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Szenenfoto aus "Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute" vom Jungen Linzer Landestheater
Szenenfoto aus "Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute" vom Jungen Linzer Landestheater
20.10.2025

Hinschauen und Fragen stellen oder nichts sehen, hören, sagen?

Junges Landestheater in Linz spielt „Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute“, ausgehend vom echten Zoo neben dem KZ Buchenwald.

Rote Schuhe und Handschuhe zum schwarzen Gewand der eine, eine rote Jacke die andere, ein Dritter mit ebensolcher kurzer Hose und der Vierte mit rotem Hemdkragen unterm dunklen Pullover. Die vier Schauspieler:innen Vinzent Gebesmair, Alexandra Diana Nedel, Jakob Schmölzer und Levi R. Kuhr sitzen verteilt auf Plätzen zwischen Zuschauer:innen der Kammerspiele-Studiobühne des Linzer Landestheaters. Sie stimmen – verteilt – mit Sätzen über Schwarz-Weiß-Fotos eines kleinen Zoos in einer Gegend mit schönen Häusern für die einen und Bruchbuden für die anderen, auf das Stück ein.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute“ vom Jungen Linzer Landestheater

Auf und zwischen Betonblöcken, die an Mahnmale gegen Krieg und Faschismus erinnern (Bühne und Kostüme: Mona Hapke), mit einigen orange-rostig wirkenden Drahtbügeln und -griffen, sowie einem großen, kleinkarierten Gitterdeckel schlüpfen die vier dann auf der Bühne vor allem in die immer wieder wechselnden Rollen der hier gefangenen Tiere: Von sich zu Chefs aufspielenden Pavianen über Mufflons, ein turtelndes Pärchen schwarzer Trauer-Schwäne aus Frankreich, die sich mit vornehm klingender entsprechender Sprachfärbung ihres Deutsch als Madamm und Mössio abheben, bis zu Eichhörnchen und vor allem einem starke Gefühle zeigenden Murmeltier-Mädchen. Dieses zeigt sich bewegt vom Tod des Nashorns, das eines Tages – mit traurigem Blick – das Leben aushauchte.

Andere Seite

Frost? Heimweh? Oder könnte es noch einen anderen Grund für dessen Tod geben? Das legt immerhin der Titel des Stücks nahe, das zu den meistgespielten im deutschsprachigen Raum zählt: „Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute“. Auf dieser anderen Seite stand das Konzentrationslager Buchenwald auf dem Ettersberg bei Weimar – mit eingesperrten dürren Zebrawesen auf zwei Beinen, rechtlos gehaltenen Menschen, geknechtet von Artgenossen, den „Gestiefelten“.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute“ vom Jungen Linzer Landestheater

Den Zoo gab es wirklich

Jens Raschke hat das Stück vor mehr als zehn Jahren geschrieben, nachdem er sich mit dem historischen Vorbild dieses Tiergartens intensiv beschäftigt hatte: Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald mussten tatsächlich einen Tiergarten zur Belustigung des KZ-Wachpersonals bauen, nur durch einen Zaun von ihrem eigenen Gefangenenlager entfernt. Übrigens, Sonntags machten Familien aus Weimar Ausflüge in diesen Zoo!

Fabel-„Trick“

Der Autor siedelt das Geschehen in der Welt der Tiere an und lässt alles aus deren Perspektive spielen, pflanzt ihnen allerdings unterschiedliche menschliche Verhaltensweisen ein – das Rezept aller Fabeln. Affen als Diener der Gestiefelten maßregeln Tiere wie das Murmeltiermädchen, das sich Fragen nach dem Grund von Nashorns Traurigkeit stellt. Vor allem die vielen Fragen des neu angekommenen Bären nerven die Hilfs-Kapos, wollen den Bären zum Schweigen veranlassen, er möge sich angepasst verhalten, das wäre für sie alle besser… Andere sind sich zwar unsicher, ob da drüben alles mit rechten Dingen zugehe, wollen sich aber lieber nicht einmischen…

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute“ vom Jungen Linzer Landestheater

