Auswirkungen der erlittenen Gewalt auf Menschen, die sie tagtäglich erleiden – und weitergeben.
Bilder von unten. Die Kamera offenbar knapp über der Schotterstraße – samt den entsprechenden Geräuschen. So beginnt der Film „Bad Roads“ (schlechte Straßen“ von Natalia Vorozhbyt. Bald landet dieses Auto – mit seinem Fahrer, einem (angeblichen) Schuldirektor – bei einem Check-Point. In der Ukraine – noch vor dem Überfall der russischen Armee auf die ganze Ukraine, aber zu Zeiten als schon Regionen im Osten des Landes, im Donbass besetzt waren. Willkür der bewaffneten Grenzer gegenüber dem Schuldirektor, der nicht gleich seinen Pass findet. Bedrohlich.
Dabei ist diese Eröffnungs-Szene noch eine der harmlosesten. Den Film hatte die Dramatikerin, Drehbuchautorin, Filmregisseurin und Kuratorin für soziale Theaterprojekte ursprünglich als Stück geschrieben. Dieses wurde in London 2017 am Royal Court uraufgeführt und mehrfach in Deutschland gespielt, zuletzt (2022) am Berliner Ensemble (Regie: Tamara Trunova) – in ukrainischer und russischer Sprache mit deutschen Übertiteln.
2020 hat die Autorin selbst das Stück, als Film gedreht. Zwei dichte, heftige Stunden gespielter Szenen, die auf Zeitzeug:innen-Berichten beruhen. Die anfänglich hellen Bilder wechseln in durchgängige Düsternis mit immer wieder unaushaltbaren Gewalt-Szenen. Die meisten Zuschauer:innen bei der Aufführung im Rahmen des Dramatiker:innen-Festivals in Graz berichteten, dass sie immer wieder die Augen schließen, sich abwenden mussten (damit auch die englischen Untertitel dieser Szenen nicht lesen konnten) oder mehrmals überlegten, den Raum zu verlassen – was einige auch taten.
Beim doch Hinblinzeln in Sekunden-Bruchteilen zeigte sich, dass die Regisseurin aber keinen Gewalt-Voyeurs-Film dreht, sondern – wie sie in einer Video-Botschaft dem Publikum mit auf den Weg gab – „nur“ zeigen wollte, wie die kriegerische Gewalt Menschen in ihrem Verhalten bis hinein in den Alltag de-humanisiert.
Mit einer solchen – fast von schrägem Humor durchzogenen – Szene beendet Natalia Vorozhbyt auch die „schlechten Straßen“. Eine junge Frau überfährt unabsichtlich auf der furchigen Straße ein Huhn. Kommt schuldbewusst zu der Bäuerin und dem Bauern, bedauert, dass sie jetzt kein Geld mithat aber anderntags kommen werde, dafür zu bezahlen. Glauben die natürlich nie. Macht sie aber. Doch die vereinbarten 200 Hrywnja sind dann doch zu wenig. Gut, zückt sie einen 1000er-Schein. „Aber dieses Huhn hätte doch so viele Eier gelegt und damit hätten sie viel mehr verloren. Schmuck als Entschädigung. „Aber wir haben uns so gut mit dieser Henne verstanden…
Compliance-Hinweis: Das Dramatiker:innen-Festival in Graz hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… zur Berichterstattung eingeladen.
Buch und Regie: Natalya Vorozhbit – nach ihrem eigenen Theaterstück
Kamera: Volodymyr Ivanov
Mit: Zoya Baranovska, Maryna Klimova, Anna Zhurakivska, Ihor Koltovskyy, Andriy Lelyukh, Volodymyr Hurin, Yurii Kulinich, Oksana Cherkashyna
Ukrainische Originalfassung mit englischen Untertiteln
Bis 26. Mai 2024
Graz
dramatikerinnenfestival2024