie wichtig es ist, der nächsten Generation zuzuhören und ihre Perspektiven zu verstehen“, sagt Joe Daly, Senior Partner bei Gallup. „Die Kinder von heute sind die Führungskräfte von morgen. Es ist entscheidend, dass die älteren Generationen ihren Teil dazu beitragen, dass unsere Kinder eine bessere Welt erben.“