KiJuKU-Interview mit der Autorin des Polit-Thrillers „Freunderlwirtschaft“ im Hinterkammerl ihrer Buchhandlung in Wien-Währing.
Knapp mehr als 400 Seiten, türkiser Einband, stilisierte schneebedeckte Berggipfel, Titel „Freunderlwirtschaft“ – der Kriminalroman ist eine Art Schlüsselloch-Polit-Thriller mit so manch bekannten Versatzstücken wie berühmt gewordenen Chats. Und doch eine fiktive Geschichte, wie Autorin Petra Hartlieb schon auf der Seite bevor die Story beginnt, in drei Zeilen schreibt: „Auch wenn Sie glauben, dass Ihnen in diesem Roman einiges bekannt vorkommt, möchte ich betonen: Die Geschichte ist zur Gänze von mir ausgedacht.“
Wenngleich schon immer wieder von realen Ereignissen, Vorkommnissen und den entsprechenden Medienberichten inspiriert – wie zu lesen, die Autorin im Gespräch doch einräumt. Mitunter habe die Wirklichkeit allerdings – wie oft auch im Kabarett – die Kunst überholt. Standen da im Text Passagen von denen, sie vom Verlag hörte, das könne es doch gar nicht geben – und einige Zeit später standen ähnliche Dinge in den Medien…
Zu einer Besprechung des Buches, eines absoluten Page-Turners, geht es in einem eigenen Beitrag – Link weiter unten. Hier ein Gespräch im Hinterzimmer, eher Kämmerchen, hinter den bis an die Decke mit Büchern gefüllten Regalen der kleinen Buchhandlung der Autorin in Wien-Währing. Bevor sie die Buchhandlung übernommen hat, veröffentlichte Hartlieb schon Krimis, in der Zwischenzeit auch Kinderbücher – eines über diese Buchhandlung und zwei Krimis.
KiJuKU: Wie kam es zu „Freunderlwirtschaft“?
Petra Hartlieb: Der Dumont-Verlag hat bei mir angefragt, ob ich nicht wieder einmal was veröffentlichen wolle. Den großen Roman, den ich vorhab, konnte ich nicht anbieten – da brauch ich fünf Jahre und das geht sich neben der Buchhandlung nicht aus. Dann haben wir die Idee entwickelt, einen richtig coolen Österreich-Krimi zu machen, nicht einen Regionalkrimis, sondern einen richtigen Polit-Thriller, der in Österreich spielt.
KiJuKU: Und wie kam’s zu dem Plot?
Petra Hartlieb: Immer wenn ich nach dem Ibiza-Video auf Lesereise in Deutschland unterwegs war, haben viele Leute gefragt: Was ist denn bei euch in Österreich los? Erklär uns die Innenpolitik, was ist mit den ganzen Chats. Das hat mich so inspiriert und ich hab mir gedacht: Ich mach’s mir nicht ganz einfach und leg eine Putzfrau in den Garten. Dann hatte ich die Idee dieses toten Ministers. Am Anfang lag der in seiner Penthouse-Wohnung und ich hab mir da noch nicht so richtig überlegt, was das alles bedeutet, wenn du einen Politiker im Krimi umbringst. Das wird dann ja sehr.
KiJuKU: Inwiefern?
Petra Hartlieb: Ich hab dann wahnsinnig viel recherchiert, hab zum Glück viele Bekannte und Freund:innen in diversen Jobs – sprich Justiz, Ministerium, Polizei, Anwaltskanzleien. Die hab ich alle ausgequetscht, weil das alles Hand und Fuß haben sollte. Bei Mord im privaten Bereich ist die Kriminalpolizei zuständig, bei einem hochrangigen Politiker hast du sofort den Staatsschutz dabei, Innenminister, Polizeipräsidenten reden mit. Die nette Idee hat sich dann bald als sehr arbeitsintensiv entpuppt.
KiJuKU: Aber aufgeben war keine Option, oder?
Petra Hartlieb: Zwischendurch hab ich’s schon immer wieder einmal verflucht, dass mir das eingefallen ist. Aber aufgeben? Nein, der Anspruch war schon da, dass es so recherchiert ist, dass jemand der es liest und in der Polizei arbeitet oder einem Ministerium, sich nicht ärgert und sagt: So ein Blödsinn, das stimmt ja alles nicht.
Es war auch nicht geplant, dass der Krimi so dick wird, aber weil’s eben so komplex ist, war klar, dass es nicht auf 200 Seiten zu erzählen ist. Und ich wollt’s einfach gut machen und hab dann eben statt einem Jahr zweieinhalb Jahre dafür gebraucht.
KiJuKU: Wann hast du begonnen?