Stinkt gewaltig

Der Bär aus Sibirien – oder wie Murmeltierkind sagt Sibärien – wundert sich unter anderem darüber, weshalb es da – im Waldgebiet – gar keine Vögel gibt; übrigens auch das eine historische Tatsache. Ob es an dem ekelig nach verbranntem Menschenfleisch riechenden Rauch aus dem Schlot hinter dem Zaun liegt? „Hier stinkt doch etwas gewaltig!“

Während es praktisch alle Tiere, die der Autor in sein Stück einbaute, gab, erfand er den neuen Bären, den er dann auch ein dramatisches, spannendes Ende vollbringen lässt, das hier nicht gespoilert werden soll.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute“ vom Jungen Linzer Landestheater

Wie verhalten…

Das Ende der Handlung soll auch gar nicht im Zentrum stehen, sondern vielmehr die Fragen und das Nachdenken über das Verhalten der verschiedenen Tiere, stellvertretend für Menschen angesichts des – an sich nicht zu übersehenden – mörderischen Grauens auf der anderen Seite des Zauns. Das Spiel des Jungen Linzer Landestheaters (Regie: Nele Neitzke; Dramaturgie und Musik: David Baldessari) lässt da immer wieder auch Raum für stille Moment, um selber zu grübeln. Und hat zwei verschiedene Programmhefte – für Zuschauer:innen ab 10 bzw. 13 Jahren – mit fallweisen, ebenfalls aufgeteilten, Nachbesprechungen: Für die Älteren mit den Fakten von 280.000 eingesperrten Menschen zwischen 1937 und 1945, wovon rund 56.000 von den Nazis ermordet wurden bzw. den katastrophalen Haftbedingungen zum Opfer fielen. Für die Jüngeren werden eher Fragen nach dem Verhalten der Tiere gestellt und da vor allem nach dem Hinschauen und Mutig-Sein.

Übrigens: Fußball im KZ Mauthausen

Nicht nur der Zoo neben dem Zaun zum Konzentrationslager Buchenwald war fast absurd wirkende Realität im Wahnsinn der Massenvernichtung menschlichen Lebens durch die Nazis. Im Konzentrationslager Mauthausen (Oberösterreich) fanden regelmäßig Fußballspiele von Häftlingsmannschaften statt und die SS-Mannschaft war ihrerseits Teil der oberösterreichischen Fußball-Liga, feierte 1944/45 den Herbstmeistertitel (Quelle: Mauthausen Memorial, KZ-Gedenkstätte, Link weiter unten).

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Was das Nashorn sah… – Version der Grazer Theatergruppe „Follow the Rabbit“ in Kooperation mit dem Vorarlberger Landestheater und der Stadt Dornbirn <– damals noch im Kinder-KURIER

mauthausen-memorial –> SS-und-Haeftlingsfussball-im-KZ-Komplex-Mauthausen-Gusen

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute

Von Jens Raschke
Junges Theater; Landestheater Linz; ab 10 bzw. 13 Jahren; 1¼ Stunden

Text: Jens Raschke
Inszenierung: Nele Neitzke
Erster / Murmeltiermädchen / Zebrawesen 1: Alexandra Diana Nedel
Zweiter / Papa Pavian / Mama Murmeltier / Frau Mufflon / Zebrawesen 2: Jakob Schmölzer
Dritter / Bär / Madamm / Eichhörnchen 2: Vinzent Gebesmair
Vierter / Herr Mufflon / Mössio / Mama Pavian / Zebrawesen 3 / Eichhörnchen 1: Levi R. Kuhr

Bühne und Kostüme: Mona Hapke
Musik und Dramaturgie: David Baldessari

Wann & wo?

Bis 29. Mai 2026
Spielstätte Studiobühne, Kammerspiele
4020 Linz, Promenade 39
Telefon: 0 732 7611-400
kassa@landestheater-linz.at
Online-Kartenbuchung ist bis 15 Minuten vor Beginn der Vorstellung möglich

Buchungsanfragen Schulen
Telefon: 0732 76 11-121
schulbuchungen@landestheater-linz.at

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