Kinder Jugend Kultur und mehr - Logo
Kinder Jugend Kultur Und mehr...
Paula Breyer und Marina Kojić
Paula Breyer und Marina Kojić
10.01.2023

Zwei Wienerinnen holten erstmals den Debattier-WM-Titel nach Österreich

Die 42. Weltmeisterschaften im universitären Debattieren in Englisch als Zweitsprache wurden von Marina Kojić und Paula Breyer gewonnen. Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… traf das Duo zum Interview.

Erstmals seit es die Universitäts- und Hochschul-Debattier-Weltmeisterschaften gibt – immerhin seit 42 Jahren -, holte ein Team aus Österreich den Titel. Marina Kojić und Paula Breyer gewannen in der ersten Jänner-Woche in Madrid im Finale gegen ein Team aus Zagreb (Kroatien) und zwei Teams aus Accra (Ghana, Afrika) den Bewerb für Englisch als Zweitsprache. Und verpassten obendrein in der offenen Klasse – an der auch Englisch-Muttersprachler:innen teilnehmen – den Einzug ins Achtelfinale nur um einen einzigen Punkt.

Sieben Minuten debattieren. Nicht um den heißen Brei herumreden, sondern Argumente vorbringen, sie untermauern. Durchaus auch heftig und feurig. Die Gegenargumente entkräften. Oder unlogische bzw. unzulässige Schlussfolgerungen zu zerlegen. Und dabei aber nie persönliche Angriffe zu starten. Darum geht’s. Ein Team besteht immer aus zwei Leuten, die abwechselnd in Aktion treten, also erst A1, dann B1, gefolgt von A2 und zuletzt kommt B2 dran. Eine internationale Jury bewertet und vergibt Punkte für jede/n Diskutantin/Diskutanten und dann wird addiert.

Marina Kojić und Paula Breyer bei der Vorbereitung auf Debattenbeiträge
Marina Kojić und Paula Breyer bei der Vorbereitung auf Debattenbeiträge

Neun Vor- und zwei K.O-Runden

Um letztlich den Sieg zu holen, mussten die beiden Wienerinnen zunächst neun Vorrunden überstehen – in denen rund 300 Teams aus aller Welt um den Einzug ins Semifinale diskutierten. Drei sprachliche Matches pro Tag standen da auf dem Programm. Nach einem Ruhetag (am 1. Jänner) folgten die beiden Tage mit den K.O.-Runden – Semifinale und schließlich Finale. „Überstehen der Vorrunden war unser Ziel“, sagen die beiden unisono im Interview mit Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… nach ihrer Rückkehr aus Spanien. „Aber als wir’s dann ins Finale geschafft haben, da wollten wir’s dann schon reißen!“, gesteht Marina Kojić mit einem Mix aus Kampfgeist und breitem Grinsen. „Und wir sind schon stolz, dass wir gewonnen haben“, ergänzt Paula Breyer.

Die beiden gehen arbeitsteilig vor – während Kojić die Hauptstrategin ist, austüftelt, wie sie als Team in die jeweilige Debatte gehen – für die die Teilnehmer:innen das Thema immer erst ¼ Stunde davor zugeteilt bekommen -, unterfüttert Breyer die Diskussionsstrategie mit den besten der gemeinsam gesammelten Argumente. Und das funktionierte – wie der Erfolg zeigt. Was aber auch daran liegt, „dass wir als Team gut harmonieren, denn so ein Bewerb, der immerhin eine Woche dauert, lebt schon auch von der Dynamik, vom Zusammenspiel, dem aufeinander eingehen“.

Marina Kojić und Paula Breyer bei der Vorbereitung auf Debattenbeiträge
Marina Kojić und Paula Breyer bei der Vorbereitung auf Debattenbeiträge

Themen und Rolle zugelost

An Themen – zugelost wird übrigens auch, ob als „Regierung“ oder „Opposition“ wie die Pro- bzw. Contra-Positionen in den Turnieren genannt werden – standen unter anderem auf dem Programm der Weltmeisterinnen:

  • Ein Fußball-Team, das es zum ersten Mal ins WM-Finale geschafft hat, steht vor folgendem Problem: Der Top-Scorer ist nach dem Semifinale ausgerastet und betrunken in eine Schlägerei verwickelt – soll das Team ihn ausschließen oder doch im Finale antreten lassen?
  • Sollen neue Wohngesetze eher Mieten oder Wohnungseigentum fördern?
  • Soll die Pazifische Allianz (lateinamerikanische Freihandelszone) eine gemeinsame Währung einführen?
  • Wärest du als durchschnittlicher Mensch auf der Welt lieber sterblich oder unsterblich?
  • Das Finalthema: Sollen Feministinnen, die nicht Teil der jeweiligen Religion sind, davon absehen, weit verbreitete religiöse Praktiken zu kritisieren, für die je nach Geschlecht unterschiedliche Regeln gelten (z.B. Tragen von Schleiern, getrennte Gebetsräume, Fastenverbot für Frauen während ihrer Periode).

