„Stella 20“ – die Auszeichnungen für beste Leistungen im Bereich Kinder- und Jugendtheater im Vorjahr wurden nun in Graz vergeben. Nun – endlich – auch mit den Jury-Begründungen.
„Stella“ – so heißen die Preise für die besten Stücke, darstellerischen Einzelleistungen, Musik, Ausstattung usw. – wurden Freitagabend in Graz fürs Vorjahr vergeben. Erstmals auch ein Preis einer Jugendjury. Die moderierte auch die Gala. Diese Jugendlichen – Emma Moser, Nana Stampfer, Caroline Auer, Felicitas Wasner, Elena Trantow – werden auch am Sonntag schon den nächsten Stella, den für 2021, im Rahmen des Schäxpir-Festivals in Linz moderieren.
Und das sind die Gewinner*innen – sowie auch die von der (Erwachsenen-)Jury – Johanna Figl, Aslı Kışlal, Vera Kopfauf und Eva-Maria Schachenhofer – Nominierten:
Die Auszeichnung geht an: Bis einer heult, Material für die nächste Schicht/TURBOtheater Villach, Kärnten (ab 4 Jahren).
Die Jury begründete ihre Entscheidung u.a so: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt!“ (Friedrich Schiller).
Ein Stück bei dem man spürt, dass es die Signatur aller Beteiligter trägt, Teamwork der drei Künstler*innen – in einem Guß. Ein Stück das Menschen, von den Jüngsten bis zu den Erwachsenen gleichermaßen in seinen Bann zieht, ohne sich dafür großer Effekte zu bedienen. Ein Stück mit bestechendem formalen Konzept, voller Perfektionismus ohne in Perfektion zu ersticken, das mit Leichtigkeit die Absurditäten zwischenmenschlicher Handlungen und Motivationen auf den Tisch legt. Der Homo Ludens in seinem Element! Ein Stück, mutig, nie aggressiv, mit Zerstörung arbeitend und dennoch aufbauend. Und es wertet nicht, weder die Destruktion, noch die neuen Ideen, es lässt das Sichtbare unkommentiert geschehen. Ein Stück – jetzt müssen wir noch ein Superlativ benützen – das ein großartiges Zusammenspiel von Schauspiel, Körper, Musik und Material ist. Wir haben so Vieles mitgenommen – wir finden den Titel „Herausragende Produktion für Kinder„ mehr als verdient.
Nominiert in dieser Kategorie waren weiters:
• Wenn ich groß bin will ich fraulenzen, Dschungel Wien, Wien 6+
• Orpheus, Theater des Kindes, Linz, Oberösterreich 9+
• Montag, schallundrauch agency, Wien 10+
• Planet Sis, Donna & Rosa Braber / Dschungel Wien, Wien 10+
Zu Storys über vier der fünf hier nominierten Stücke – damals noch im Kinder-KURIER – geht es hier:
Wie aus Angst und Langeweile „frau*lenzen“ wird
Eins-Sein mit der Musik lieber als falscher Star-Ruhm
Der Montag muss gar nicht so sein…
Zwischen inniger Verbundenheit, Eifersucht und Nervigkeit
Die – diesmal digitale – Statue – geht an: Acht Fenster, Arge spleen* Graz, Steiermark (ab 15 Jahren). In der Jury-Begründung heißt es u.a.: „Wie gerne hätte James Stewart den Gesprächen hinter den Fenstern im Hof zugehört. Hier kriegen wir diese Möglichkeit und können uns sogar aussuchen, welches intime Gespräch hinter welchem Fenster uns mehr animiert zu lauschen. Eine gefinkelte Einladung zum Voyeurismus, die uns auf die falsche Fährte führt. Uns in Sicherheit wiegt hier diejenigen zu sein, die die Kontrolle haben.
Das Spiel dreht sich. Plötzlich sind es wir, die im Fokus stehen. Eine Performance die uns inne halten lässt, den Spiegel vorhält, wie öffentlich wir als Privatpersonen tatsächlich sind und uns freiwillig dazu machen. Eine Performance in und mit dem öffentlichen Raum, die auch mit der Legalität der Digitalisierung spielt. Eine Performance die mit theatralen Mitteln aufzeigt, wie privat das Öffentliche ist und wie öffentlich wir selbst das Private machen. Schreddern ist auch hier möglich. Eine Performance die sich mit jedem einzelnen Zuschauer und jeder Zuschauerin beschäftigt – hinterrücks und überraschend.
