One-Woman-Puppen-Show von “Bridge Markland” (Berlin) bei den 46. Internationalen Puppentheatertagen in Mistelbach (NÖ).
Eine relativ kleine von Stoff umrandete Bühne auf der großen Bühne – das ist sozusagen die „Box“ der Puppenspielerin Bridge Markland (Idee / Sound-Collage / Co-Regie und nicht zuletzt mitreißende Performance). Derzeit gastiert sie mit „Nathan in the Box“ bei den internationalen Puppenspieltage im niederösterreichischen Mistelbach, übrigens bereits den 46. Der Titel legt nahe, dass sich das 1¼-stündige Stück an Gotthold Ephraim Lessings „Nathan der Weise“ orientiert – DEM Klassiker gegen die Bevorzugung einer der großen monotheistischen Religionen. Es geht ums Mensch-Sein, egal ob Christen-, Judentum oder Islam.
Eingebettet in dramatische Geschichten angesiedelt vor fast 1000 Jahren in der Zeit eines der Kreuzzüge der Christen zur Eroberung Jerusalems, dachte sich Lessing Szenen rund um ein brennendes Haus, die Rettung der vermeintlich jüdischen Recha, Pflegetochter des Juden Nathan, durch einen christlichen Tempelritter aus. Dieser wiederum verdankt sein Leben dem muslimischen Sultan Saladin.
Bekannt aus der doch komplizierten Geschichte ist vor allem die Ring-Parabel, die sich Lessing übrigens u.a. von Giovanni Boccaccios „Decamerone“ und anderen Erzählungen sozusagen ausgeborgt hat: Über Generationen hinweg vererben Väter einen wertvollen Ring jeweils an den Lieblingssohn. Dann kommt einmal ein Vater, der seine drei Söhne gleichermaßen liebt. Er lässt zwei perfekte Duplikate anfertigen, sodass niemand erkennen kann, welcher der drei Ringe das Original ist. Nach Vaters Tod und dem folgenden Rechtsstreit der Söhne, urteilt ein weiser Richter, sie sollten sich alle drei bemühen, Gutes zu tun, dann würden sie draufkommen, welcher Ring der ursprüngliche wäre. Natürlich stehen die drei Ringe symbolisch für die drei genannten Religionen.
Diese doch insgesamt komplexe Story verkörpert die Puppenspielerin in einem insgesamt rasanten, knackigen Solo mit leicht wechselnden Kostümen und Kopfbedeckungen im Wechselspiel mit neun Puppen (Puppen / Kostümdesign / Requisiten: Eva Garland) in, aber auch außerhalb der eingangs geschilderten Box – nicht selten auch ganz nahe ans Publikum gehend, laufend oder fast springend (Co-Regie / Dramaturgie: Nils Foerster). Alle Dialoge – ob die scheinbar aus den Mündern der Puppen oder der Performerin kommen aus dem Off – via Computer über Lautsprecher. Acht verschiedene Künstler:innen haben die Rollen- und Dialogtexte der schon genannten und weiterer Protagonist:innen eingesprochen. Der Ton läuft vom Start weg durchgängig ab – somit muss sich Bridge Markland – tritt nur unter diesem Künstlerinnen-Namen auf – voll an diesem orientieren, keine Sekunde Zeit zu verschnaufen oder sich mit der einen oder anderen Puppe zu verheddern.
Markenzeichen der Künstlerin, die ursprünglich vom modernen Tanz kommt, einige Klassiker aber auch Drag-Shows im Repertoire hat: Neben den gesprochenen Sätzen bringt sie viel Musik zu Gehör – kurz und kürzest angespielte Hits, Songs, Schlager aus unterschiedlichsten Generationen und die voll passend zur jeweiligen Situation von Talking Heads‘ „Burning down the House“ bis zu John Lennons „Imagine“, von „Die Ärzte“ bis zu „Schwesta Ewa“, von „Jesus Christ Superstar“ bis zu „Herr der Ringe“… (Sounddesign: Tom Hornig)
Ach ja, Funfact am Rande, passend zur Re- und Upcycling-installation im Foyer: Alles – Die Puppen, die Box und ihre eigenen Kostüme sind so dimensioniert, dass sie in einen großen Rollkoffer passen. „Ich fahr seit Jahrzehnten zu allen Auftritten mit der Bahn“, verrät die Künstlerin nach der Vorstellung.
Frei nach „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing
Bridge Markland
Ab 12 Jahren; 1¼ Stunden
Idee / Sound-Collage / Co-Regie/ Performance: Bridge Markland
Co-Regie / Dramaturgie: Nils Foerster
Sounddesign: Tom Hornig
Puppen / Kostümdesign / Requisiten: Eva Garland
Sprecher:innen:
Daja: Iris Boss
Sittah: Cora Frost
Derwisch: Lance Girard
Tempelherr: Markus von Lingen
Sultan Saladin / Patriarch: Thomas Nicolai
Nathan: Ingo Volkmer
Recha: Ewa Ziegenbein
Klosterbruder: Frank Zimmermann
Musik
Antilopen Gang, Die Ärzte, The Bangles, Beyoncé, Black Sabbath, Bushidos Kinder, Phil Collins, Culture Club, Danger Dan, Depeche Mode, Enigma, Eurythmics feat. Aretha Franklin, Bryan Ferry, Foreigner, Gunter Gabriel, Herbert Grönemeyer, Grup Tekkan, Ofra Haza, Hansi Hinterseer, Höhner, The Hollies, Roland Kaiser, Mickie Krause, Lenny Kravitz, Ali Hassan Kuban, Oren Lavie feat. Vanessa Paradis, Daliah Lavi, Vicky Leandros, John Lennon, Madonna, Bob Marley, Pet Shop Boys, Rammstein, R.E.M., Schwesta Ewa, Scorpions, Sex Pistols, Sister Sledge, Barbra Streisand, Donna Summer, Talking Heads, Tarkan, Bonnie Tyler, U2, Frank Zappa u.v.a.
Mit Musik aus TV, Film, Musical
The Queen’s Gambit/Das Damen Gambit (Netflix) 2020
Chess/The Musical (1984), Jesus Christ Superstar (1970)
Lord Of The Rings / Der Herr der Ringe (2001 – 2003)
My Big Fat Greek Wedding / Meine Hochzeit auf Griechisch (2002),
Der Name der Rose (1986), Yentl (1983), The Ten Commandments / Die zehn Gebote (1956)
Die Drei von der Tankstelle (1930)
Das Omen (1976)
23. Oktober 2024
10 Uhr
Alfred Šramek Saal
2130 Mistelbach, Franz Josef Straße 43
22. bis 27. Oktober 2024
2130 Mistelbach
Stadtsaal: Franz Josef-Straße 43
Barockschlössl: Museumsgasse 4
puppentheatertage.at