Bilderbuch über eine Wunder-Operation, die Blinde sehend macht.
Gleich auf der ersten Doppelseite kannst du in diesem Buch mitmachen und Nayans Mutter Mira helfen. Ihr Sohn liebt es, sich zu verstecken. Auf der rechten dieser beiden Seiten sind nur kleine Stückerln von Nayan zu sehen. Da hat sich die Illustratorin Emőke Gabriella Németh einiges einfallen lassen, um beispielsweise Locken oder Ohr in Einrichtungsgegenständen zu verstecken.
Sicher entdeckst du ihn – so du sehen kannst. Das kann Nayan selbst nicht. Aber der von Geburt an blinde Bub könnte dich – wenn du im selben Raum wie er wärst – sicher in deinem besten Versteck finden. Das kleinste Geräusch – und schon hätte er dich! Hören, riechen, spüren – und das auch wenn du vor lauter Dunkelheit nicht einmal die Hand vor deinen Augen siehst – darin ist Nayan wie die meisten blinden Menschen Meister.
Die Film- und Theater-Schauspielerin Lena Kalisch, die sich die Geschichte „Nayan macht die Augen auf“ ausgedacht hat, beschreibt in der Folge, dass ihre Hauptfigur vieles gerne und anderes nicht mag – wie vielleicht du auch. Was das sein könnte, das setzt die Illustratorin in mehreren kleine Bilder um. Der Kern von Kalischs Geschichte ist hingegen ein anderer: Nayan wird operiert und kann auf einmal sehen. Danach ergibt sich noch ein dramaturgischer Bogen, bei dem ihm eine Kamera hilft – aber alles sei doch nicht verraten.
Operation, sehen können? Gibt es solches nicht nur beim Grauen Star, der üblicherweise bei sehenden Menschen eher im Alter auftritt – Trübung der Linse, die dann in einem kleinen Eingriff durch eine künstliche ersetzt wird?
Also Nachfrage von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… bei der Autorin via Instagram: Wenige Minuten später die Antwort von Lena Kalisch: „Tatsächlich könnte nach jetzigem Stand der Medizin und Wissenschaft „nur“ der Graue Star bei sehr jungen Kindern und Säuglingen geheilt werden. Ein solches „Wunder“, wie es in der Geschichte beschrieben ist, ist heute so noch nicht umsetzbar. Darum bleibt die Geschichte auch ein Märchen. Ich habe jedoch in enger Rücksprache mit einem von Geburt an blinden Menschen zusammengearbeitet, der dafür plädiert hat, die Aussage rauszunehmen, dass so etwas „unmöglich“ sei. Nichts ist unmöglich und mit der schnellen Entwicklung der Technologien immer weniger.“
Auf die weitere Skepsis und die eigene Beobachtung nach einer der Grauen-Star-Operationen einer vormals Sehender bei einer Recherche-Reise mit Licht für die Welt, dass die frisch Operierten länger auch irritiert auf das plötzlich viele Licht reagieren, kam wieder eine prompte Antwort: „Ja, so ist das mit Märchen!“
Im Buch verrät die Autorin, dass sie „nach vielen Jahren der Meditationspraxis eine außergewöhnliche Erfahrung in einem Dunkelretreat, in dem sie tagelang nichts sah, machte. Von der Dunkelheit und dem darauffolgenden Sehen inspiriert, ist Nayan entstanden“. Und dass sie unter anderem mit Erich Schmid, Lehrer am Bundes-Blindeninstitut Wien sowie Vizepräsident des österreichischen Behindertenrates hilfreiche Gespräche im Prozess der Buch-Entstehung geführt habe. Der wird im Verlagsprogamm so zitiert: „In diesem Buch kommen das Erleben und die Fantasie einander ganz nahe, und das ist schön!“
Nun blieb noch meine grundsätzlich skeptische Haltung: Was macht so eine Botschaft bei von Geburt an blinden (Kindern)? Setzen sie auf Operationen, um danach etwas zu können, was sie gar nicht kennen? Oder bei Kindern mit anderen Behinderungen bzw. bei deren Freund:innen, Klassenkolleg:innen?
Um auch nicht nur Einzelmeinungen Betroffener einzufangen, wandte sich KiJuKU an die „Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs“. Martina Gollner, eine langjährige Beraterin, die selbst hochgradig sehbehindert ist und tagtäglich mit blinden oder sehschwachen Menschen zu tun hat, meinte: „Kinderbücher sollten darstellen, dass ein Kind mit einer Behinderung gut im Leben klarkommt und ein schönes Leben haben kann MIT der Behinderung, wie andere Kinder auch. Eine OP und die Behinderung ist weg, sehe ich kritisch (medizinisches Modell von Behinderung; alles ist behandelbar und damit wird „Normalität“ wiederhergestellt). Und sie entbehrt jeglicher Realität. Wäre das besagte Kind von Geburt an blind, könnte es mit den optischen Sinnes-Eindrücken gar nichts anfangen, weil das Gehirn nicht zu sehen „gelernt“ hätte. Es hätte auch keine Vorstellung von Farben, würde also auch keine Farben in der Welt vermissen. Je länger ich darüber nachdenke, desto unrealistischer wird dieses Szenario“, so die Fachberaterin zu Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…
Text: Lena Kalisch
Illustration: Emőke Gabriella Németh
Nayan macht die Augen auf
29 Seiten
Ab 4 Jahren
Achse Verlag
22 €
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