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Seiten aus "Wolf"
Seiten aus "Wolf"
22.12.2024

Wenn Angepasste wen „andersiger“ machen und ein weiterer Außenseiter schweigt

Plastisch schildert Saša Stanišić in „Wolf“, illustriert von Regina Kehn, wie ein Junge gemobbt wird und der Ich-Erzähler, auch ein Außenseiter, mit sich ringt, etwas dagegen zu sagen oder tun.

Wolf – in praktisch allen Märchen ein ur-Böser. Und seine Schon- und Schutzzeit in den Wäldern, wo er erst wieder angesiedelt wurde, ist auch schon wieder in Gefahr. „Problem-Wölfe“, die Schafe fressen, sind der Vorwand für Jagdwütige, zumindest das eine oder andere Exemplare wieder auf die Abschussliste zu setzen. „Entnahme“ wird die nicht selten beschönigend, verharmlosend genannt. …

Ob das Gründe für Saša Stanišić waren, seinen Roman für junge Jugendliche (ab 11 Jahren) so zu nennen und einen solchen geheimnisvollen im Ferienlager – in den Träumen von Jörg und dem Erzähler auftauchen zu lassen? Und er taucht immer wieder in den entweder schwarz-weiß oder gelb gehaltenen Comic-artigen Zeichnungen von Regine Kehn auf.

Seiten aus
Seiten aus „Wolf“

Übrigens, der Name des erzählenden Jungen wird hier nicht gespoilert, nennt ihn der Autor doch erst im allerletzten Satz der rund 180 Seiten.

Ängste

Der Wolf könnte hier für Ängste stehen. Ängste hat jeder, erklärt der Protagonist den Betreuer:innen im Ferienlager im Wald. Auf das er so überhaupt nicht wollte. Aber die alleinerziehende Mutter hatte für diese Sommerwoche keinen anderen Plan, niemanden, der sich um die Hauptfigur kümmern könnte. Den Ferienhort fand er noch abstoßender.

Rausdrängen und mobben

Natur im Allgemeinen und Wald im Besonderen lehnte er ab. Schlau und eloquent versucht er sich allen Zwangs-Gemeinschafts-Aktivitäten zu entziehen. Dabei würde er – so liest es sich zwischen den Zeilen und gar nicht so selten auch aus seinen Gedanken, die ihn der Autor äußern lässt – doch nicht gern immer der Außenseiter und allein sein. Sein „Glück“ ist, dass ein anderer Junge im Ferienlager, zu dem fast alle aus seiner Klasse mitkommen, der schon zuvor immer markierte Außenseiter ist. Dieser Jörg wurde schon davor von Mitschülern gemobbt, drangsaliert…

„Jörg ist wie alle eigen, er wird aber von den anderen nochmal andersiger gemacht, verstehst du? Man kann jemanden nämlich absichtlich verandern. Sorry, mir fallen nur erfundene Wörter ein.“

Seiten aus
Seiten aus „Wolf“

Ich sollte doch was sagen…

Somit ist der „Wolf“-Erzähler die meiste Zeit aus dem Schneider. Irgendwie entstehen in ihm Gefühle, diesen Jörg beschützen zu sollen/ wollen, mal da oder dort einzuschreiten. Aber meist bleibt‘s bei den Gedanken und Gefühlen: Sollte, wäre angebracht… Selten bis gar nie  sagt oder tut er wirkliche etwas in dieser Richtung. Was auch zu seinem Unwohlsein mit beiträgt.

Plastische Schilderung, anregend für eigene Fragen

Saša Stanišić fühlt sich in diese seine erzählende Hauptfigur extrem gut ein, schildert das Ferienlager samt den jungen Jugendlichen, den Betreuer:innen und nicht zuletzt den Koch, den einzigen der den Erzähler zu verstehen scheint, so plastisch, dass sich das Geschehen vor dem eigenen geistigen Auge abzuspielen scheint. Und du dich als Leserin oder Leser vielleicht immer wieder selbst fragst, würd ich es schaffen, Zivilcourage zu zeigen? Und das alles kommt aber ganz ohne erhobenen Zeigfinger aus.

Seiten aus
Seiten aus „Wolf“

Übrigens: Eine dramatsierte Fassung von „Wolf“ kommt als Gastspiel des NÖ-Landestheaters im Jänner auf die „Bühne im Hof“ (St. Pölten) – siehe Link in der Info-Box am Ende.

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Titelseite von
Titelseite von „Wolf“
INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Text: Saša Stanišić
Illustration: Regina Kehn
Wolf
180 Seiten
Ab 11 Jahren
Carlsen Verlag
Hardcover: 14,40 €
Taschenbuch: 8,30 €
eBook (Fixed Format und daher nur für Tablets und Smartphone-Apps geeignet): 9,99 €
Zu einer Lese- & Schauprobe geht es hier

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