Wie Eric Schmidt, Manager bei Google, sagt: Wir wissen wo du bist/ Wir wissen wo du warst/ Wir wissen mehr oder weniger worüber du nachdenkst.
Für dieses überzeugende Konzept geht der STELLA 2020 in der Kategorie „Herausragende Produktion für Jugendliche“ an die Performance „Acht Fenster“, spleen*graz„
Nominiert waren außerdem:
• Heilige Wildnis, Toihaus Salzburg, 16+
• Zucht, Theater am Ortweinplatz in Koproduktion mit dem Theaterland Steiermark, Graz, Steiermark 16+
• Der (vor)letzte Panda oder die Statik, Burgtheater, Wien 16+
… entschied sich für „Orpheus“ vom Theater des Kindes in Linz und „Zucht“ vom Theater am Ortweinplatz in Graz.
Die Jury (Erwachsene) kürte Ida Golda in „Wenn ich groß bin will ich fraulenzen“ (Dschungel Wien) zur Siegerin.
In der Jury-Begründung heißt es unter anderem: „Ein Schauspieler – eine Schauspielerin – ist ein Mensch, dem es gelungen ist die Kindheit in die Tasche zu stecken und sie bis an sein – ihr – Lebensende darin aufzubewahren (Max Reinhardt).
Sie kommt auf die Bühne und man ist bei ihr zuhause. Sie ist ein Kind, ohne ein Kind zu spielen und überzeugt durch ihre aufrichtige Darstellung. Gleichermaßen erinnert sie das erwachsene Publikum daran, wie es ist ein Kind zu sein. Sie spielt mit dem poetischen Text mit einer Leichtigkeit und Freude, die ansteckend ist. Sie nimmt uns mit auf eine Reise von Angst, über Erwartungen, Überwindungen, Hoffnungen bis hin zu Mut und wir fühlen jede Sekunde mit ihr mit. STELLA 2020 an Ida Golda für ihr authentisches, virtuoses Spiel in „Wenn ich groß bin will ich frau*lenzen“, Dschungel Wien.
Nominiert waren weiters:
• Aaron Röll für seine darstellerische Leistung in Der (vor)letzte Panda oder die Statik, Burgtheater, Wien
• Stefan Ebner, Martin Geisler, Jana Thomaschütz für ihre darstellerische Leistung in Bis einer heult, Material für die nächste Schicht/TURBOtheater Villach, Kärnten
• Ines Stockner und Caroline Mercedes Hochfelner für ihre darstellerische Leistung in Lowkey, Theater 7ieben & 7iebzig, Innsbruck, Tirol
Die beste Musik zu einem Stück lieferte Yorgos Pervolarakis in IDIOTen, TATU Theater, Salzburg. Die Jury begründete u.a. wie folgt: „Information ist nicht Wissen/ Wissen ist nicht Weisheit/ Weisheit ist nicht Wahrheit7 Wahrheit ist nicht Schönheit/Schönheit ist nicht Liebe/ Liebe ist nicht Musik/ Musik ist das Beste (Frank Zappa).
Er ist mehr als Musik. Er ist ein Teil von dem Geschehen. Mit seinem Mitspiel, mit seinem Zwischenspiel. Der Musiker, nonverbal und virtuos, wird zum Darsteller, zum Begleiter, zum Philosophen. Er dirigiert das Stück und das Publikum mit seinen Kompositionen und Interpretationen durch 2 Jahrhunderte. Die Jury freut sich den STELLA 2020 in der Kategorie „Herausragende Musik“ an Yorgos Pervolarakis für seine Musik in „Idioten – die Welt steht Kopf“, Tatu Theater Salzburg, zu überreichen.
Nominiert waren hier außerdem:
• Elina Lautamäki, Martin Wax, Gabriele Wappel, Janina Sollmann und Sebastian Radon für die Musik in Montag schallundrauch agency, Wien
• Jana Tomaschütz für die Musik in Material für die nächste Schicht/TURBOtheater Villach, Kärnten
Der Preis für die beste Ausstattung ging an Mira König für Bühne und Kostüm in Vevi, Landestheater Vorarlberg, Bregenz, Vorarlberg. Und dazu meinten die Juror*innen: „Es gibt Maler, die die Sonne in einen gelben Fleck verwandeln. Es gibt aber andere, die dank ihrer Kunst und Intelligenz einen gelben Fleck in die Sonne verwandeln können (Pablo Picasso).
