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Szenenfoto aus "Die Schöne und das Biest", Theater der Jugend (Wien)
Szenenfoto aus "Die Schöne und das Biest", Theater der Jugend (Wien)
05.06.2024

Herzliche, hilfsbereite Schöne sieht mit dem Herzen

„Die Schöne und das Biest“ in einer Version, die vor allem auf den französischen Märchenfassungen aufbaut, im Renaissance-Theater (Theater der Jugend) in Wien.

Zwei verwöhnte, nur den Luxus genießende Schwestern und eine dritte, die für die ganze Familie arbeitet, niedere Dienste verrichtet aber dafür mit einem Prinzen belohnt wird – klingt nach Aschenputtel. Ein Kuss für den Frosch – der zum Prinzen wird: Froschkönig. Ein hässliches Entlein, das beim Heranwachsen zum Schwan wird… Viele Märchen transportieren gleichsam pädagogische Botschaften. Nicht arrogant und hochnäsig sein. Fleißig arbeiten. Hilfsbereitschaft. Und nicht (nur) auf das Äußere achten – innere Werte sehen, spüren, lieb sein…

Viele dieser Elemente verknüpft das aus Frankreich stammende Märchen „Die Schöne und das Biest“. Eine Version, die vor allem auf die französischen Versionen zurückgreift, ist derzeit in einer opulenten, märchenhaften Fassung im Wiener Renaissancetheater zu sehen, die ins Jahr 1920 verlegt wurde.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Die Schöne und das Biest“, Theater der Jugend (Wien)

Die Story knappest gefasst

Die reiche Familie – die pflanzen-forschende Mutter der drei Töchter ist im Dschungel von Borneo verschollen – wird plötzlich arm. Villa brennt ab, Schiffe mit Stoffen aus Fernost saufen ab. Vater und die Töchter müssen aufs Land in eine abgefuckte Hütte ziehen, in der er aufgewachsen ist. Die jüngste Tochter schuftet für alle, ihre beiden Schwestern weinen nur dem verlorenen Reichtum nach. Da kommt die Nachricht aus Paris, eines der Schiffe sei doch nicht gesunken und am Hafen gelandet. Vater fährt nach Paris – die kostbare Schiffsfracht wurde aber beschlagnahmt, um aufgelaufene Schulden zu begleichen. Auf dem Rückweg ins Dorf landet der Vater im Wald in einem geheimnisvollen Schloss – bewohnt vom Biest, einem monsterartigen Wesen. Vater tauscht seine Freiheit gegen das Versprechen, seine Tochter würde kommen. Die kommt tatsächlich, fürchtet sich zwar, sieht in ihm aber „kein Scheusal“…

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Szenenfoto aus „Die Schöne und das Biest“, Theater der Jugend (Wien)

Rückgriff auf ursprüngliche Versionen

Seit Kurzem wird im Renaissancetheater, dem großen Haus des Theaters der Jugend in Wien diese Geschichte in einer Fassung von Henry Mason, der auch Regie führte, gespielt. Diese Version greift auf jene von Jeanne-Marie Leprince de Beaumont (1711 – 1780), die „La Belle et la Bête“ 1757 veröffentlichte zurück, die wiederum auf der ausführlicheren Geschichte von Gabrielle-Suzanne Barbot de Vielleneuve aufbaute – aus der im Programmheft zitiert wird. Laut dem Online-Lexikon Wikipedia kamen portugiesische und britische Forscher kamen jedoch mit phylogenetischen Methoden zu dem Schluss, dass das Märchen mit großer Wahrscheinlichkeit etwa 2500 bis 6000 Jahre alt ist.

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Szenenfoto aus „Die Schöne und das Biest“, Theater der Jugend (Wien)

Scheusal – als er noch Mensch war

Wie auch immer: Das Biest, gespielt von Valentin Späth, der wie alle anderen außer Belle (Shirina Granmayeh) in viele andere Rollen schlüpft, bzw. im geheimnisvollen Spiegelschloss (märchenhaftes Bühnenbild – sowohl die anfängliche Villa als auch dieses Biest-Schloss oder die alte Landhütte: Rebekah Wild) Gegenständen seine Stimme leiht, verhält sich zuvorkommend, freundlich, ja fast unterwürfig. Er war – damals noch in Menschengestalt – ein Scheusal, ein despotischer, herrschsüchtiger Gutsherr, der vielen Menschen das Leben zur Hölle gemacht hat. Seine neue Gestalt ist die Strafe dafür.

