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Szenenfoto aus "Der Junge mit dem längsten Schatten"
Szenenfoto aus "Der Junge mit dem längsten Schatten"
16.10.2025

Ein jugendliches „Ich bin ich“

„Der Junge mit dem längsten Schatten“ im Theater im Zentrum (Wien, kleineres Haus des Theaters der Jugend) über Zwillingsbrüder, von denen sich einer lange nicht so cool findet…

Knapp mehr als eine Stunde, kompakt, dicht, aber nie zu dicht verläuft „Der Junge mit dem längsten Schatten im Theater im Zentrum (dem kleineren der beiden Häuser des Wiener Theaters der Jugend) wie im Flug.

Wenngleich der Engelsflug der beiden Zwillingsbrüder Adam (Una Nowak) und Atticus (Mino Dreier) sozusagen als Embryos mit Flügeln im Mutterleib nach der an Michelangelos Gemälde von der göttlichen Erschaffung Adams angelehnten „unbefleckten Empfängnis“ zu Beginn doch ein wenig jenseitig wirkt, spielt sich die Konkurrenz der gerade 12-jährig gewordenen recht realistisch ab.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Der Junge mit dem längsten Schatten“

2 Minuten, die „Welten“ bedeuten

Finegan Kruckemeyer (Deutsch von Thomas Kruckemeyer) hat sich die Besonderheit einfallen lassen, dass Adam, der um zwei Minuten ältere knapp vor Mitternacht – noch dazu am 31. Dezember 1999 – auf die Welt kommt und Atticus damit erst am nächsten Tag im neuen Jahr(-tausend). Und dass der Jüngere – obwohl beide immer gleich groß sind – einen kürzeren Schatten wirft.

Adam ist der Coolere, oder zumindest der, der bei allen anderen in der Schule besser ankommt. Atticus mehr ein Nerd, Bücherverliebt, sprachenbegeistert und -talentiert, liest Harry Potter auf Japanisch und Französisch… Für seine Schlauheit bewundert ihn der Bruder sogar, wenngleich eher insgeheim.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Der Junge mit dem längsten Schatten“

Verwandlungspläne

Natürlich will auch Atticus cool sein, wenigstens anerkennt und respektiert, statt ausgegrenzt und gemobbt zu werden. Und so schmiedet er Pläne. Geht eines Tages als sein Zwillingsbruder in die Schule, als dieser mit der Mutter zum Zahnarzt muss, wird an einem anderen Tag zum Super-A…loch, der sogar den Ober-Mobber der Schule Mike Tanner – in dessen Rolle kurzfristig Una Nowak, ansonsten Adam, schlüpft – fertig macht. Sich selber aber grässlich dabei findet. Auch das ist nix für ihn…

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Der Junge mit dem längsten Schatten“

Selbstvertrauen gibt Licht

Letztlich – und das ist von Anfang an klar, was der Autor und die Inszenierung sagen wollen (Regie: Gerald Maria Bauer, ansonsten eher Spezialist für überlange, hoch-komplizierte Stücke): Atticus kommt drauf: So wie ich bin ist’s okay, sehr sogar. Und der vergleicht das mit den unterschiedlichen Schatten – vielmehr die Sonneneinstrahlung, die ja dafür zuständig ist – mit Selbstvertrauen…

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Der Junge mit dem längsten Schatten“

Una wusste es sofort

Mino Dreier und Una Nowak, die eineinander – obwohl nicht verwandt – äußerlich recht ähneln, verkörpern die ungleichen Zwillingsbrüder recht schwungvoll und glaubhaft. Der Regisseur hat’s auch den beiden überlassen, wer wen spielen will. Er selbst war sich, so verrät er im Gespräch mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… nach der vielumjubelten Premiere, nicht so sicher. Auch andere im Haus, die er gefragt habe, hätten keine eindeutigen Präferenzen gehabt. „Aber Una wusste sofort, Adam spielen zu wollen.“

Ein Beweggrund war auch, dass beide schon im Vorjahr in Till Wiebels „Funken“ – damals mit weiteren Schauspielerinnen auf der Bühne agierten und dabei mit Malte Schröder und Twinkle auch konträre Figuren gaben, aber von den Typen eben andersrum als nun im „Jungen mit dem längsten Schatten“.

„Jetz weiß ich, wer ich bin….“

Sowohl im Stücktext angelegt als auch in der Inszenierung ergibt sie die Erkenntnis der beiden 12-Jährigen, natürlich besonders von Atticus einfach aus den Szenen, aus der Entwicklung ohne belehrenden Zeigfinger; erinnert entfernt ein bisschen an Mira Lobes Kinderbuchklassiker vom „kleinen Ich bin ich“, in dem es nach der Tour zu anderen Tieren, auf der es immer danach fragt, wer es sei, zur Erkenntnis kommt: „So, jetzt weiß ich, wer ich bin! Kennt ihr mich? Ich bin ich!“

Neben den beiden kommen Mutter, Vater und Erzähler nur als Stimmen aus dem Off – Sophie Aujesky, Christian Graf und Till Firid – vor. Für die – mitunter recht starken – Lichtspiele sorgt Christian Holemy.

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Der Junge mit dem längsten Schatten

von Finegan Kruckemeyer
Deutsch von Thomas Kruckemeyer
ab 11 Jahren; knapp mehr als eine Stunde (ohne Pause)

Regie: Gerald Maria Bauer

Adam / Mike Tanner: Una Nowak
Atticus: Mino Dreier

eingesprochene Stimmen
Mutter: Sophie Aujesky
Vater: Christian Graf
Erzähler: Till Firid

Bühnenbild & Video: Sam Madwar
Kostümbild: Irmgard Kersting
Licht: Christian Holemy
Dramaturgie: Sarah Caliciotti
Assistenz und Inspizienz: Eva Maria Gsöllpointner
Hospitanz: Maximilian Hofstätter

Aufführungsrechte: Rowohlt Theater Verlag, Hamburg

Wann & wo?

Bis 14. Dezember 2025
Theater im Zentrum: 1010, Liliengasse 3
Telefon: 01 52110-0
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