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Wirtsschafts-Student:innen, die Deutsch als neue Fremdsprache lernen
Wirtsschafts-Student:innen, die Deutsch als neue Fremdsprache lernen
31.12.2023

Austro-Afghane vermittelt österreichische Kunst und Kultur in Usbekistan und unterrichtete Deutsch

KiJuKU-Reportagen aus der usbekischen Hauptstadt Taschkent, Teil 3: Lokalaugen- und -ohrenschein im Deutschkurs an der staatlichen Wirtschaftsuniversität und bei der Präsentation des Kulturprojekts durch Studierende – und den Vermittler.

So nah war Zaker Soltani seiner ersten Heimat, aus der er als Angehöriger der verfolgten Minderheit der Hazara als Jugendlicher vor mehr als zehn Jahren flüchten musste, seit damals nie. Drei Monate lang unterrichtete der nunmehr österreichische Künstler und Deutschlehrer (als Zweit- und Fremdsprache) an der staatlichen Wirtschaftsuniversität von Taschkent diese in Usbekistan (nördliches Nachbarland Afghanistans, weitere Nachbarländer: Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Turkmenistan) zweitbeliebteste Fremdsprache. Darüber hinaus initiierte der Austro-Afghane mit seinen Student:innen ein partizipatives Projekt, in dem diese österreichische Kunst und Kultur erarbeiteten und kennenlernten – auf für ihr (nicht nur) Bildungs-System, das auf autoritär und frontal setzt, ungewohnt recht selbstständige und partizipative Art und Weise. Ein freier Journalist * besuchte Ende Jänner – im kältesten Winter, den Usbekistan seit 50 Jahren erlebte, – einige weitere Bildungsprojekte in der usbekischen Hauptstadt.

Bild-Montage aus drei Fotos: Humo-Arena in Taschkent, vergrößertes IMC-Transparent vom Eingang der Wirtschaftsuni sowie einer Österreich- und eienr Usbekistan-Fahne
Bild-Montage aus drei Fotos: Humo-Arena in Taschkent, vergrößertes IMC-Transparent vom Eingang der Wirtschaftsuni sowie einer Österreich- und eienr Usbekistan-Fahne

Vorsichtig die Schritte auf den vereisten Gehsteigen von O’zebekiston, einer der beeindruckenden Metro-Stationen Taschkents, die in ihrer Mixtur aus Kathedralen und Museen an Moskau erinnern, setzend, nähern sich Studierende und Lehrende den Eingängen zur staatlichen Wirtschaftsuniversität der usbekischen Hauptstadt. Ob beim Haupteingang an der Afrosiyob ko’chasi durch die neueren Gebäude oder neben der hoch oben thronenden Eishockeyhalle Humo-Arena vorbei, geht es in einen weitläufigen parkähnlichen Campus. Zwischen den neueren Gebäuden und dem eher älteren Haus 7, in dem sich auch die Uni-Kantine befindet, finden sich Nachbildungen berühmter Gebäude und Sehenswürdigkeiten der wichtigsten usbekischen Städte wie Samarkand, Buchara, Nukus, Namangan, Chiwa… – nicht so klein wie im Klagenfurter „Minimundus“, sondern jeweils gut einen Meter hoch und da noch dazu auf einem erhöhten erdigen Fundament fast auf Augenhöhe mit den meisten Studierenden.

