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Alex Teufelbauer, Marie Theissing, Himali Pathirana, Florian Jungwirth, Lotfullah Yusufi, Marlene Schenk-Mair, Ben Schidla, Patrick Werkner, Waltraud Matz
Alex Teufelbauer, Marie Theissing, Himali Pathirana, Florian Jungwirth, Lotfullah Yusufi, Marlene Schenk-Mair, Ben Schidla, Patrick Werkner, Waltraud Matz
15.03.2025

Echte (Erfolgs-)Lebensgeschichte bewegend und bewegt gespielt

„Lotfullah und die Staatsbürgerschaft“ im Vestibül des Burgtheaters (Wien) zeigt eine bewegende, immer wieder auch humorvoll gewürzte, erfolgreiche Lebensgeschichte.

Ein dichte, abwechslungsreiche, spannende Theaterstunde voller immer wieder krasser Wendepunkte samt sarkastisch-ironischen Momenten lebt darüber hinaus aber vor allem davon, dass es sich um eine echte Lebensgeschichte – und dies mit Happy End handelt. „Lotfullah und die Staatsbürgerschaft“ im Vestibül des Wiener Burgtheaters erzählt szenisch die Jahre in Österreich nach seiner Flucht. Als Kleinkind mussten die Eltern mit ihm das afghanische Ghazni verlassen, fanden Zuflucht in Pakistan, wo nach einigen Jahren das Leben auch nicht mehr erträglich war. Es war schon äußerst schwierig für die Familie, das Geld für die Flucht eines der ihren aufzutreiben. Tränenreich verabschiedet die Mutter den jugendlichen Sohn. Und rät ihm, auf der gefährlichen Fluchtroute im Schlaf immer doch auch irgendwie wach sein zu müssen (adir).

Lotfullah Yusufi, Himali Pathirana, Marlene Schenk-Mair, Marie Theissing
Lotfullah Yusufi, Himali Pathirana, Marlene Schenk-Mair, Marie Theissing

Schikanen, Waaaaarten…

Europa war das Ziel, irgendwann landete er zufällig in Österreich. Weder flossen hier Milch und Honig im sprichwörtlichen Sinn, noch wurden Menschen, die flüchten mussten, mit offenen Armen empfangen wie es in früheren Fluchtbewegungen – von Ungarn (1956), Tschechoslowakei (1968) bis zu den Jugoslawienkriegen (Anfang der 90er Jahre) noch eher der Fall war. Schikanen, Willkür trotz Rechtsstaat, Waaaaaarten auf Papiere, ein Flüchtlingscontainer hinter Drahtzaun, Abnahme des Ausweises durch die Behören, weil im Asylinterview nicht verstanden wurde, dass viele Afghan:innen schon lange vor der wieder völligen Machtübernahme durch die demokratiefeindlichen Taliban, von dort flüchten mussten – die einen in den Iran, andere nach Pakistan.

Florian Jungwirth, Ben Schidla, Alex Teufelbauer, Himali Pathirana, Marie Theissing, Patrick Werkner, Waltraud Matz, Marlene Schenk-Mair
Florian Jungwirth, Ben Schidla, Alex Teufelbauer, Himali Pathirana, Marie Theissing, Patrick Werkner, Waltraud Matz, Marlene Schenk-Mair

Ohne Ausweis bist du nichts

Monatelang staatenlos. „Wenn du keinen Ausweis hast, existierst du nicht“, fällt der treffende Satz. Der erinnert an Bert Brechts „Der Pass ist der edelste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so eine einfache Weise zustande wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustande kommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Pass niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird.“ (Flüchtlingsgespräche 1940/41).

Lotfullah Yusufi
Lotfullah Yusufi

Leben im Freien – im „Rosengarten“. Irgendwann dann doch wieder ein Ausweis, Flüchtlingsunterkunft weit ab im tiefsten Niederösterreich. Und dennoch nahm Lotfullah dreieinhalb-stündige tägliche Reisen in die HTL Mödling, aber auch nach Wien ins Burgtheater zu Proben für Projekte auf sich. Die Theaterprojekte boten ihm geborgenen Halt, auch wenn er manches nicht verstand, wie es im Stück heißt und nachvollziehbar zu erleben ist – für Außenstehende kaum verständliche Aufwärmübungen für die Stimme mit bedeutungslosen Lautkombinationen 😉

