Vom Rumpelstilzchen über Momo zur Zoe: Safira Robens, Darstellerin der Hauptfigur in „Zoes sonderbare Reise durch die Zeit“ (Burgtheater-Studio), im Gespräch mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr …
Safira Robens, 1994 in Herdecke (Deutschland) geboren, ist seit dieser Spielzeit Teil des Burgtheater-Ensembles. Schon in der vorigen – durch Corona bedingten Rumpf-Spielzeit war sie in einigen Stücken zu sehen. Derzeit abwechselnd in vier Produktionen: Als Peg Carter in „Das Himmelszelt“, als Farida in „Komplizen“ nach „Kinder der Sonne und Feinde von Maxim Gorki sowie in Elfriede Jelineks „Schwarzwasser“ – und nun erstmals in einem Stück für Kinder: „Zoes sonderbare Reise durch die Zeit“. In zwei Probenpausen führte Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … ein ausführliches Gespräch mit der Hauptdarstellerin der Zoe.
Schon auf der Probebühne ist ihr das etwas verträumte durch den Wind der zeit geratene Kind Zoe, das gegen Ende nach all der erfahrenen Kunststoff-Verwüstung zur Kämpferin wird, abzunehmen. Dabei ist Safira Robens, die Darstellerin der Hauptfigur in „Zoes sonderbare Reise durch die Zeit“ schon 27. Seit dieser Saison im Ensemble des Burgtheaters, aber auch schon in der vorigen Covid-bedingten Rumpf-Saison in einzelnen Stücken zu sehen.
Wie sind Sie – später wechseln wir auf Bitte der Schauspielerin ins Du – zum Theater, zum Schauspiel gekommen? Wollten Sie schon – wie viele andere – als junges Kind auf die Bühne?
Safira Robens: Das hat sich etappenweise ergeben. Das erste Mal, wo ich mit Theater in Berührung gekommen bin, war im Kindergarten. Vor Weihnachten hatten wir immer ein Märchenspiel. Ich durfte das Rumpelstilzchen sein. Das Lagerfeuer war eine rote Decke. Und nach dem Tanz ums Feuer mit dem bekannten Spruch „Ach, wie gut, dass niemand weiß …“ gab’s den Trick, unter der Decke zu verschwinden. Das war richtig wie Magie, ich fand das damals schon richtig cool.
Aber ich hatte das damals nicht als Theater bezeichnet, war da auch noch nie im Theater. Erst als ich 8 war, sind wir mit der Schule ins Theater gegangen. Das war ein Stück mit PuppenspielerInnen. Das hat mich so berührt, dass man so nah an Menschen sein kann mit Geschichten, die einen ja nicht direkt betreffen – diese Ehrlichkeit und Direktheit, dieses Teilen. Ich hab da gelacht und geweint. Irgendwie hat der Abend mein Leben verändert.
Aber bis ich dann selber gedacht habe, das könnte ich vielleicht beruflich machen – das war noch ein weiter Weg. Eine der Etappen war, dass ich als Kind in einem Theaterklub mitgespielt habe. Mit neun war ich dann das erste Mal auf der Bühne. Aber das waren alles immer so Zufälle. Mit elf hab ich „Momo“ gespielt, das fand ich auch fantastisch. Aber damals dachte ich dann immer: „Schön, dass das einmal passieren konnte“, aber es hat sich dann eben etappenweise weiterentwickelt, dass es irgendwann einmal auch zu meinem Traum geworden ist und ich dann geschaut habe, wo kann ich das studieren…
Wo, in welcher deutschen Stadt sind Sie aufgewachsen?
Safira Robens: In vielen unterschiedlichen Städten. Ich bin im Ruhrgebiet geboren, war in Dortmund auf der Grundschule, dann in Freiburg, Abitur hab ich wieder in Dortmund gemacht. Und zwischendurch hab ich in Portugal gelebt. Also auch immer etappenweise.
