Jugendliche führen andere Schüler:innen durch eine selbst gestaltete Antirassismus-Ausstellung in den Gängen einer Simmeringer AHS.
„Darf ich deine Haare anfassen?“ „War die Queen rassistisch?“ „Was für eine Mischung bist du?“ Was ist überhaupt Rassismus? Ist es okay, jemanden nach deren oder dessen Herkunft zu fragen? Ist der Spruch „ich steh eh auf deiner Seite“ nicht eigentlich voll super?
Diese und viiiiele weitere Plakate hängen an Glaswänden in einem der Gänge des Schulzentrums (AHS und HAK/HASch) Geringergasse (Wien-Simmering). Schüler:innen des (Real-)Gymnasiums haben vor Monaten eine Antirassismus-Ausstellung gestaltet. Schulsprecherin Aanab Mohamed hatte u.a. darüber beim Kinder- und Jugendparlament Ende März im Wiener Rathaus berichtet. Und so wollte Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… diese sehen und was und wie damit in der Schule umgegangen wird. Nun war es – endlich – so weit.
Anna, Felix, Johanna, Lea und Warisha aus sechsten Klassen haben – gemeinsam mit weiteren Mitschüler:innen – im Rahmen des Freifaches Projektmanagement unter anderem diese Ausstellung gestaltet. Dafür hatten sie vor allem Anleihe bei dem Buch „War das jetzt rassistisch? – 22 Antirassismus-Tipps für den Alltag“ mit Beiträgen von rund eineinhalb Dutzend Autor:innen, herausgegeben von „Black Voices“, genommen (siehe Info-Box am Ende). Und sie hatten sich darauf vorbereitet, als Guides durch die Schau Dutzender Plakate, die Fragen stellen, zu weiteren Gedanken und Gesprächen anregen, zu führen.
KiJuKU.at durften die Schüler:innen der 2 d in der ersten Juni-Woche begleiten, die von den genannten fünf Jugendlichen – teils in kleineren Gruppen durchgeführt wurden. Und danach in der Klasse noch Fragen stellen. Insgesamt, so die Zweitkläss’ler:innen „haben wir schon vorher viel über Rassismus gewusst“, aber beispielsweise meinten sowohl Karol als auch Adrian, „das mit Asian Rassismus war mir vorher nicht so bewusst“. Marko ergänzte: „Viele Details waren schon neu!“
Rewan fand neu, „dass Menschen die Frage, „darf ich deine Haare anfassen“, stören könnte“. Anja nannte sehr interessant, ob und wie es möglich ist jemanden zu fragen, woher sie oder er kommt, ohne dies böse zu meinen. Ilma sieht nach dem gemeinsamen Durchwandern der Ausstellung und dem darüber-reden, dass so manch einzelne Schimpfwörter oft „nur“ Teil eines größeren abwertenden Zusammenhangs sind.
Jan zeigte sich besonders beeindruckt von der Grafik mit dem Eisberg. Wie bei einem solchen sind Hass, Ausgrenzung, Hetze und gar Gewalt „nur“ der kleine sichtbare Teil von Rassismus. Unter der Oberfläche machen struktureller und institutioneller Rassismus den viel größeren Teil aus, auf dem der sichtbare aufbaut.
Zurück zu den fünf jugendlichen Guides: Die meinen, dass die meisten Schüler:innen, die sie durchführen ziemlich interessiert und meist ohnehin schon offen für Vielfalt seien. Bei manchen Klassen wäre es ein wenig schwierig gewesen, sie zu Fragen und Gesprächen zu motivieren. „Aber vor allem fühlen wir uns schon geehrt, dass wir andere Schüler:innen durch so ein wichtiges Thema begleiten und einiges dazu erklären dürfen.“
Wirklich anstrengend aber wären nur manche Führungen für Erwachsene von außerhalb der eigenen Schule gewesen, beispielsweise bei einem Rundgang mit Direktor:innen anderer Schulen, wo das N-Wort gefallen sei oder jemand meinte, uns in Sachen Kopftuch belehren zu müssen…
Zurück zum Anfang, weil möglicherweise die Frage mit der verstorbenen englischen Königin vielleicht irritieren könnte – da ging es um die Debatten rund um die Ehe von Elizabeths Enkel Harry mit Meghan und so manchen Hinweisen, dass diese, nur weil Person of Color, nicht gleichwertig behandelt worden wäre. Aber auch darum, dass jemand, nur weil sie oder er sich nicht (ganz) korrekt verhält, noch lange nicht grundsätzlich ein schlechter Mensch wäre. Und durchaus jede und jeder dazulernen könne, lange verinnerlichte Alltags-Rassismen zu erkennen, zu hinterfragen und abzulegen.
Und das mit „ich steh eh auf deiner Seite“ – naja das bedeutet ja dann wohl doch ein wir und ihr, die einen und die anderen statt des Ziels einer Gemeinschaft, eines wir über alle Unterschiede hinweg, welcher Art auch immer. Das oben schon genannte Buch – mehr in der Info-Box unten – beginnt im Inneren schon auf der sogenannten Vorsatzseite. In gelber Schrift steht auf schwarzem Papier: „Sei Teil der Bewegung. Sei Teil der Veränderung. Allyship starts here.“ (Verbündet-Sein beginnt hier)
Die genannte und beschriebene Antirassismus-Ausstellung ist wiederum „nur“ Teil einer umfassenden Schau zu Menschenrechten – mit teils ausgeborgten professionellen Ausstellungstafeln zu diskriminierten, marginalisierten Gruppen – sei es ethnisch oder in Sachen sexueller Orientierung- von Kärntner Slowen:innen über Burgenland-Kroat:innen Rom:nja , LGBTQIA+…
Herausgegeben von Black Voices
Geschrieben von rund eineinhalb Dutzend People of Color, Antirassismus-Expert:innen aus der afrikanischen, asiatischen, jüdischen, Rom*nja und muslimischen Community: Amani Abuzahra, Asma Aiad, Omar Khir Alanam, Noomi Anyanwu, Emmeraude Banda, Chantal Bamgbala, Samuel Hafner, Melanie Kandlbauer, Minitta Kandlbauer, Adjanie Kamucote, Sladjana Mirković, Nada Taha Ali Mohamed, Magdalena Osawaru, Mireille Ngosso, Camila Schmid, Vina Yun
230 Seiten
Leykam Verlag
23,50 €