Ihr durchkomponiertes Bühnenkonzept bietet sowohl reichlich Raum für die Fantasie des Publikums wie für das Spiel der Darsteller*innen. Das Grafische wird plötzlich magisch. Durch Tiermasken und Kugeln, Falltüren und eine Leiter die bis zum Himmel ragt, macht sie die Gedankenwelt der Hauptfigur greifbar. Die Künstlerin schafft mir ihrem Bühnenbild, mir ihren klaren Linien und Formen, eine Poesie die uns durch viele Welten führt. Der STELLA 2020 in der Kategorie „Herausragende Ausstattung“ geht an Mira König für „Vevi“, Landestheater Vorarlberg.
Die anderen Nominierten waren hier:
• Birgit Kellner und Christian Schlechter für Bühne, Kostüm und Figurenbau in Andersland, makemake produktionen, Wien
• Hannes Röbisch und Liquid Penguin Ensemble für den Raum in Gras wachsen hören, Liquid Penguin Ensemble, Dschungel Wien & Wien Modern, Wien
• Bianca Fladerer für Bühne und Kostüm in Wenn ich groß bin will ich fraulenzen, Dschungel Wien, Wien
Der Sonderpreis des Vorstands der ASSITEJ Austria wird von diesem – ohne Jury – vergeben. Ausgezeichnet werden sollen damit kulturpolitische und/oder künstlerische Leistungen einer Person, einer Gruppe oder einer Institution auf dem Feld der darstellenden Kunst für junges Publikum. 2020 geht der Sonderpreis an das Planetenpartyprinzip – und damit zum ersten Mal an ein Kollektiv.
Dieses Performancekollektiv hat seit seiner Gründung gezeigt, wie man innovative Kunst lebt und gleichzeitig mit viel Humor an gesellschaftlichen Systemen und Fragen rüttelt. Das Planetenpartyprinzip zeigt, wie grenzüberschreitend Gegenwartskunst sein kann. Die Frage: „Ist das denn überhaupt Theater?“ lässt ihre Arbeitsweise überhaupt nicht zu, da die Struktur ihrer Kunst so klug gestrickt ist, dass man als Besucher*in/Zuseher*in/Publikum sich immer bewusst vor Augen hält: man ist hier in einem ganz eigenen Universum. Dieses PPP-Universum hebt Grenzen zwischen Generationen, Künsten und Konventionen auf. Ausgezeichnet werden sie auch, da sie neben ihrer eigenen und neu geschaffenen Ästhetik ihre Besonderheit auch digital transformieren konnten. Das Planetenpartyprinzip war schon im digitalen Spielformat, da gab es noch keine Förderung dafür.
Die ASSITEJ will mit dem Preis zudem ein Zeichen setzen, dass kollektive Kunst wegweisend für das Theater ist. Und freut sich „unglaublich mit dem Planetenpartyprinzip, Menschen in dieser Kunstform zu stärken, die sich trotz aller Hindernisse und Hürden für die Kunst und die Gesellschaft einsetzen.“
Das digitale Zeitalter macht auch vor dem STELLA*20 nicht halt. Dieses Jahr wurden die Preisträger*innen-Statuen für den STELLA*20 Graz in einer digitalen Variante vergeben. Diese virtuelle Statue ermöglicht mit Hilfe einer App ein „Mitnehmen“ der Trophäe zu allen realen und digitalen Orten. Dieses virtuelle Artefakt wurde in Zusammenarbeit mit Studentinnen und Studenten des Masterstudiengangs Communication, Media, Sound and Interaction Design der FH Joanneum in Graz gestaltet und in eine Betrachtungs-App integriert. Dies geschah im Rahmen der Lehrveranstaltung Dynamic Media, die vom Mediendesigner Albert Bieder geleitet wurde. Im Rahmen eines Wettbewerbs wurde die beste Skulptur von Sabine Probst ausgewählt.
Der STELLA wurde zum ersten Mal im Jahr 2007 verliehen und ist der erste österreichweite Preis für herausragende Leistungen in der darstellenden Kunst für junges Publikum.
Der STELLA ist eine Initiative der ASSITEJ Austria, dem Dachverband der österreichischen Szene für darstellende Kunst für junges Publikum. Er soll das Potenzial, die Kreativität und die Professionalität dieses Genres aufzeigen.