Patrick Werkner, Waltraud Matz, Himali Pathirana
Patrick Werkner, Waltraud Matz, Himali Pathirana

Bitterböser Humor

Der Humor kommt in dieser Stunde nicht zu kurz. Das Stück entstand in langem Hin und Her aus der neun Jahre währenden Zusammenarbeit von Anna Manzano, Marie Theissing, Lotfullah Yusufi und Magdalena Knor, anfangs als Spielclub im Burgtheater, später als freie Gruppe. Ergänzt und erweitert um Florian Jungwirth, Waltraud Matz, Himali Pathirana, Marlen Schenk-Mair, Ben Schidla und Patrick Werkhner sowie Alex Teufelbauer, der in den „Rosengarten“-Szenen in Lotfullahs Rolle schlüpft, entwickelte das Team rhythmisch choreografierte Szenen, die Begegnungen mit Bürokratie ebenso wie mit Helfer:innen knapp und rasch wechselnd, teilweise chorisch schildern.

Lotfullah Yusufi, Florian Jungwirth, Ben Schidla, Alex Teufelbauer, Himali Pathirana, Marie Theissing, Patrick Werkner, Waltraud Matz, Marlene Schenk-Mair
Lotfullah Yusufi, Florian Jungwirth, Ben Schidla, Alex Teufelbauer, Himali Pathirana, Marie Theissing, Patrick Werkner, Waltraud Matz, Marlene Schenk-Mair

„Kafkaesk“ ist aber real

Der Staatsbürgerchor mit fast höfischen Halskrausen, getrötete Bundeshymne, beamtliche Stempelzeremonien… – was für Theaterpublikum und -beschäftigte vielleicht „kafkaesk“ wirken mag, ist Alltag der meisten Geflüchteten seit Jahren. Kaum ein oder einer kennt es anders. Rascher Erwerb der deutschen Sprache, gut integriert, sozial engagiert – hilft alles (fast) nichts. Bewahrt nicht vor widersinnigen Entscheidungen, Ablehnungen, drohender Abschiebung…

Marie Theissing, Ben Schidla, Lotfullah Yusufi
Marie Theissing, Ben Schidla, Lotfullah Yusufi

Doch neben Zielstrebigkeit, Ausdauer, Energie und doch die einen oder anderen Menschen, die helfen, unterstützen, sich einfach menschlich zeigen, sind verantwortlich für ein Happy End. Die Energie Lotfullah Yusufis, der gemeinsam mit Regisseurin Anna Manzano sowie seinen Mitspieler:innen Marie Theissing und Magdalena Knor (auch Live-Musik) das Stück entwickelt hat, macht den Raum zeitweise fast zu klein für seine Power. Eine Art befreites Aufspielen, ist das Stück doch ein geglückter Sieg über alle Hindernisse und Schikanen.

Ben Schidla, Alex Teufelbauer, Marlene Schenk-Mair, Waltraud Matz
Ben Schidla, Alex Teufelbauer, Marlene Schenk-Mair, Waltraud Matz

Gewinn

Ohne es direkt anzusprechen, ergibt sich so „nebenbei“ die Lehre: Hätte Lotfullah Yusufi selbst aufgegeben und wäre er nicht bei seinem Einspruch gegen den ersten Abschiebebescheid unterstützt worden, gäbe es auch diesen bewegenden und doch Mut machenden Theaterabend nicht!

kijuku_heinz

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Lotfullah und die Staatsbürgerschaft

Anna Manzano & Marie Theissing & von Lotfullah Yusufi & Magdalena Knor
Eine Stunde

Regie: Anna Manzano
Schauspiel
Florian Jungwirth, Waltraud Matz, Himali Pathirana, Marlene Schenk-Mair, Ben Schilda, Alex Teufelbauer, Marie Theissing, Patrick Werkner, Lotfullah Yusufi
Bühne und Kostüme: Magdalena Knor
Musik: Marie Theissing
Licht: Enrico Zych
Dramaturgie: Rita Czapka

Wann & wo?

Für die nächsten Termine bis 10. April 2025 sind laut Burgtheater-Homepage keine Tickets mehr verfügbar; weitere Termine fehlen dort noch, kommen aber, wurde versichert
Burgtheater, Vestibül: 1010, Universitätsring
burgtheater -> lotfullah-die-staatsbuergerschaft

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