Fremdsprachen

In diesem Haus ist die Abteilung für Fremdsprachen beheimatet. Jede Studentin und jeder Student, egal welcher Fachrichtung und Universität, muss eine neue Fremdsprache lernen, die sie/er in der Schule noch nicht hatte. Deutsch zählt zu den beliebtesten – in (Hoch-)Schulen, rangiert nach Englisch an zweiter Stelle. Das weit verbreitete Russisch – noch aus der Zeit der Sowjetunion in der Usbekistan eine der Republiken war – gilt nicht wirklich als Fremdsprache und wird schätzungsweise von zwischen zwei Drittel und drei Viertel der Bevölkerung gesprochen, jedenfalls von der großen Mehrheit verstanden. Seit der Unabhängigkeit wird übrigens (wieder) das lateinische statt des kyrillischen Alphabets verwendet, wenngleich vieles in beiden Schriften angezeigt wird. Die Deutsch-sprechende Minderheit – unter Stalin wurden 40.000 Wolgadeutsch nach Usbekistan deportiert – spielt übrigens bei der Beliebtheit dieser Sprache keine Rolle mehr, es gibt nur mehr wenige Deutsch-Muttersprachler:innen. In erster Linie nennen Studierende mit denen der Reporter sprach: Deutsch sei das sprachliche Tor zu Europa und dieses oftmals das – zumindest temporäre – analoge Ziel.

Weitere Fremdsprachen, die hier an der Wirtschaftsuni gelehrt werden, sind Französisch, Chinesisch (Mandarin), Japanisch, Koreanisch und Polnisch. Die Vielsprachigkeit und Internationalität wird auch von gut zwei Dutzend verschiedenen großen Fahnen im Gang neben den beiden Veranstaltungssälen optisch zum Ausdruck gebracht. Die rot-weiß-rote Österreichs fehlt, selbst eine kleine vor dem Tisch der Leiterin der Fremdsprachenabteilung bedauert Zukhra Narbekova im Gespräch mit dem Journalisten aus Wien. „Ich habe mehrmals an den österreichischen Konsul geschrieben, um Fahnen gebeten, ihn auch für die Präsentation des Kunst- und Kulturprojekts eingeladen. Aber er hat nie geantwortet, ist auch niemals zur großen jährlichen Tagung der Deutschlehrerinnen und -lehrer aus ganz Usbekistan gekommen, hat auch nicht einmal abgesagt.“

Aktiv sprechen lernen

So, und nun nach dieser elendslangen Einleitung endlich zur angekündigten Hauptgeschichte. Hier an der Taschkenter WU unterrichtete Zaker Soltani drei Monate lang Deutsch. Für die meisten seiner Student:innen auf besondere, teils eher gewöhnungsbedürftige Art. Frontalunterricht und stures Pauken oder Eintrichtern, das sie aus ihrer Schulzeit und bisherigen Uni-Kursen kennen, ist seine Sache nicht. Einbeziehung, Mitarbeit, Ermunterung zur Selbsttätigkeit – darauf setzte er in seinen Kurs-Einheiten.

Beim Lokalaugenschein von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… schilderte der Deutschlehrer kurz den Aufbau des österreichischen Bildungssystems und ermunterte die Studierenden, in Kleingruppen das Pendant in Usbekistan dazu darzustellen – in Wort und Grafiken. Und in der Präsentation auch die Unterschiede zwischen den beiden herauszuarbeiten und zu benennen.

So beginnt die Schulpflicht in Usbekistan erst mit sieben Jahren. Nach vier Grundschuljahren folgen fünf Jahre einer – gemeinsamen – mittleren Schule bevor sich daran die Bildungswege teilen in entweder drei Jahre eines Lyzeums (Allgemeinbildung) oder zwei bis drei Jahre eines Berufskollegs. Übrigens befähigen die Abschlüsse beider Zweige zu einem weiteren Hochschul-Studium –mit der Feinheit, dass das Bachelor-Studium länger dauert als das Magisterium.

So „nebenbei“: Sprachliche Feinheiten

Im Zuge der Präsentation der Kleingruppen-Arbeiten ergibt sich auch die Diskussion um sprachliche Feinheiten, im konkreten Fall der Mehrdeutigkeit des Wortes „umsonst“ – als einerseits für Gratis und andererseits vergebens. Gratis ist übrigens nicht einmal das Studium an staatlichen Universitäten. Mit 500 € pro Jahr liegen sie – nominell – nur um ca. ein Drittel unter den österreichischen, belaufen sich aber auf fast zehn Prozent eines durchschnittlichen Jahreseinkommens.