Petra Hartlieb: Ich hab den Vertrag im Frühjahr 2021 unterschrieben und das Exposé abgegeben. Aber zu meiner „Entschuldigung“ muss ich sagen, ich hab dazwischen drei Kinderbücher geschrieben.
KiJuKU: Und du hackelst in der Buchhandlung…
Petra Hartlieb: … und ich mach einen Podcast alle 14 Tage.
KiJuKU: und wie schreibst du dann?
Petra Hartlieb: Ich arbeit ja nicht jeden Tag in der Buchhandlung.
KiJuKU: Aber so anfallartig geballt?
Petra Hartlieb: Immer wieder, aber auch oft zwischendurch. Ich brauch nicht den großen leeren Schreibtisch, ich kann wahnsinnig gut im Zug schreiben oder auch in einem Notizbuch, wenn ich auf der Donauinsel sitz – nicht in jeder Schreibphase, aber es gibt solche Zeiten. Aber bei diesen zwei Erzählperspektiven dieses Buches hast du dann schon das Problem, wenn du zwei Wochen das Manuskript nicht aufmachst, dass du dann vergessen kannst, wo bist du jetzt eigentlich. Das war dann am Schluss die schwierige Arbeit, das alles richtig zusammenzubasteln – da waren schon etliche Anschluss- und Ablauffehler drinnen, die ausgebessert werden mussten.
Wenn ich nix anderes tun hätte müssen, hätte ich’s vielleicht in einem halben Jahr runtergeschrieben.
KiJuKU: Schreibst du eher chronologisch oder einzelne Passagen und Kapitel, die dir einfallen und fügst sie erst dann in die Zeitleiste?
Petra Hartlieb: Total chronologisch. Die zweite Erzählebene, diese Jessica, die mit dem Minister in der Penthouse-Wohnung lebt, hat sich so ein bissl ins Buch reingeschummelt.
Bald einmal hab ich mir überlegt, es ist so langweilig, immer nur aus der Perspektive der Kommissarin zu schreiben, weil dann weißt du ja immer nur, was die weiß. Dann geht sie alle im Ministerium befragen und so, ein bissl Privatleben hat sie zwar auch – aber das ist ja eher alles nicht füllend. So hab ich mir gedacht, ich brauch eine zweite Erzählperspektive. Dann ist diese Frau ins Spiel gekommen, die am Anfang eine normale handelnde Figur war, die immer wichtiger geworden ist. Zwischen den beiden immer hin und her zu springen hat mir total Spaß gemacht, weil das eine Abwechslung war und die einfach zwei total unterschiedliche Frauentypen hast, die beide das Gleiche wollen.
Das war nicht so geplant und hat sich beim Schreiben so entwickelt.
KiJuKU: Aber es gab sie von Anfang an?
Petra Hartlieb: Ja, als Verlobte des Ministers, aber dass sie so ein eigenständiges Profil kriegt, ist wirklich erst beim Schreiben entstanden. Das war zeitweise so, dass ich mir selber gedacht habe: Wer ist das eigentlich? Warum macht die das? Wie kommt die dazu, mit so jemandem zusammenzuleben? Ich wollt das dann selber verstehen!
Das geht auch ein bissl weg vom krimi-Plot, sondern um die Figuren – wer sind die, wo kommen die her, was treibt die an? Mich interessiert ja auch, wo so Typen wie dieser Minister herkommen. Du wirst ja nicht als Arschloch geboren. Und viel, die jung in die Politik gehen, die wollen ja irgendwas. Die haben vielleicht ein anderes Weltbild als ich, aber die wollen was verändern. Ganz viele, sicher nicht alle!
Und in welche Richtung du dich entwickelts ist ein großer Zufall: Wo bist du in die Schule gegangen, wer sind deine Freunde…
KiJuKU: Und Idee Vorgeschichte der Kommissarin Alma Oberkofler, wie sie als Kind aus persönlichem Erleben den Vorsatz fasst, Ermittlerin zu werden – war die auch von Anfang an da?
Petra Hartlieb: Schön, dass du fragst. Ich hatte ungefähr 150 bis 200 Seiten und hab die meiner Verlegerin geschickt. Die Rückmeldung war großartig, aber sie hat gefragt: Diese Alma, die kann ich nicht fassen, die kapier ich überhaupt nicht.
ich war da gerade in Costa Rica, sitz spät am Abend am Pazifik-Strand, es war urlaut wegen der Wellen, ich konnt nicht schlafen, hatte keinen Laptop mit, sondern nur ein Notizbuch und plötzlich ist mir wie aus dem costa-ricanischen Sternenhimmel dieses Geschichte eingefallen. Ich weiß auch nicht, wo die herkommt, aber ich hab diese Vorgeschichte so plötzlich im Kopf gehabt, warum die unbedingt Polizistin werden will. Wie im Fieber hab ich in der Nacht zehn Seiten im Dunklen aufgeschrieben.