Mit 19 hab ich in der Schaubühne in Berlin gespielt und nebenbei Philosophie studiert. Obwohl’s mit der Uni „nebenbei“ so viel Arbeit war, hat mich das so gepusht, dass ich dachte und fühlte, alles ist möglich.
Die Ausbildung hab ich dann in Wien am Max-Reinhardt-Seminar gemacht.
Ich schreib auch sehr gerne und hab früher auch so kleine Sachen inszeniert, bei jungen Formaten, bei Festivals.
Dann hab ich eine Zeitlang in Mexico gearbeitet – auch im Theaterbereich, dann in Portugal. Dort bin ich dann vier Jahre geblieben und hab Theater gespielt und auch ein bisschen zu drehen begonnen. Auch erste Nachwuchspreise gewonnen. Das hat mich bestärkt, so dass ich mir dann gesagt habe, jetzt studierst du Schauspiel. Das muss so schön sein, wenn man Zeit hat, sich auf die eigene Entwicklung in diesem Bereich zu konzentrieren- singen, tanzen, spielen.
Warum gerade Wien?
Safira Robens: Das ist eine lustige Geschichtete. Meine bester Freundin war mal hier in der Endrunde, war viel vorsprechen, die war ganz angetan und hat gesagt: Das ist toll, da müssen wir hin. Seither sind wir hier.
Sie haben gesagt, dass Sie selber schreiben – was schreiben Sie – Theaterstücke, Prosa, Lyrik?
Safira Robens: Alles ein bisschen, ich finde mich da erst. Theaterstücke zu schreiben begonnen habe ich als Jugendliche, weil ich selber spielen wollte. Mit 15, 16. Prosa auch ein bisschen. Was ich sehr gerne schreibe sind Gedichte. Wenn mir ein Thema einfällt, das ich durchleuchten, der Zeit gerecht, darstellen möchte, das ach Leute wie mich widerspiegelt oder einbeziehen kann, dann mach ich das gern lyrisch.
Theaterstücke, die du geschrieben hast – wurden die auch aufgeführt oder sind/waren sie nur für die digitale Schublade?
Safira Robens: Schon auch aufgeführt und wir – andere Jugendliche mit mir – rumprobiert. Ruhr.210 war eine der Kulturhauptstädte Europas. Da gab es auch viele Ausschreibungen. Wir haben auf einer winzigen Bühne im Keller des Schauspielhauses Bochum Jugendaufführungen gehabt, wo ich den Text geschrieben, Regie geführt und selber mitgespielt habe.
Was waren/sind Themen deiner eigenen Stücke?
Safira Robens: Das erste hieß „Adolf Hitler and me“. Ich bin oft Rassismus begegnet. Wir sind häufig umgezogen, immer wieder hab ich Rassismus erlebt und ich hatte immer das Gefühl, da hat niemand Geduld dafür, das zu hören, sondern eher abgewimmelt.
Mit fünf Jahren hab ich Rassismus zum ersten Mal erlebt, aber ganz lange gar nicht darüber gesprochen. Du hörst als Kind blöde Kommentare, die dich belasten, die sich in der Politik widerspiegeln, aber kannst oft nicht darüber reden. So habe ich diese Figur erfunden.
Die Arbeit daran war eine wichtige Forschungsarbeit für mich zu meiner Familiengeschichte. Im komm aus zwei Kriegsfamilien. Väterlicherseits haben die Vorfahren den 2. Weltkrieg im Ruhrgebiet erlebt. Meine Mutter ist die Erbin eines Matriarchats in Angola, die das „Pech“ hatten, über Rohstoffe wie Gold, Erdöl, Mangos und Zugang zur Küste zu verfügen. Zu Weihnachten bei Familienfesten wurde immer viel über diese kriegerischen Vergangenheiten geredet. Es gab dann viel, worüber ich gern geredet hätte – auch dass Rassismus oft „unabsichtlich“ passiert – als Folge hierarchischer Gesellschaften. Das hat mich dazu gebracht, Theatertexte zu schreiben.
