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Szenenfoto aus "Network" im Theater Scala
Szenenfoto aus "Network" im Theater Scala
19.06.2024

Angekündigter Kopfschuss als Quotenhit

Fast 50 Jahre alte bitterböse filmische Oscar-prämierte Mediensatire als recht junges Bühnenstück – nun auch in Österreich.

Optisch erscheint das Geschehen auf der Bühne – übergroße TV-Kameras ebenso wie die wichtigen Männer im Stile von vor einem halben Jahrhundert (Raum: Bruno Max, der Impressario himself; Kostüme in die Zeit passend: Anna Pollack) – wie eine Zeitreise in die Vergangenheit. Doch was sich abspielt ist leider brandaktuelle Mediensatire. In „Network“ im Theater Scala dreht sich selbst bei der Nachrichtensendung alles mehr um Einschalt-Quoten als um Inhalte. News müssen zur Show werden. Und wer‘s nicht bringt – Pech. „You are fired“ – du bist gefeuert, da magst du vielleicht sogar Jahrzehnte lang als seriöser Überbringer der Nachrichten sogar gefeiert gewesen sein.

Jetzt muss alles anders. Reißerischer, peppiger, show-iger. Und wenn das, was on air geht, zum (Fremd-)Schämen ist – wenn’s Quote bringt, dann wird’s eben gesendet! Quote ist ja auch (Werbe-)Kohle!

Das ist kürzest gefasst die Quintessenz eines bitterbös-vergnüglichen 2¼-stündigen Abends auf dieser zum Theater zum Fürchten gehörenden Bühne in der Wiedner Hauptstraße (Wien).

Die Story

Howard Beale, Legende als Nachrichten-Moderator, steht nach einem Vierteljahrhundert vor dem Aus. Die Einschalt-Quoten befinden sich im Sinkflug. Obendrein gibt’s Intrigen im Sender-Management, die Programmdirektorin will den News mehr Show-Charakter verschaffen. Zusätzlich spielt sich einiges Undurchsichtige um neue Beteiligung von Medienkonzernen des Sender-Netzwerks ab.

Vor diesem Konglomerat beschließt Beale, sich bei seinem letzten Auftritt live auf Sendung eine Kugel in den Kopf zu schießen. Und kündigt das in der Sendung davor an.

Skandal für die einen – sofortiges Aus für den Moderator. Nein, das wäre doch die Chance, bringt – genau: Quote…

Wie auch immer, Beale darf doch noch einmal auf den Screen. Erschießt sich nicht, hält aber eine Brandrede gegen Wahrheits-verdrehende Medien – einschließlich etlicher Fäkalwörter. … – Und das wird zum Quoten-Hit. Die Zuschauer:innen-Zahlen schießen durch die Decke. Zumindest einige Zeit. Und als sich auch das abgenutzt hat … – das dramaturgisch-dramatische Ende (Inszenierung: Felix Metzner) sei nicht gespoilert.

Die Spieler:innen

Alexander Rossi spielt diesen einst seriösen Nachrichtensprecher und späteren Wutredner, der allerdings dabei eher noch an den Verstand appelliert als sogenannte Wubürger:innen der Neuzeit, die mehr mit Gefühlen und oft jenseits von Fakten operieren. Auch wenn er Emotionen durchaus mitschwingen lässt.

Gefühle scheinen Programmdirektorin Diana Christensen ziemlich fremd. Eszter Hollósi verkörpert sehr überzeugend die skrupellos auf Quoten – in heutigen Medien wären es Klicks – orientierte TV-Managerin. Geil findet sie nur, wenn ihre Ideen Rekord-Publikumszahlen bringen. Dafür tut sie alles, sogar mit der toughen Anführerin einer Terror-Bande (Prisca Buchholtz) dealt sie, um Exklusiv-Stories – und am Ende mehr.

Als Nebenhandlung spielt sich in „Network“ noch ein Liebes- und Ehedrama ab. Beales Chef, Max Schumacher (Leopold Selinger), verliebt sich in die Programmdirektorin, verlässt dafür seine Ehefrau Luise (Christina Saginth), wird aber mit Diana Christensen absehbar nicht glücklich, weil die ohnehin keine Gefühle zulässt. Außerdem ist er auch gegenüber seinem „Freund“, dem Star-Nachrichten-Moderator, nur ein opportunistischer Kantonist.

