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Senegal, Hann-Bucht
Senegal, Hann-Bucht
21.06.2025

Zerstörte Schulen wieder aufbauen und Kritik an Bundesregierung

Weltflüchtlingstag: Südwind fordert sichere Wege, Familiennachzug und politische Teilhabe; Jugend Eine Welt will Schulen im (bürger-)kriegszerstörten Äthiopien wieder aufbauen.

Anlässlich des Weltflüchtlingstags forderte die österreichische Menschenrechtsorganisation Südwind einen grundlegenden Kurswechsel in der Asyl- und Migrationspolitik – hin zu einer solidarischen Aufnahme, menschenwürdigen Unterbringung und aktiver gesellschaftlicher Teilhabe von Geflüchteten. „Flucht ist kein Verbrechen, sondern ein Menschenrecht. Die Bundesregierung muss auf sichere Fluchtwege, Integration und Mitbestimmung setzen, statt auf Symbolpolitik und leere Ankündigungen“, erklärt Stefan Grasgruber-Kerl, Kampagnenleiter bei Südwind. „Fluchtursachen zu bekämpfen heißt: Klimagerechtigkeit, internationale Solidaritätsarbeit und menschenrechtsbasierte Politik.“

Mehr als 120 Millionen Menschen auf der Flucht, zwei Drittel im eigenen Land

Anlässlich des Weltflüchtlingstages am 20. Juni (2001 zum 50. Geburtstag der Genfer Flüchtlingskonvention eingeführt) wurden die aktuellen Zahlen bekannt gegeben. Die für Flüchtlinge zuständige Organisation der Vereinten Nationen, UNHCR registriert mehr als 120 Millionen Menschen, die ihre unmittelbare Heimat verlassen mussten, wobei zwei Drittel Zuflucht im eigenen Land finden (müssen), 43 Millionen Menschen sind Geflüchtete in einem anderen Land. Die meisten von ihnen finden Schutz in Nachbarländern des Globalen Südens. Nur ein Bruchteil hat Zugang zu Asylverfahren in Staaten wie Österreich.

Bau des Lagers Vastria auf der griechischen Insel Lesbos
Bau des Lagers Vastria auf der griechischen Insel Lesbos

Isolierte Lager erschweren unabhängige Kontrolle

Stellvertretend für die fehlgeleitete EU-Migrationspolitik nennt Südwind das neue Flüchtlingslager Vastria auf der griechischen Insel Lesbos. Das Nachfolgelager des berüchtigten Camps Moria liegt inmitten eines Hochrisikogebiets für Waldbrände und ist nur äußerst schwer erreichbar für externe Beobachter:innen. Hohe Sicherheitsmaßnahmen, eine abgelegene Lage und mangelnde Infrastruktur verhindern, dass NGOs und Medien Einblicke in die Zustände vor Ort bekommen. „Isolation schützt nicht vor Missständen. Flüchtlingsaufnahme darf nicht an den Rand gedrängt werden. Wir fordern offene, gut erreichbare Unterkünfte, die soziale und rechtliche Betreuung ermöglichen und keine Lager im Nirgendwo, die sich einer unabhängigen Kontrolle entziehen. Gleichzeitig braucht es sichere und legale Fluchtwege in die EU, etwa über Programme für humanitäre Aufnahme“, so Grasgruber-Kerl beim Lokalaugenschein auf der Insel anlässlich eines europäischen Netzwerktreffens der Grenzgemeinden und –inseln (BTIN) in der Gemeinde West-Lesbos.

Bürglkopf

Im Rahmen des – noch bis einschließlich Sonntag laufenden Jugend- und Kunstfestivals „Demokratie, was geht?“ gemeinsam mit der ÖH, der Österreichischen Hochschüler_innenschaft, wurde am Abend des Weltflüchtlingstages im Wiener Gartenbaukino der Film „Bürglkopf“ gezeigt, der seine Premiere bei der Diagonale im März in Graz hatte. Lisa Polster (Regie und Drehbuch – gemeinsam mit Maira Vazquez Leven) dokumentiert darin das Leben von geflüchteten Menschen in dem weit ab- bzw hochgelegenen „Rückkehrzentrum Bürglkopf“ (Tirol, 1300 Meter Seehöhe, stundenlanger Fußmarsch ins Tal. Isolation der einen, wenige Kilometer entfernt befördern Seilbahnen Tourist:innen auf Berggipfel. Insaßen arbeiten für 1,60 € pro Stunde…

Scharfe Kritik an Bundesregierung

Vor diesem Hintergrund betrachtet Südwind die innenpolitischen Angriffe auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) mit großer Sorge. „Der Schutz von Menschenrechten ist nicht verhandelbar. Wer die Europäische Menschenrechtskonvention angreift, sägt an einer tragenden Säule unserer Bundesverfassung “, sagt Stefan Grasgruber-Kerl. „Was derzeit an politischer Rhetorik kursiert, ist nicht nur unverantwortlich, sondern gefährlich und ebnet den Weg für autoritäre Tendenzen.“

Ähnlich problematisch sieht Südwind die Bemühungen der Bundesregierung gegen den Familiennachzug. „Die Familienzusammenführung ist ein Menschenrecht und kein Privileg. Gleichzeitig schafft familiärer Rückhalt Stabilität und erleichtert die Integration. Es ist schlimm genug, dass lange Verfahren und hohe Hürden die Familienzusammenführung erschweren. Eine Aussetzung wäre eine integrationspolitische Bankrotterklärung“, so der Südwind-Sprecher.