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Szenenfoto aus „Die Schöne und das Biest“, Theater der Jugend (Wien)

„Wunder“-Pferd

Fleur (Benita Martins) und Florence (Violetta Zupančič), Belles Schwestern, sind in ihrer arroganten Bösartigkeit vielleicht ein wenig zu dümmlich angelegt. Daniel Große Boymann als Vater erfüllt immerhin den Herzenswunsch der jüngsten Tochter nach einer Rose, hadert dann doch damit, Belle zum Biest ziehen zu lassen. Die überraschendste Figur des Stücks ist das „Wunder“-Pferd in Gestalt eines Hochradfahrers mit Rosskopf und-gebiss (Kostüme: Anna Katharina Jaritz), gespielt von Stefan Rosenthal, der auch einen humorvollen Chauffeur – und wie seine Kolleg:innen unsichtbare Diener und mehr gibt.

Mason lässt aber auch die verschollene Maman (als Anklang an die französischen Märchenversionen) immer wieder der jüngsten Tochter, die ebenfalls Blumen und Pflanzen liebt, erscheinen. Maria Fliri ist aber auch in und ums alte, halb verfallene, Bauernhaus als Magd Madeleine allgegenwärtig – und einstiges Opfer der mehr als unguten Behandlung des vormaligen Biestes.

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Szenenfoto aus „Die Schöne und das Biest“, Theater der Jugend (Wien)

Vorurteile

„Es gibt viele Menschen, die schlimmere Ungeheuer sind, als du eines bist! Ich mag dich mit deinem Aussehen lieber als die, die in menschlicher Gestalt ein falsches, verdorbenes und undankbares Herz besitzen“, heißt es in der Übersetzung der Märchenversion von Jeanne-Marie Leprince de Beaumont. Auch wenn das in einem Märchen natürlich doch leichter ist als in der Wirklichkeit sehender Menschen, die sich von optischen Eindrücken stark leiten lassen. Das können blinde Menschen besser ausblenden.

Und natürlich drängt sich beim Biest der millionenfach zitierte Spruch „man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar“ aus „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry auf.

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Die Schöne und das Biest

Ab 6 Jahren; 2 Stunden
von Henry Mason

Belle, die jüngste Tochter: Shirina Granmayeh
Biest (Felix) / zweiter maskierter Gast / Briefträger / Schuldner / Stimme der Tür, des Stuhls, des Zauberspiegels: Valentin Späth
Papa (Julien) / ein unsichtbarer Diener: Daniel Große Boymann
Erster maskierter Gast / Maman (Rosalie) / alte Magd (Madeleine) / Richterin / eine unsichtbare Dienerin: Maria Fliri
Fleur, die älteste Tochter / ein Pariser Gendarm / eine unsichtbare Dienerin: Benita Martins
Florence, die mittlere Tochter / ein Pariser Gendarm / eine unsichtbare Dienerin: Violetta Zupančič
Wunderpferd / dritter maskierter Gast / Chauffeur / Anwalt / ein unsichtbarer Diener: Stefan Rosenthal

Regie: Henry Mason
Bühnenbild: Rebekah Wild
Kostüme: Anna Katharina Jaritz
Licht: Christian Holemy / Barbara Zukal
Dramaturgie: Sarah Caliciotti
Bühnenbildmitarbeit: Gerhard Pichler
Assistenz und Inspizienz: Eva Maria Gsöllpointner
Hospitanz: Lukas Spring
Aufführungsrechte: Theater der Jugend, Wien

Wann & wo?

Bis 22. Juni 2024
Renaissancetheater: 1070, Neubaugasse 36
Telefon: 01 521 10-0
tdj -> die-schoene-und-das-biest

wikipedia -> Die_Schöne_und_das_Biest