KiJuKU: Ich find die auch sehr schlüssig uns spannend, hab allerdings gewartet, dass die irgendwann im Buch auch aufgelöst wird.
Petra Hartlieb: Das ist eine Geschichte, die du nun in mehreren Bänden weitertreiben kannst.
KiJuKU: Das heißt, die Alma ermittelt in weiteren Büchern?
Petra Hartlieb: Die wird sicher fortgesetzt. Diese Geschichte begleitet Alma in ihrem Leben, sie wird sicher einmal darüber stolpern. Aber das ist die Vorgeschichte, mit der ich die Figur der Alma so ein bissl in den Griff gekriegt habe. Ich hab sie dann auch besser verstanden, warum sie so in bissi verkorkst ist.
KiJuKU: Das heißt, Fortsetzungen sind fix?
Petra Hartlieb: Der zweite Band ist schon in Arbeit.
KiJuKU: Der zweite Krimi spielt auch wieder in der Politik?
Petra Hartlieb: Der Kriminalfall wird schon wieder etwas mit Politik zu tun haben, aber natürlich nicht in dieser Blase. Aber wenn du mit so einem Polit-Thriller beginnst, würdest du die Leserinnen enttäuschen, wenn du im zweiten Band den Kriminalfall im privaten Milieu ansiedelst. Aber Politik ist ja überall – das können Verfehlungen im Altenheim sein, das kann ein Bombenattentat sein, das kann im Krankenhaussektor sein… aber es wird sicher nicht so ein „who done it“ und dann ist der Gärtner der Mörder-Krimi sein.
KiJuKU: So ganz alles ist ja nicht – wie du in den Vorzeilen schreibst – erfunden?
Petra Hartlieb: Ich hab keine Whistle-Blower gehabt, ich hab ja nur was in Zeitungen zu lesen war in die erfundene Geschichte verbraten. In der Szene wo der Minister als er noch gelebt hat, seiner Medienabteilung sagt, wir brauchen wieder einmal eine positive Geschichte und er schaltet ein paar Inserate, damit er zu einer solchen kommt… Da hat mein befließener, braver, junger, deutscher Lektor am Rand dazugeschrieben: „Das ist ja ein Skandal, das musst du aber auserzählen.“ Und ich hab dazu geschrieben: „Nein, das ist in Österreich total normal! Und nicht nur bei dieser Blase – es gibt ja auch die Anspielung an den SPÖ-nahen Club 45, den Udo Proksch und diese Blase.
KiJuKU: Wer außen vorbleibt ist allerdings die blaue Blase mit auch so manch dubiosen Geschäften um Ideenschmiede oder diverse Korruptionsfälle.
Petra Hartlieb: Genau, vielleicht nehm ich mir dir im nächsten Krimi vor. Der zweite Band wird bläulich werden. So ganz will ich’s noch nicht verraten, aber es wird auf jeden Fall ein blauer Umschlag werden.
KiJuKU: Wirst du am zweiten Band auch so lange schreiben?
Petra Hartlieb: Da werd ich vor allem am Schluss mehr Zeit einplanen – das nehm ich mir vor. Die zwei Wochen dieses Mal in einer Stipendien-Wohnung in Venedig, um alles auszubessern, was an Anschlüssen und Übergängen nicht funktioniert hat, waren zu kurz. Da hatte ich zwei Excel-Tabellen erstellt – in der einen die Tage der Ermittlung in der anderen vor allem Jessicas Flucht mit der Zeitverschiebung. Und ganz knapp vor Drucklegung ruft der Lektor an: Du, die Jessica liest in Costa Rica etwas im Internet etwas, das zu dem Zeitpunkt in Österreich noch gar nicht passiert ist…
KiJuKU: Kam so auch auf Seite 312 die Zeitungsmeldung über den Mord am Minister am 17. März zustande, obwohl du viel weiter vorne vom 10. April als dem Tag nach dem Mord schreibst und Alma überhaupt erst am 1. April ihren Dienst in Wien angetreten hat? Ich hatte gegrübelt, ob du da eine versteckte Kritik an ungenauer Berichterstattung von Medien eingebaut hast?
Petra Hartlieb: Nein, das wäre zu sophisticated, das ist ein Fehler, den gibt’s wie alle anderen in der zweiten Auflage nicht mehr. Du bist überhaupt erst der Dritte, dem das aufgefallen ist. Dass Burgenland aber „nur“ flach ist, das bleibt als Scherz, auch wenn du zurecht sagst, es gibt das Leitha Gebirge und den Geschriebenstein…