Politische Teilhabe statt Ausgrenzung

Ein Schlüssel zu gelungener Inklusion ist die gesellschaftliche und demokratische Teilhabe. Südwind fordert daher mehr politische Mitsprache für Geflüchtete und Migrant:innen. Mehrere Pilot-Projekte zeigen einen großen gesellschaftlichen Mehrwert von Beteiligungsmöglichkeiten für Migrant:innen, sei es über Migrant:innenbeiräte oder Online-Beteiligung. Das Südwind-Projekt EMV-LII (Empowering Migrant Voices for Local Integration and Inclusion) ermutigt Migrant:innen dazu, sich aktiv in die Politik einzubringen. Gleichzeitig werden Gemeinden beim Aufbau nachhaltiger Beteiligungsstrukturen unterstützt. In Österreich arbeitet Südwind mit der Stadt Graz und ihrem Migrant:innenbeirat sowie der Marktgemeinde Lustenau zusammen.

UNHCR bietet Material rund um Flucht zum Download an
UNHCR bietet Material rund um Flucht zum Download an

Jugend Eine Welt: Schulbildung als wichtiger Hoffnungsschimmer

Eine Region, die besonders von Fluchtbewegungen innerhalb der eigenen Staatsgrenzen getroffen wurde, ist Tigray, im Norden Äthiopiens. Während des zweijährigen Bürgerkriegs zwischen der äthiopischen Regierung und der „Volksbefreiungsfront von Tigray“ (TPLF) verloren 700.000 Menschen ihr Leben. Eine Million flüchtete innerhalb der Region und lebt in notdürftigen Camps. „Oft wurden Schulen zu Notunterkünften umfunktioniert. Die Situation ist herzzerreißend. Auch zweieinhalb Jahre nach Kriegsende hausen Familien noch immer jeweils auf wenigen Quadratmetern, nur getrennt durch aufgehängte Planen oder Decken, die so gut wie keine Privatsphäre zulassen“, schildert Reinhard Heiserer, Geschäftsführer von Jugend Eine Welt.

Diese österreichische Entwicklungsorganisation unterstützt, seit ihrer Gründung vor 28 Jahren, in Tigray Schul- und Berufsausbildungsprojekte. Mit Beginn des Bürgerkriegs im November 2020 leistete Jugend Eine Welt durchgehend wichtige Nothilfe für die hungerleidende und traumatisierte Bevölkerung, unter anderem dank der Unterstützung der Austrian Development Agency (ADA). „Der Krieg zerstörte nicht nur das Leben der Millionen Menschen in der Region, sondern traf auch das Bildungssystem, was für die jüngere Generation weitereichende Folgen hat“, so Heiserer. „Die Kinder hatten über mehrere Jahre keinen Unterricht. Schulen, die verwüstet wurden, müssen nun schnell wieder aufgebaut werden. Damit die Mädchen und Buben eine Perspektive haben.“

Wenn überhaupt, dann ist derzeit nur Unterricht im Freien möglich
Wenn überhaupt, dann ist derzeit in der Tigray-egion in Äthiopien nur Unterricht im Freien möglich

Wiederaufbau der Schulen dringend nötig

Während des Bürgerkriegs machten die bewaffneten Truppen in der Tigray-Region vor nichts Halt. Als sie beispielsweise durch die Stadt Adwa zogen, wo Jugend Eine Welt gemeinsam mit den Salesianern Don Boscos u.a. Jugendliche zu Solartechnikerinnen und -technikern ausbildete, rissen sie Türen der Schulen aus den Angeln, schleppten Tafeln und Bänke davon, verbrannten Hefte und Bücher. Mehr als 2.400 Mädchen und Buben verloren an nur einem Tag ihren sicheren Lern- und Schutzraum. „Einige Schulen, sofern sie nicht mehr als Notunterkünfte für Binnenvertriebene benötigt werden, sind mittlerweile wieder geöffnet. Doch viele Klassenzimmer haben keine Einrichtung mehr. Alles ist leer, außer dem staubigen Boden ist nichts mehr da“, skizziert Heiserer die aktuelle Lage. „Dank der Unterstützung der Austrian Development Agency (ADA) sind wir mittlerweile dabei die Schulen mit Tafeln, Tischen, Sesseln, Unterrichtsmaterialen sowie barrierefreien Toiletten auszustatten. Doch parallel müssen auch die Gebäude bis zum kommenden Schuljahr wieder hergerichtet werden. Dächer müssen gedeckt und Mauern verputzt werden. Darüber hinaus benötigen die Schulkinder sauberes Trinkwasser und eine warme Mahlzeit – damit sie nicht mit leerem Magen lernen müssen. Die Einrichtung eines Klassenzimmers kostet 4.000 Euro, eine Lehrkraft verdient rund 100 Euro pro Monat. Das sind kleine Summen, können aber Großes verändern!“

Provisorischer Unterricht im Freien

Bis alle Schulen wiederhergestellt sind, läuft der Unterricht weiterhin notdürftig unter freiem Himmel. Oft dient nur ein großer Mangobaum als Dach über dem Kopf. „Die Schulkinder rücken auf einfachen Holzscheiten zusammen und lauschen dem Lehrer, der seine Tafel an den Stamm lehnt“, schildert Wolfang Wedan, Nothilfe- Koordinator von Jugend Eine Welt, Eindrücke von seinen letzten Besuchen in der Tigray-Region. „Für die Kinder, die Gewalt und Flucht erlebt haben, bedeutet dieser provisorische Unterricht weit mehr als Lesen und Rechnen: Er schenkt Struktur, Sicherheit und eine Portion Normalität im Ausnahmezustand.“

suedwind -> weltfluechtlingstag 2025

jugendeinewelt.at

sixpackfilm -> Bürglkopf

unhcr.org/at -> bildungsmaterial zu Flucht