„Als Regierung, die immer die innovativere Position vertreten sollte, haben wir uns dafür ausgesprochen, also dass Feministinnen nicht Muslimas angreifen, wenn diese ein Kopftuch tragen wollen.“

Die beiden Weltmesiterinnen: Paula Breyer und Marina Kojić
Die beiden Weltmesiterinnen: Paula Breyer und Marina Kojić

Medizinerin und Volkswirtin

Die 26-jährige Kojić studiert an der Medizin-Uni, pausiert derzeit im Studium, um zu jobben. Sie arbeitet in einem Health Care Consulting-Unternehmen. „Wir beraten große, aber auch kleine Gesundheitseinrichtungen bei der Organisation und Planung – beispielsweise, wie viele Akutbetten eine Notaufnahmestation 2030 brauchen wird bis hin zu Ordinationen von Gemeinschaftspraxen.“

Ihre Teampartnerin, mit der sie die Weltmeisterschaft gewonnen hat, ist um fünf Jahre jünger und studiert Volkswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität. Sie kam in der Schule (Theresianum) zum Debattierklub, den es in Wien nicht nur für Studierende gibt. „Die hatten bei uns in der Schule einen Workshop durchgeführt und ich wollte mein Englisch verbessern, weil ich mit Französisch ab der 1. Klasse im Gymnasium begonnen hatte.

Marina Kojić bei der weltbesten Rede
Marina Kojić bei der weltbesten Rede

Drittsprache

Für ihre Kollegin ist Englisch übrigens nicht die Zweit- sondern die Drittsprache, wie sie schon vor fast eineinhalb Jahrzehnten im ersten Interview – damals noch für den Kinder-KURIER in der elterlichen Wohnung in Favoriten erzählte. Anlass: Marina Kojić hatte sich (damals 12 Jahre) mit einem Text in die Top 10 eines deutschsprachigen Literaturwettbewerbs geschrieben. Sie wuchs die ersten drei Jahre in Wien mit Serbisch auf, weil die Eltern sagten: „Das ist unsere Muttersprache, die können wir perfekt und wir wollen ihr kein gebrochenes Deutsch beibringen. Im Kindergarten lernt sie’s dann richtig.“ Und so war’s – siehe Literaturbewerb. Aber nicht nur. Sie kam noch mehrmals in Beiträgen im KiKu vor – unter anderem als eine der Preisträger:innen des mehrsprachigen Redebewerbs „SAG’S MULTI!“ – mit Deutsch und Serbisch, das sie auch weiter lernte auch lesen und schreiben in kyrillischer Schrift. In der Oberstufe wählte sie übrigens einen bilingualen Zweig mit Englisch, übersprang eine Klasse, um ein Jahr früher zu maturieren. Bevor sie an Debattier-Turnieren teilnahm, hatte sie schon einige Jahre in der Organisation solcher mitgearbeitet – u.a. an den Europameisterschaften als sie in Wien stattfanden und dann als Novi Sad sie durchführte.

Marina Kojić bekam auch noch den Preis für die allerbeste Finalrede
Marina Kojić bekam auch noch den Preis für die allerbeste Finalrede

Spezialpreis

Neben dem WM-Titel für die Wienerinnen wurde Marina Kojić noch mit dem „Sadiq Ayinde Award“ für die beste Rede des Finales ausgezeichnet. (Auf Vorschlag Malaysias wurde der Preis für die/den beste/n Redner:in nach dem besagten Redner benannt. Sadiq Ayinde aus Nigeria studierte an der Azusa Pacific Uni, war spät zum Debattieren gekommen und im Finale der Weltmeisterschaften 2017 in den Niederlanden, war aber leider bald danach gestorben.)

Die Weltmeisterinnen mit ihrem Pokal
Die Weltmeisterinnen mit ihrem Pokal

Keine Unterstützung von heimischen Unis

Übrigens: Während die meisten Universitäten ihre Debattier-Student:innen fördern und auch materiell unterstützen – durch Finanzierung der Teilnahme auch an Vorbereitungsturnieren -, müssen sich Teilnehmer:innen aus Österreich alles selber bezahlen. Zur Gebühr für die WM (550 €, die Unterkunft, Verpflegung und Honorar für Juror:innen abdeckt) kommen dann noch die Reisekosten hinzu. Ob nicht vielleicht die Förderung von Debattenkultur in Österreich einiges an Überlegungen wert wäre? Immerhin lautet das Motto des Debattierklubs „Make your ideas sound as great as they are“ (Lass deine Ideen so großartig klingen, wie sie sind)

Follow@kiJuKUheinz

Zum Video des Finales geht es hier

Debattierklub Wien

worlddebating.org

Screenshot aus dem Stream des Debattier-Weltmeisterschafts-Finales
Screenshot aus dem Stream des Debattier-Weltmeisterschafts-Finales

Links zu Beiträgen von bzw. über Marina Kojić – damals noch im Kinder-KURIER

Sag’s Multi 1

Reportage als Jungreporterin

Als Co-Interviewerin mit Regisseurin Ruth Beckermann

Tv-show-live-auf-der-buehne

Co-Moderatorin eines Science-Slams

Nochmals Sag’s Multi!