Und aus all dem hab ich das Stück gebaut, in dem acht jugendliche Darsteller:innen spielen und keine festgelegten Identitäten haben. Es wurde ein doch lustiger Abend.
Inwiefern lustig? Sowohl Faschismus als auch Rassismus töten doch.
Safira Robens: Das kam durch die Situationen, in die man gerät, es ergaben sich total absurde Szenarien, ein emotionales und theoretisches Pingpong mit abstruse Situationen. Da gab’s zum Beispiel einen alten, dicken Nazi vor einem Spiegel. Und hinter dem Spiegel ein kleines, zierliches Mädchen – und eigentlich waren beide dieselbe Person.
Gab es darüber hinaus noch andere Themen, zu denen du Stücke geschrieben hast?
Safira Robens: „Das Wunderland in Alice“ und andere, in denen es ums Jung-sein in unserer Welt geht, das Begreifen der Strukturen dieser Welt, was das mit einem macht, was Demokratie bedeutet, in die Welt hineinwachsen …
Also immer sehr große Themen?
Safira Robens: Facetten davon, zwischenmenschliche Beziehungen, das Verstehen des eigenen Findens als Ereignisse im Leben einer jungen Person oder das was in der Afrikanistik als „Black Germany“ genannt wird. Bei kleinen Festivals rund um Düsseldorf haben wir auch sehr filmisch gearbeitet – mit Videos, die im Schauspiel eingeblendet waren.
Nun zum aktuellen Stück. Spielst du das erste Mal für Kinder?
Safira Robens: Ja und nein, auf der Bühne ja. Aber in Düsseldorf bin ich mal für eine leider erkrankte Theaterpädagogin eingesprungen und habe zwei Monate mit Kindern zwischen acht und zwölf Jahren eine Stückentwicklung – „Träume“ – gemacht. Diese Arbeit hat mich sehr geprägt.
Inwiefern?
Safira Robens: Es hat mich schon als Kind genervt, dass du wahnsinnig unterschätzt wirst. Das ist vollkommen falsch. Schon mit drei, vier… sechs Jahren … hast du relevante Gedanken. Du wirst als Konsumentin oder Konsument viel ernster genommen denn als ernstzunehmende Person.
Es frustriert mich, dass Kinder so viel fühlen und wahrnehmen und nicht entsprechend wahrgenommen werden. Die Meinung von Kindern und die Kommunikation mit ihnen sind so wichtig!
Zum Inhalt, zum Umgang mit dem Planeten und der Vermüllung – auch ein großes Thema, hast du selbst auch schon dazu als Jugendliche ein Stück geschrieben?
Safira Robens: Im Prinzip schon, aber eher in Performances und Flashmobs da haben wir in Dortmund auf das Erdbeben in Japan und die Auswirkungen auf das AKW Fukushima reagiert.
Ich finde es sehr wichtig und bin froh, dass „Zoes sonderbare Reise durch die Zeit“ hier zustande kommt und ich mit dabei sein darf.
Fühlst du dich wohl in der Rolle der Zoe?
Safira Robens: Vom Gefühl her entspricht sie mir sehr. Aber egal, wen diese Zoe darstellt. Wir wollen, ich will ja verständlich machen, dass es jeder und jede sein könnte. Es ist nicht Aufgabe einer einzelnen Person, die Welt zu retten. Ich hoffe, dass eine Figur entsteht mit der man sich identifizieren kann und möchte aber, dass sie niemandem die Lust nimmt, sich selber mit diesen Themen und Fragen auseinander zu setzen.
Im Studium an der Uni hab ich viel zu oft gehört, dass der Kapitalismus das einzig mögliche System sei. Das finde ich falsch. Wir wollen mit dem Stück aber natürlich eine Philosophie- oder Wirtschaftsgeschichte-Vorlesung machen, sondern Fragen anstoßen, wie wir alle miteinander unseren Planeten retten können, wie Träume lebendig werden können. Und da bin ich sehr froh, hier mitarbeiten zu dürfen…
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