Eine Figur wie aus einer anderen Sphäre ist der Chef des Sender-Netzwerks UBS (United Broadcast Systems – übrigens ein fiktives), Mr. Jensen. Er erscheint nur via Screen und da meist nur von hinten zu sehen (Simon Brader, der wie einige andere auch Doppelrollen spielt).

Gunter Matzka agiert als Klischee-Vorstandsvorsitzender des Senders Ed Ruddy. Florian Lebek gibt den Sportnachrichten-Sprecher witzigerweise namens Jack Snowden (!), der fast bis zur letzten Sekunde bevor die Kamera auf ihn schwenkt, Wurstsemmeln frisst. Hendrik Winkler agiert als Sender-Manager und Christoph Prückner wechselt zwischen Regisseur und ebenfalls einem der Manager des TV-Senders. Philipp Schmidsberger und Rocco Baldari (alternierend in anderen Vorstellungen Manuel Hagemayer) mimen Kameramänner. Felix Frank  ist einerseits Bildmeister und andererseits Assistent, vielmehr Zutritts-Kontrolleur zum UBS-Boss in anderen Sphären.

Filmerfolg – inspiriert von einem echten Fall

1976 nach dem Drehbuch von Paddy Chayefsky verfilmt und mit vier Oscars belohnt, machte der englische Dramatiker Lee Hall erst vor sieben Jahren aus „Network“ ein Theaterstück, das in London 2017 uraufgeführt wurde und seine deutschsprachige Erstaufführung 2020 im Thalia Theater erlebte.

Inspiration für den Fall war der echte Fall der Moderatorin Christine Chubbuck, die sich 1974 während einer Livesendung erschossen hatte. Allerdings nicht aus Quotengründen.

Fake News?

Die Satire greift die sich zunehmend verbreitende Haltung von Medienunternehmen auf, (fast) alles der Quote/ den Klicks unterzuordnen. Allerdings ist das ein Teufelskreis. Würden Medienkonsument:innen nach seriöser Information verlangen, Positiv-Geschichten den Bad News vorziehen, würden die Herausgeber:innen und Produzent:innen natürlich dem sofort Rechnung tragen.

Und die Wut über verlogene Berichterstattung des Protagonisten von „Network“ hat sich fast ins Gegenteil verkehrt. In seiner Präsidentschaft geißelte Donald Trump genau die seriösen Medien der „Fake News“. Nicht viel anderes spielte sich rund um die „Schwurbler“ in der Corona-Pandemie ab. „Lügenpresse“ schallte jenen entgegen, die versuchten, sich an Fakten zu orientieren. Verschwörungstheorien wurden hingegen gehypt.

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Network

Satire von Lee Hall
Übersetzung ins Deutsche: Michael Raab
Nach dem Film von Paddy Chayefsky
2 ¼ Stunden, eine Pause

Inszenierung: Felix Metzner
Es spielen
Nachrichten-Moderator Howard Beale: Alexander Rossi
Nachrichten-Chef Max Schumacher: Leopold Selinger
Programmdirektorin Diana Christensen: Eszter Hollósi
Frank Hackett, Manager: Hendrik Winkler
Regisseur / Nelson Chaney, Manager: Christoph Brückner
Louise Schumacher, Ehefrau von Max / Maskenbildnerin: Christina Saginth
Redakteur Harry Hunter / UBS-Chef Mr. Jensen: Simon Brader
TV-Assistentin Sheila / Ober-Terroristin: Prisca Buchholtz
Sender-Vorstandsvorsitzender Ed Ruddy: Gunter Matzka
Sport-Moderator Jack Snowden: Florian Lebek
Bildmeister / Jensens Assistent: Felix Frank
Kameramann: Philipp Schmidsberger
Kameramann: Rocco Baldari (alternierend in anderen Vorstellungen Manuel Hagemayer)

Raum: Bruno Max
Musikalische Leitung: Fritz Rainer
Kostüm: Anna Pollack
Maske: Gerda Fischer
Licht: Andreas Pamperl, Andrea Wezdenka
Videodesign: Andreas „Ivo“ Ivancsics

Regie-Assistenz: Katharina Wittasek
Inspizienz & Maske: Pia Urbanek
Bühnenbau: Adrian Burcea, Emanuel Burcea, Andrei Indries, Gabriel Galea

Wann & wo?

Bis 22. Juni 2024
Theater Scala (Theater zum Fürchten)
1050 Wien, Wiedner Hauptstraße 108
Telefon: 01 544 20 70 (Mo – Fr. 9 – 15 Uhr)
theaterzumfuerchten -> network