Sprache durch Kunst

Auf Deutsch lehren und lernen durch aktives Verbalisieren setzte Zaker Soltani auch in einem von ihm zusätzlich angebotenen freiwilligen Projekt für Studierende. Ausgehend von seinem Hintergrund als Künstler entwickelte er „Sprache durch Kunst“, um den jungen Usbek:innen österreichische Kunst und Kultur zu vermitteln. Nein, er brachte ihnen weder Walzer noch Schuhplatteln bei, wie ein österreichischer Kollege spontan fragte, als er von mir von diesem Projekt hörte.

Vieles dreht sich um Bildende Kunst – Zaker Soltani selbst malt und gestaltete zuletzt in Wien im vergangenen Jahr anlässlich des Jahrestages der erneuten Machtübernahme seines ersten Heimatlandes durch die Taliban eine Ausstellung im Kunstraum Nestroyhof – Links dazu am Ende dieses Beitrages. Und so wählte der Künstler und Deutschlehrer einige berühmte Gemälde aus: Von österreichischen Künstlern wie Klimt, Schiele, Kokoschka aber auch anderer wie Breughel, die aber im Kunsthistorischen Museum in Wien hängen. Aufgabe für die Studierenden: Bildbeschreibungen und dabei so einiges Sprachliches zu lernen. „nebenbei“ aber auch so manches über Kunst und Kultur aus Österreich mitzubekommen.

Weil er zu Beginn dieses Projekts draufgekommen ist, dass viele seiner Student:innen noch niemals im Taschkenter Kunstmuseum waren, erweiterte der Lehrer das Projekt auch um usbekische Kunst und Kultur – bis hin zu manchen Vergleichen – etwa der Beschreibung der Wiener Karlskirche und des Gur-Emir-Mausoleums in Samarkand.

Noch näher an Sprache heran reichte die Beschäftigung mit literarischen Texten, sowohl alten wie Joseph von Eichendorffs „Mondnacht“ als auch neueren österreichischer Schriftsteller:innen wie Ernst Jandl oder Dimitré Dinev. Und die Ermunterung an Studierende, eigene literarische Kurztexte und Gedichte zu verfassen.

Ghazni – Quetta – Traiskirchen – Feldkirch – Wien – Taschkent

Geboren 1997 im afghanischen Ghazni musste Familie Soltani – wie viele andere Angehörige der seit „ewig“ verfolgten Minderheit der Hazara – flüchten. Erste Station: Pakistan. Viele hofften ja, doch wieder in die Heimat zurückkehren zu können. Doch auch dort machten sich Taliban und ähnliche Kaliber zunehmend breit. Also war auch dort keine sichere Bleibe. Als 15-jähriger Unbegleiteter Minderjähriger Flüchtling landete Zaker Soltani 2012 letztlich in Österreich, konkret im bekannten Lager Traiskirchen. Von dort kam er bald nach Vorarlberg, wo er im Gymnasium Schillerstraße in Feldkirch maturierte – und schon seine ersten Ausstellungen bis nach Bregenz hatte. Danach studierte er in Wien Kunstgeschichte und Deutsch als Zweit- und Fremdsprache und hatte – wie schon weiter oben erwähnt – im Vorjahr eine große Ausstellung im Wiener Kunstraum Nestroyhof, für die er eine Reihe von Begleitveranstaltungen organisierte – von Podiumsdiskussionen über Lesungen und Musik bis zu einem wissenschaftlichen Vortrag.

In Usbekistan wo zwar viele Deutsch lernen aber kaum jemand Österreich kennt, gibt es nun einige Dutzend Studierende, für die nicht nur das Land, sondern auch ein Teil seiner Kultur bekannt geworden ist – dank des Neu-Österreichers, der aus Usbekistans Nachbarland flüchten musste. Und dort erstmals seither nicht gleich als „fremd“ wahrgenommen wurde. „Viele hier halten mich für einen Usbeken, in Österreich fragen viele woher kommst du. Und wenn ich sage, ich bin Österreicher kommt die Frage, woher aber wirklich…“

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